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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Osteoporose
Keine bessere Frakturvorhersage durch wiederholte DXA
Die Risikoabschätzung für osteoporotisch bedingte Frakturen wird bei gesunden postmenopausalen Frauen durch eine erneute Bestimmung der Knochendichte 3 Jahre nach der initialen DXA-Messung nicht verbessert. Dies ist das Ergebnis einer Studie mit Frauen der WHI-(Women’s Health Initiative-)Kohorte (1). 7419 Frauen wurden zwischen 1993 und 2010 an 3 Zentren in den USA in die Studie einbezogen. Die mittlere Follow-up-Dauer betrug 12 Jahre. Die Frauen waren zu Beginn der Studie im Durchschnitt 66,1 (±7,2) Jahre alt; 23 Prozent von ihnen waren nicht weiss. Die Knochendichte wurde 3 Jahre nach der initialen DXA-Messung erneut bestimmt. In den darauffolgenden 9 Jahren erlitten 139 Frauen eine Hüftfraktur (1,9%) und 732 (9,9%) eine MOF (major osteoporotic fracture). Die Treffsicherheit der Risikobewertung wurde durch die zweite Knochendichtemessung nicht wesentlich verbessert, das heisst, die initiale Messung erfasste das Risiko bereits gut genug. Auch die Analyse der Knochendichtedifferenz zwischen initialer und zweiter Messung nach 3 Jahren brachte keinen wesentlichen Erkenntnisgewinn. Man habe eine allenfalls moderate Assoziation zwischen Knochendichtedifferenz und Frakturrisiko feststellen können,
die jedoch keinen klinisch relevanten Vorteil für die Beantwortung der Frage bringe, ob in den kommenden Jahren mit einer osteoporotisch bedingten Fraktur zu rechnen sei oder nicht, so die Studienautoren. Sie empfehlen, auf eine routinemässige DXA-Zweitmessung nach 3 Jahren zu verzichten und sich stattdessen darauf zu konzentrieren, dass möglichst alle postmenopausalen Frauen zwischen 65 und 85 Jahren wenigstens eine Knochendichtemessung erhalten. In den USA sei das bis anhin nur bei rund 75 Prozent der Frauen der Fall. In einem Kommentar wird darauf hingewiesen, dass es sich in der Studie um relativ junge Frauen mit einem Durchschnittsalter von zu Beginn 66 Jahren gehandelt habe, sodass man die Schlussfolgerungen der Studienautoren nicht eins zu eins auf ältere Frauen übertragen dürfe (2). In der aktuellen DVO-Guideline (Dachverband Osteologie e.V.) (3) wird empfohlen, sich bei dem Entscheid für wiederholte Knochendichtemessungen bei Frauen ohne Osteoporosetherapie an zwei Parametern zu orientieren: erstens am Ausgangswert und zweitens an der Wahrscheinlichkeit, ob die Interventionsschwelle für eine spezifische Therapie im Intervall überschritten wurde. Ohne zusätzliche Risiken (z. B. rascher
Knochendichteverlust aufgrund von Er-
krankungen) empfiehlt der DVO die
folgenden Intervalle:
s 12 Monate, falls ein Absinken des
T-Scores um 0,5 therapierelevant
wäre
s 2 Jahre, falls ein Absinken des
T-Scores um 1,0 therapierelevant
wäre
s > 5 Jahre, falls der T-Score um mehr
als 1,0 absinken müsste, bis eine spe-
zifische Therapie indiziert wäre.
Grundsätzlich sollten Wiederholungs-
messungen möglichst mit dem gleichen
Gerät, dem gleichen Scanprotokoll und
in den gleichen Regionen erfolgen.
Nach Beginn einer spezifischen Osteo-
porosetherapie sei ein genereller Zusatz-
nutzen für eine routinemässige Kon-
trolle der Knochendichte nicht belegt,
und wiederholte Messungen seien allen-
falls zur Verbesserung der Compliance
nützlich, so der DVO.
RBO s
1. Crandall CJ et al.: Serial bone density measurement and incident fracture risk discrimination in postmenopausal women. JAMA Intern Med 2020; published online July 27, 2020.
2. Schatz H:Wiederholte Knochendichtemessung bei postmenopausalen Frauen erhöht nicht die Vorhersage des Frakturrisikos. https://blog. endokrinologie.net, 6. August 2020.
3. Dachverband Osteologie e.V.: Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose. AWMF-Register-Nr.: 183/001. https://www. awmf.org/leitlinien/detail/ll/183-001.html, Zugriff am 1. September 2020.
Menopause
Höhere Stimme mit HRT
Wenig erforscht wurde bis anhin, wie sich eine allfällige HRT (Hormon– ersatztherapie) auf die Stimme auswirkt. Bekannt ist, dass die Stimmlippen und weitere Strukturen der Lauterzeugung Hormonrezeptoren aufweisen und in den Stimmlippen postmenopausal zytologische Veränderungen auftreten. Zwei Forscherinnen in Kanada, Dr. Tian Yue Wang, McMaster University, Hamilton, Ontario, und Prof. Jun Lin, University of Toronto, haben nun die
verfügbare Literatur gesichtet. Zur Stimmentwicklung mit und ohne HRT fanden sie 11 kleine Studien mit jeweils weit unter 100 Teilnehmerinnen. Trotzdem wagten Wang und Lin eine Metaanalyse und fanden heraus, dass postmenopausale Frauen ohne HRT offenbar eine tiefere Sprechstimme haben als gleichaltrige Frauen mit HRT. Die durchschnittliche Frequenz betrug in den Studien bei postmenopausalen Frauen mit HRT 185,9 Hz, ohne HRT waren es 174,6 Hz.
Dieser Effekt trat nur bei normalgewichtigen Frauen auf, was die beiden Autorinnen auf die endogene Östrogenproduktion des Fettgewebes zurückführen: Die Stimme einer übergewichtigen postmenopausalen Frau sei aus diesem Grund weniger von einer HRT abhängig. RBO s
Lin RJ, Wang T: Comparison of fundamental frequency in postmenopausal women who are treated with hormone replacement therapy vs those who are not. A systematic review and meta-analysis. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2020; published online August 13, 2020.
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ARS MEDICI 18 | 2020
SARS-CoV-2
Richtig lüften
Rückspiegel
Zahlreiche Studien zeigten, dass die meisten Menschen kein Gefühl dafür haben, wann und wie oft gelüftet werden muss, und oft würde die Temperatur im Raum mit der Luftqualität verwechselt, so Prof. Martin Kriegel, Leiter des Hermann-Rietschel-Instituts der TU Berlin. Er befasst sich seit Jahren mit der Physik der Aerosole, denen mittlerweile eine erhebliche Rolle bei der Verbreitung von SARS-CoV-2 zugeschrieben wird. Besondere Lüftungsregeln zum Schutz vor dem Virus seien zurzeit nicht notwendig, es genüge völlig, die bestehenden Regeln zum Lüften zu beachten, so Kriegel. Gemäss einer deutschen Arbeitsstättenrichtlinie kann man sich an folgenden Empfehlungen orientieren: s Mindestdauer der Stosslüftung: 10 Minuten im Sommer 5 Minuten im Frühling oder Herbst 3 Minuten im Winter s Wie oft lüften? Büroraum: alle 60 Minuten Besprechungsraum: alle 20 Minuten Extremes Lüften sei zwar noch effektiver, derzeit aber nicht nötig, so Kriegel. Er hat mit seinem Team Informationen zu allen Fragen rund um die Aerosole zusammengestellt, die unter folgenden Links abrufbar sind.
Foto: Andrea Stöger, pixabay.com
Video zur Verbreitung von Aerosolen: https://www.rosenfluh.ch/qr/aerosolvideo Antworten auf häufige Fragen: https://www.rosenfluh.ch/qr/aerosolfragen RBO s
Medienmitteilung der Technischen Universität Berlin vom 20. August 2020 und Arbeitstättenrichtlinie des Umweltbundesamts Deutschland.
FAQ Video
COVID-19
Schwerer Verlauf trotz oder wegen zu starker Immunreaktion
Das gefürchtete Lungenversagen bei schweren Verläufen von COVID-19 entsteht nicht durch eine zu schwache Immunantwort. Ganz im Gegenteil scheint eine überschiessende Reaktion des Immunsystems dazu beizutragen. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam aus Bochum und Essen unter der Leitung von Prof. Dr. Nina Babel, Leiterin des Centrums für translationale Medizin am Marien-Hospital Herne, einem Klinikum der Ruhr-Universität Bochum. Das Team hat spezifische Antikörper und T-Zellen im Krankheitsverlauf bei leicht und schwer erkrankten sowie später verstorbenen COVID-19-Patienten untersucht. «Wir konnten feststellen, dass eine stark ausgeprägte T-Zell- und Antikörper-Antwort nicht nur bei Patienten mit leichtem COVID-19-Verlauf
beziehungsweise nach besiegter Virusinfek-
tion nachweisbar war», so Babel. Eine ver-
gleichbare oder sogar stärkere Immunreak-
tion gegen SARS-CoV-2 konnte man auch bei
Patienten mit schwersten Verläufen und
COVID-19-bedingtem Lungenversagen fest-
stellen. Von ähnlichen Beobachtungen wird
auch in anderen aktuellen Studien berichtet,
ebenso von erfolgreichen Anwendungen im-
munsuppressiver Therapien bei COVID-19-
Patienten.
RBO/RUB s
Thieme CJ et al.: A robust T cell immunity towards spike, membrane, and nucleocapsid SARS-CoV-2 proteins is not associated with recovery in critical COVID-19 patients. Cell Reports Medicine 2020, published online August 29, 2020. Medienmitteilung der Ruhr-Universität Bochum auf idw-online am 1. September 2020.
Vor 10 Jahren
Fördert Kunstlicht Prostata- und Brustkrebs?
Abraham Haim und sein Team an der Universität Haifa stellen fest, dass die Inzidenz von Prostata- und Brustkrebs in denjenigen Ländern am häufigsten ist, in denen die Nacht besonders intensiv mittels Kunstlicht zum Tage gemacht wird. Ihre Hypothese: Die nächtliche Beleuchtung stört den Melatoninstoffwechsel und könnte somit das Wachstum hormonabhängiger Tumoren fördern. Bei anderen Krebstypen wie kolorektalen Karzinomen und Larynx-, Leber- oder Lungentumoren stellen sie keine Assoziation mit der nächtlichen Beleuchtung fest. Sie weisen im Tierversuch nach, dass sich Prostatakarzinomzellen bei Mäusen rascher teilen, je länger das lichtexponierte Intervall pro Tag ist. Melatoningaben können den Effekt deutlich vermindern.
Vor 50 Jahren
Sexuell bedingter Bartwuchs
In der Zeitschrift «Nature» erscheint der Erfahrungsbericht eines Mannes, der eine Zeit lang allein auf einer einsamen Insel lebte und nur selten das Festland besuchte. Er stellte fest, dass sein Bartwuchs auf der Insel zurückging und am Tag vor dem Ausflug wieder kräftiger wurde, was für ein, zwei Tage auf dem Festland anhielt. Ursache des Phänomens sei ein Anstieg der Androgene in Erwartung sexueller Kontakte während des Festlandausflugs.
Vor 100 Jahren
CIRS
«Zu Nutz und Frommen der Kollegenschaft» schildert ein Arzt in ARS MEDICI einen Fehlgriff, der seinen Enkelkindern das Leben hätte kosten können. Er verabreicht ihnen wegen Keuchhusten i.m. Chininhydrochlorid. Beim fünften Mal greift er versehentlich zur falschen Flasche und injiziert eine Atropinlösung. Als Gegenmittel spritzt er den Kindern Morphin. Die Kinder überleben. Ab sofort werde er das Etikett immer genau prüfen, auch bei Behältern, die er täglich zur Hand nehme.
RBO s
ARS MEDICI 18 | 2020