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BERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Individualisiert und patientenorientiert
Therapie des fortgeschrittenen Basalzellkarzinoms
Das Basalzellkarzinom ist der häufigste Tumor des hellhäutigen Menschen. Die Standardtherapie besteht in einer vollständigen Exzision, was in der Regel keine Herausforderung ist. Trotzdem stellen sich manchmal Patienten mit grossen und komplizierten Tumormanifestationen vor, welche eine komplexe und individualisierte Herangehensweise erfordern. Zu den Gründen für derartige Tumoren zählen Vernachlässigung, Angst vor dem Arztbesuch, fortgeschrittenes Lebensalter und schwerwiegende Behinderungen. (Schlüsselwörter: Basalzellkarzinom, komplizierte Tumormanifestation)
MAREIKE ALTER, HAUTTUMORZENTRUM, OTTO-VON-GUERICKE-UNIVERSITÄT MAGDEBURG
Das Basalzellkarzinom ist der häufigste Tumor des hellhäutigen Menschen. In Deutschland liegen die Inzidenzen bei 63 (Frauen) und 80 (Männer) pro 1 000 000 Einwohner. Die Standardtherapie besteht in einer – möglichst histologisch gesicherten – vollständigen Exzision. In der Regel ist die Behandlung von einfachen Basalzellkarzinomen keine therapeutische Herausforderung. Trotzdem kommt es im klinischen Alltag zu Vorstellungen von Patienten mit grossen und komplizierten Tumormanifestationen. Diese erfordern eine komplexe und individualisierte Herangehensweise. Die Gründe für derartige Tumoren in unserer heutigen modernen Welt sind vielfältig und reichen von Vernachlässigung bis zu (mit zunehmender Tumorgrösse sich steigernder) Angst vor dem Arztbesuch. Auch ein fortgeschrittenes Lebensalter oder schwerwiegende Behinderungen sind Gründe für eine späte Vorstellung eines Patienten. Bei diesen grossen Basalzellkarzinomen sollten die Therapieoptionen in einer interdisziplinären Tumorkonferenz besprochen werden, um die beste Alternative für jeden Patienten bestimmen zu können. Im Folgenden werden anhand von drei Beispielen die Entscheidungen bei derartigen Tumoren vorgestellt.
Patient 1
Anamnese Der erste Patient ist ein 1948 geborener Mann. Ein Tumor an der rechten Gesichtshälfte bestehe seit 2011. Aufgrund einer Arztphobie sei es bisher nicht zu einer Konsultation gekommen. Die Erstvorstellung in der Hautklinik Magdeburg erfolgte daher erst im März 2017 (Abbildung 1).
Diagnostik Histologisch konnte ein überwiegend adenoid-zystisches Basalzellkarzinom nachgewiesen werden. In der Durchuntersuchung mittels CT-Thorax und CT-Abdomen konnten Fernmetastasen ausgeschlossen werden. Zudem bestanden keine weiteren Erkrankungen.
Therapie Aufgrund der Grösse des Befundes war ein primär operatives Vorgehen nicht sinnvoll. In der interdisziplinären Tumorkonferenz wurde die Indikation zur Radiatio gestellt und zunächst von einer Therapie mit einem Hedgehog-Inhibitor abgesehen. Von Mai bis Juni 2017 erfolgte die Radiatio mit 50 Gy à 2 Gy. Der Patient stellte sich zu regelmässigen Kontrollen vor. Nach Abheilung des Radioderms wurde im Januar 2018 (Abbildung 2) der Therapieerfolg mittels Histologie überprüft (Entnahme mehrerer Stanzbiopsien). Es fand sich kein Nachweis eines Basalzellkarzinoms. Bis August 2018 (Abbildung 3) kam es nicht zu einem Rezidiv.
Therapieoptionen Die Radiatio ist eine Therapieoption, wenn aufgrund der Lokalisation oder der Ausdehnung des Basalzellkarzinoms oder aufgrund von Komorbiditäten eine Operation nicht möglich ist, nicht sinnvoll erscheint oder vom Patienten abgelehnt wird. Die Radiatio kann auch bei R1- oder R2-Situation erwogen werden. Üblicherweise werden Elektronen oder Photonen bis zu einer Gesamtdosis von etwa 60 Gy verwendet (1–3). Eine Metaanalyse (3) hat 5-jahres-Abheilungsraten von 83 bis 95 Prozent ergeben, das heisst, die Basalzellkarzinome sprechen
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BERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Abbildung 1: Patient 1 bei Erstvorstellung, 3/2017.
Abbildung 2: Patient 1 nach Strahlentherapie, 1/2018.
Abbildung 3: Patient 1, 8/2018.
insgesamt gut auf eine Strahlentherapie an; das Ansprechen ist abhängig von der Tumorgrösse. Zudem scheint die Strahlentherapie weniger effektiv bei sklerodermiformen als bei nodulären Basalzellkarzinomen zu sein (4). Selten sind Basalzellkarzinome so weit fortgeschritten (oder es liegen andere Gründe vor), dass eine operative oder eine Strahlentherapie nicht infrage kommt. In dieser Situation kann eine systemische medikamentöse Therapie erwogen werden. Die Entscheidung hierzu sollte immer in einer interdisziplinären Tumorkonferenz getroffen werden. Vismodegib und Sonidegib hemmen über die Inhibierung des Membranproteins Smoothened den Hedgehog-Signalweg, der eine wichtige Rolle in der Entstehung von Basalzellkarzinomen spielt. Beide Substanzen sind zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen Basalzellkarzinoms, bei dem eine Operation oder Strahlentherapie nicht infrage kommt, zugelassen. Vismodegib ist zudem für das sehr seltene metastasierte Basalzellkarzinom zugelassen. Bei lokal fortgeschrittenen Basalzellkarzinomen kommt es in den vorliegenden Zulassungsstudien zu einem objektiven Ansprechen nach zentraler Beurteilung von 47,6 Prozent (Vismodegib) beziehungsweise 56,1 Prozent (Sonidegib), nach Beurteilung durch die Prüfärzte von 60,3 Prozent (Vismodegib) und 71,2 Prozent (Sonidegib), wobei bei Sonidegib die strengeren mRECIST-Kriterien angewandt wurden (6, 7). Als Nebenwirkungen können unter Therapie Muskelprobleme (Krämpfe) und Geschmacksstörungen (Dysgeusie/Ageusie) auftreten, zudem Diarrhöen und Gewichtsverlust. Diese Nebenwirkungen bilden sich nach Absetzen der Therapie vollständig wieder zurück, können jedoch insbesondere bei alten Patienten relevant werden. Ausserdem kommt es häufig zu Haarausfall. Dieser kann nach Absetzen persistieren (8). Wichtig ist auch die Beachtung der Terato-
genität, die eine besondere Aufklärung und Dokumentation erfordert (9).
Patientin 2
Anamnese Beim zweiten Fall handelt es sich um eine jüngere Patientin (Jahrgang 1976). Bereits 2011 wurde auswärts ein Basalzellkarzinom an der Stirn nicht vollständig exzidiert. Aufgrund einer schweren geistigen Behinderung mit begleitender Seh- und Höreinschränkung wurde von einer weiteren Operation abgesehen. Es kam zu einem Rezidiv mit einem kontinuierlich grössenprogredienten Tumor an der Stirn. Da immer wieder Blutungen auftraten und der Tumor zunehmend ein pflegerisches Problem darstellte, wurde die Patientin im August 2017 in der Universitätshautklinik Magdeburg vorgestellt (Abbildung 4).
Abbildung 4: Patientin 2 bei Erstvorstellung, 8/2017.
Abbildung 5: Patientin 2 nach Therapie mit Vismodegib, 3/2018.
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BERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Diagnostik Diagnostische Massnahmen wie eine Bildgebung oder eine Biopsie konnten nicht durchgeführt werden.
Therapie In der Tumorkonferenz wurde zunächst die Indikation zu einer Strahlentherapie gestellt. Diese konnte jedoch aufgrund der Behinderung nicht durchgeführt werden. Im November 2017 wurde deshalb eine zielgerichtete Therapie mit Vismodegib 150 mg 1 × täglich eingeleitet. Erstaunlicherweise war das Einnehmen der Tabletten unproblematisch, und es traten keine Nebenwirkungen ausser Effluvium auf. Bereits im März 2018 konnte klinisch kein Basalzellkarzinom mehr festgestellt werden (Abbildung 5). Bei mutmasslich vollständiger Remission wurde die Therapie im August 2018 zunächst wieder beendet. Die Remission hält (März 2019) weiter an, bei Wohlbefinden der Patientin. Im Falle eines klinischen Wiederauftretens ist eine Wiedereinleitung der Therapie mit Vismodegib oder dem anderen zugelassenen Hedgehog-Inhibitor Sonidegib geplant. Ein erneutes Ansprechen ist zu erwarten.
Patient 3
Anamnese Beim dritten Patienten handelt es sich um einen 1960 geborenen Mann mit Arztphobie. Durch ein fortgeschrittenes Basalzellkarzinom war es zur Destruktion im Bereich der Stirn und der Nasenwurzel mit Übergreifen auf das Auge gekommen. Es bestand bereits ein Durchbruch in die Stirnhöhle. Anamnestisch besteht der Tumor seit 2013. Erstmals stellte sich der Patient im August 2015 vor (Abbildung 6a).
Diagnostik Die zur Erstvorstellung durchgeführte Histologie zeigte ein Basalzellkarzinom. In der bildgebenden Diagnostik konnte die klinisch vermutete Destruktion des Mittelgesichtes und der Orbita bestätigt werden (Abbildung 6b).
Therapie In der Tumorkonferenz wurde eine Strahlentherapie aufgrund der Nähe zu Hirnstrukturen mit zum Teil freiliegender Dura zurückhaltend bewertet. So wurde im September 2015 eine Systemtherapie mit Vismodegib (150 mg 1 × täglich) begonnen. Hierunter kam es zunächst bei guter Verträglichkeit zu einer guten Stabilisierung des Befundes in der Bildgebung und klinisch zu einer guten Besserung (Abbildung 7). Unerwünschte Arzneimittelwirkungen waren ein Effluvium und Geschmacksveränderungen. Im Mai 2016 konnte erfolgreich eine Epithese angepasst werden (Abbildungen 8a, 8b), wodurch sich die Lebensqualität des Patienten deutlich steigerte. Leider kam es im weiteren Verlauf zu einer kontinuierlichen Zunahme der Nebenwirkungen, insbesondere Muskelkrämpfe, Geschmacksveränderungen mit Gewichtsverlust und Fatigue. Die Therapie mit Vismodegib wurde von Mai bis November 2016 pausiert. Aufgrund einer Wiederverschlechterung versuchten wir im November 2016 eine Wiedereinleitung von Vismodegib, leider erneut mit Auftreten von nicht tolerierbaren Nebenwirkungen. Im Februar 2017 konnte ein Rezidiv des Basalzellkarzinoms (Abbildung 9) histologisch gesichert werden. Nach erneuter Vorstellung in der interdisziplinären Tumorkonferenz wurde nun die Indikation zur Strahlentherapie gestellt und diese im März 2017 mit insgesamt 50 Gy fraktioniert mit 2 Gy begonnen. Insgesamt sprach der Tumor sehr gut auf die Strahlentherapie an, ohne auffällige Komplikationen (Abbildung 10).
ab
Abbildungen 6a, 6b: Patient 3 bei Erstvorstellung, 8/2015; MRT, 8/2015.
Erörterung und mögliches weiteres Vorgehen Wir erreichten durch die Medikation mit Vismodegib zunächst ein schnelles und gutes Therapieansprechen bei guter Lebensqualität. Bei vielen Patienten ist Vismodegib jedoch nur eingeschränkt als Dauertherapie geeignet, aufgrund der als sehr belastend empfundenen Nebenwirkungen. Therapiepausen können aber oft eine Langzeiteinnahme möglich machen, bei weiter gutem Therapieansprechen (8). Leider war das bei unserem Patienten nicht möglich, sodass er auf die initial als ungünstiger bewertete Strahlentherapie umgestellt werden musste. Immerhin kommt es in Abhängigkeit von der Tumorgrösse zu Ansprechraten (lokale 5-Jahres-Kontrollraten) von circa 90 Prozent bei T3-Tumoren (3). Glücklicherweise kam es auch bei unserem Patienten durch die Strahlentherapie zu einer guten und komplikationslosen Remission.
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BERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Abbildung 7: Patient 3 unter Therapie mit Vismodegib, 1/2016.
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Abbildungen 8a, 8b: Patient 3, Anpassung Epithese, 5/2016.
mit immunvermittelten Phänomenen zu rechnen.
Das ist bei der Auswahl der Patienten zu berücksich-
tigen.
s
Dr. med. Mareike Alter Oberärztin Universitätshautklinik Leitung Hauttumorzentrum Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Leipziger Strasse 44, D-39120 Magdeburg E-Mail: mareike.alter@med.ovgu.de
Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift «Haut» 4/19. Die Veröffentlichung der aktualisierten Version erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag.
Abbildung 9: Patient 3, Rezidiv, 2/2017.
Abbildung 10: Patient 3 nach Bestrahlung, 5/2017.
Im Falle eines erneuten Rezidivs könnte wieder die Induktion von Vismodegib oder Sonidegib versucht werden. Zudem wird mit Cemiplimab hoffentlich bald ein neues Medikament zur Verfügung stehen, welches eine gute Wirksamkeit beim lokal fortgeschrittenen und metastasierten Basalzellkarzinom aufweist. Erste Fallberichte und Studienergebnisse weisen darauf hin, und es werden derzeit einige Studien durchgeführt (9, 10). Der PD-1-Antiköper Cemiplimab ist bereits zugelassen zur Therapie des metastasierten und lokal fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinoms. Basalzellkarzinome weisen, ähnlich wie kutane Plattenepithelkarzinome, durch die UV-Signatur eine hohe Mutationslast auf. Deshalb kann man auch beim fortgeschrittenen Basalzellkarzinom ein gutes Therapieansprechen erwarten. An Nebenwirkungen von Cemiplimab ist insbesondere
Abbildungen: © Mareike Alter
Litratur: 1. Hauschild A, Breuninger H, Kaufmann R et al. Brief S2K guidelines – Basal cell car-
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monest skin cancer. Dtsch Arztbl int 2014(5); 111: 389–95. 3. Cho M,Gordon L,Rembielak A,WooTC.Utility of radiotherapy for treatment of basal
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