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Oberflächliche Venenthrombosen
Risiken werden unterschätzt
Oberflächliche Venenthrombosen sind möglicherweise häufiger als angenommen. Sie sind keineswegs harmlos, sondern nicht selten mit pulmonaler Embolie assoziiert. Über den aktuellen Stand der Therapieempfehlungen informierte Prof. Denis Clement, Gent.
Die genaue Inzidenz der oberflächlichen Venenthrombosen (OVT) ist nicht bekannt. «Sie sind vermutlich 2- bis 3-mal so häufig wie tiefe Venenthrombosen, aber das ist nur eine vage Schätzung», sagte Prof. Denis Clement, Gent. Klar aber sei, dass oberflächliche Venenthrombosen der Beine in einem Drittel der Fälle mit asymptomatischer und bei jedem zehnten mit symptomatischer pulmonaler Embolie assoziiert sind. Oft werde unterschätzt, dass sich oberflächliche Venenthrombosen in die Tiefe ausbreiten können, sagte Clement. Oberflächliche Venenthrombosen seien insofern «nicht so weit weg vom Herzen wie Kardiologen das glauben», und sie sind nicht harmlos. Darum sollte sowohl im betroffenen als auch im nicht betroffenen Bein eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt und nach einiger Zeit wiederholt werden.
Kompression und Mobilisation
Die Behandlung von Patienten mit oberflächlichen Venenthrombosen beruht auf drei Komponenten: Kompression, Mobilisation und Medikamente. Es gibt bis anhin jedoch nur sehr wenige Studien. Die Kompressionstherapie erfolgt mit Bandagen oder Kompressionsstrümpfen. Es ist darauf zu achten, dass die Kompression stark ist und eine grössere Region umfasst als die sichtbaren, oberflächlichen Venenthrombosen, betonte Clement: «Was wirklich zählt, ist das Ausmass der Kompression über das gesamte Bein hinweg.» Es versteht sich von selbst, dass Bewegung eine wichtige Rolle spielt und Bettruhe sozusagen «Gift» ist.
tiefen Venenthrombose vermindern könnte. Es gibt eine wichtige Einschränkung, die recht viele Patienten betreffen dürfte: Die NSAID dürfen nicht mit Antikoagulanzien kombiniert werden. Azetylsalizylsäure (ASS) ist bei oberflächlichen Venenthrombosen nicht hilfreich, auch «wenn viele von uns glauben, dass sie bei allem hilft», sagte Clement. Wenn die OVT im Ultraschall länger als 5 Zentimeter ist, werden Antikoagulanzien empfohlen, und zwar niedermolekulares Heparin s.c. oder, nach 5 Tagen, ein oraler Vitamin-K-Antagonist. Falls die Antikoagulation oral erfolgt, sollte die INR bei 2,5 liegen. Diese Behandlung wird 4 Wochen lang fortgesetzt. Die Wirksamkeit dieser Therapie sei allgemein anerkannt und auch durch einen Cochrane-Review dokumentiert, sagte Clement. Wenn die OVT im Ultraschall über 10 Zentimeter lang ist und insbesondere bei Patienten mit mehreren Risikofaktoren wird Fondaparinux 2,5 mg/Tag (Arixtra®) empfohlen. Grundlage dieser Empfehlung ist die 2010 publizierte Calisto-Studie: Damals wurden 3000 Patienten mit isolierter OVT zu Fondaparinux oder Plazebo randomisiert. Als primärer Endpunkt zählten eine venöse Thromboembolie oder die Ausbreitung oder das Wiederauftreten der Thrombose innert 45 Tagen. Insgesamt trat dieser kombinierte Endpunkt bei 0,9 Prozent der Patienten unter Fondaparinux auf gegenüber 5,9 Prozent unter Plazebo. Möglicherweise werden die neuen Antikoagulanzien künftig auch bei der Behandlung von Patienten mit OVT zum Einsatz kommen, spekulierte Denis Clement. Studien hierzu liegen jedoch noch nicht vor.
Thrombosenlänge spielt eine Rolle für die Medikamentenwahl
Bei der medikamentösen Behandlung spielt die Grösse der Thrombose eine Rolle: Ist sie im Ultraschall (!) kürzer als 5 Zentimeter, sind NSAID geeignet, und zwar lokal oder systemisch. Es handelt sich dabei um eine rein symptomatische Therapie, denn es gibt keinen Beweis, dass man dadurch das Risiko einer Ausdehnung zu einer
Renate Bonifer
Symposium «Take Home Messages for Practitioners», 28. August 2012. ESC Kongress München, 25. bis 29. August 2012.
20 Kardiologie ESC 2012