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Chronische Herzinsuffizienz
Neue Empfehlungen in den ESC-Guidelines 2012
Die wichtigsten Neuigkeiten für die medikamentöse Therapie bei Herzinsuffizienz betreffen die erweiterte Indikation für die Aldosteronantagonisten Spironolacton und Epleneron sowie die neue Indikation für Ivabradin bei Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz (HF-REF).
F alls trotz ACE-Hemmer (bzw. eines Sartans bei ACEUnverträglichkeit) plus Betablocker keine Besserung bei herzinsuffizienten NYHA-II- bis NYHA-IV-Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz (HF-REF) und einer Auswurffraktion 35 Prozent eintritt, sollten diese zusätzlich Spironolacton (Aldactone®, Xenalon®) oder Epleneron (Inspra®) bekommen, um das Hospitalisations- und Mortalitätsrisiko zu senken, erläuterte Dr. Aldo Pietro Maggioni, Florenz, am Symposium zu den neuen ESC-Guidelines für die Behandlung bei Herzinsuffizienz. Die vor zwei Jahren am ESC vorgestellte SHIFT-Studie lieferte die Argumente dafür, dass Ivabradin (Procoralan®) in den ESC-Guidelines zur Herzinsuffizienz einen neuen Platz einnimmt. In dieser Studie lagen Hospitalisation/ kardiovaskuläre Mortalität bei der Ivabradin-Gruppe um 18 Prozent tiefer. Bei NYHA-II- bis NYHA-IV-Patienten mit einer Ruhefrequenz von mindestens 70 Schlägen pro Minute und einem regelmässigem Herzschlag (Sinusrhythmus) sowie einer verminderten Auswurffraktion (LVEF) 35 Prozent wird Ivabradin nun als Zusatzmedikament empfohlen, falls die Dreierkombination aus einem ACE-Hemmer (bzw. Sartan), einem Betablocker und einem Aldosteronantagonisten nicht ausreicht. Ivabradin kommt auch infrage, wenn der Betablocker nicht vertragen wird, dann in Kombination mit dem ACE-Hemmer (bzw. Sartan) und dem Aldosteronantagonisten.
PUFA und Eisen
Neu aufgeführt werden in den Empfehlungen auch die Omega-3-Fettsäuren (PUFA), die man als Zusatz für Patienten mit der Standard-Dreierkombination erwägen kann. Darüber hinaus machte Maggioni darauf aufmerksam, dass eine Anämie bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit einem schlechteren Allgemeinzustand, einem höheren Hospitalisationsrisiko und einer erhöhten Mortalität assoziiert sei. Darum könne man eine intravenöse Eisentherapie bei Hämoglobinspiegeln zwischen 9,5 und 13,5 g/dl und Eisenmangel erwägen.
Was man nicht tun sollte
Nicht empfohlen werden mangels Wirksamkeit die Statine sowie die Renininhibitoren, weil zu Letzteren die Studien noch laufen. Ausserdem sollten nur orale Antikoagulanzien verordnet werden, die auch für Patienten mit Vorhofflimmern geeignet sind. Potenziell schädlich für Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz sind Glitazone und die meisten Kalziumantagonisten (ausser Amlodipin und Felodipin). Auch NSAID und COX-2-Hemmer sollte man diesen Patienten möglichst nicht verordnen, da diese Natrium- und Wasserretention bewirken können und somit eine Verschlechterung der Nierenfunktion bei Herzinsuffizienz. Wenn bereits ein ACE-Hemmer zusammen mit einem Aldosteronantagonisten genommen wird, sollte man kein Sartan und auch keinen Renininhibitor zusätzlich geben, da dies das Risiko einer Nierendysfunktion und der Hyperkaliämie erhöht, betonte Maggioni.
Und bei diastolischer Herzinsuffizienz?
Bei der diastolischen Herzinsuffizienz (HF-PEF) sei bis anhin keine überzeugende Therapie bekannt, die Morbidität und Mortalität verringern würde, sagte Maggioni. Man gibt Diuretika und behandelt Hypertonie und kardiale Ischämie so adäquat wie möglich. Die zu vermeidenden Medikamente sind, mit Ausnahme der Kalziumantagonisten, dieselben wie bei der systolischen Herzinsuffizienz.
Schrittmacher, Bypass-OP, TAVI ...
Einen höheren Stellenwert räumen die neuen Empfehlungen den Herzschrittmachern für Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz ein, berichtetet Professor John McMurray, Glasgow. Hiervon könnten bereits NYHA-II-Patienten mit einer LVEF 30 Prozent und verlängertem QRS-Intervall profitieren (130 ms bei Links- und 150 ms bei Rechtsschenkelblock), sofern bei gutem Allgemeinzustand eine Lebenserwartung von mindestens einem Jahr besteht. Hierbei habe der Schrittmacher für Patienten mit Links-
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schenkelblock und solche mit Sinusrhythmus einen grösseren Nutzen als für dienigen mit Rechtsschenkelblock. Unklar ist der Nutzen für Patienten mit Vorhofflimmern sowie bei Patienten mit reduzierter LVEF ohne QRS-Veränderungen. Auch die Bypass-Operation wird nun für ein grösseres Patientenkollektiv empfohlen, nämlich für Patienten mit Angina pectoris bei einer Zwei- oder Dreigefässerkrankung, einer LVEF 35 Prozent und einer Lebenserwartung von mindestens einem Jahr. Das Einsetzen von Herzklappen mittels Katheter (TAVI: transcatheter aortic-valve implantation) wird ebenfalls in den neuen Guidelines genannt. Es kommt vor allem für Patienten infrage, bei denen ein chirurgischer Eingriff nicht möglich ist, zum Beispiel bei schweren Lungenfunktionsstörungen. Bei inoperablen Patienten mit Mitralklappeninsuffizienz kann der sogenannte «Mitral Clip» in Erwägung gezogen werden, welcher ebenfalls per Katheter gesetzt wird. Das «künstliche Herz», die sogenannten LVAD (left ventricular assist devices) wurde bis anhin primär als Überbrückung während der Wartezeit auf ein Spenderherz gesehen. Mit den neuen ESC-Guidelines zur Herzinsuffizienz hat sich diese Sichtweise insofern geändert, als die LVAD für manche Patienten durchaus als eigenständige Therapie in Betracht kommen könnten.
Renate Bonifer
Symposium «New 2012 ESC acute and chronic heart failure Guidelines», 26. August 2012. ESC Kongress München, 25. bis 29. August 2012.
Vorgehen bei chronischer Herzinsuffizienz; 1) zur Symptomlinderung; 2) bei Unverträglichkeit Sartan geben; 3) ausreichend hoch dosieren; CRT: Resynchronisationstherapie mit Dreikammerherzschrittmacher; ICD: implantierter Kardioverter/Defibrillator; NYHA: Klassifikation der Herzinsuffizienz gemäss New York Heart Association; H-ISDN: Hydralazin plus Isosorbiddinitrat; LVAD: «Kunstherz» (left ventricular assist devices). Nach: ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure 2012. Eur Heart J 2012; 33: 1787–1847.
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