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Intrazelluläre Therapie mit winzigen Molekülen
Zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis befinden sich derzeit eine Reihe neuer Wirkstoffe in der Entwicklung. Diese «small molecules» hemmen gezielt die Signalvermittlung von wichtigen proinflammatorischen Zytokinen – und zwar innerhalb der Zellen. In Berlin wurden neue Ergebnisse zu Phase-II- und -III-Studien vorgestellt.
A ls «small molecules» gelten niedermolekulare Verbindungen, deren Molekülmasse etwa 800 g/mol nicht übersteigt. Durch ihre geringe Grösse sind sie teilweise in der Lage, in Zellen einzudringen. Während die bisher gegen rheumatoide Erkrankungen eingesetzten Biologika, wie zum Beispiel der Tumor-Nekrose-Faktor alpha (TNF-α) die entzündungsfördernden Zytokine im extrazellulären Raum angreifen, sollen die neuen «small molecules» nun innerhalb der Zellen wirken. Tatsächlich blockieren die neuen Substanzen die Weiterleitung des Signals von der Zelloberfläche in den Zellkern von Immunzellen und hemmen damit die Wirkung wichtiger inflammatorischer Zytokine.
Vorreiter Tofacitinib
Einer der zentralen Signalwege ist dabei derjenige der Januskinasen (JAK). Der Vorteil einer intrazellulären Blockade der Januskinasen sei es, dass die Signale mehrerer verschiedener Zytokine, darunter diejenigen der Interferone IFN-α, IFN-β sowie der Interleukine IL-6, IL-7, IL-10, IL-12, IL-15, IL-17 und IL-23, moduliert werden könnten, erklärte Prof. Hendrik Schulze-Koops aus München an einem Pressegesprächs der Firma Pfizer. Als der am weitesten fortgeschrittene Januskinasehemmer gilt Tofacitinib (CP-690,550), der primär JAK 1 und JAK 3 blockiert. In Berlin wurden nun neue Daten zu einem randomisierten, plazebokontrollierten Phase-III-Studienprogramm mit rund 4000 erwachsenen Patienten vorgestellt (ORAL, Oral Rheumatoid Arthritis phase 3 triaLs). Die Teilnehmer litten an mittelschwerer bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis und wurden in 350 Studienzentren in 45 Ländern mit oralem Tofacitinib (2 x 5 bzw. 2 x 10 mg/Tag) in Monotherapie oder in Kombination mit Methotrexat behandelt. Die sechs- bis zwölfmonatige Behandlung mit dem «small molecule» führte im Vergleich zu Plazebo zu statistisch signifikanten Verbesserungen hinsichtlich Krankheitsaktivität, Fatigue, Schlaf, Schmerz, körperlicher Funktion und Lebensqualität. Ein Vergleich zwischen Tofacitinib, Adalimumab (Humira®) und Plazebo zeigte bei
Patienten mit rheumatoider Arthritis und unzureichender Response auf Methotrexat einen ähnlichen Nutzen von Tofacitinib und des «klassischen» Biologikums Adalimumab. Die neuen Moleküle hätten das Potenzial, auch in metabolische Funktionen einzugreifen, und könnten daher auch für die mit der rheumatoiden Arthritis verbundenen Komorbiditäten wichtig sein, erklärte der Rheumatologe Prof. Ian McInnes von der Universität Glasgow an einem Symposium. Derzeit wird hier intensiv geforscht.
Weitere Moleküle in den Startlöchern
Neben Tofacitinib stehen mit Fostamatinib, Baricitinib (LY3009104), VX-509 und GLPG0634 weitere «small molecules» in den Startlöchern. Während sich Fostamatinib gegen die Milztyrosinkinase (Syk) richtet, die vor allem in blutzellbildenden Geweben exprimiert wird, wirken die anderen Substanzen ebenfalls als Januskinaseinhibitoren. So erreichten die mit Baricitinib (plus DMARD) behandelten Patienten mit rheumatoider Arthritis nach 12 Wochen zu 76 Prozent einen ACR20 (Plazebo: 41%, p < 0,001), erklärte dazu der Leiter der in Berlin vorgestellten Untersuchungen, Prof. Edward Keystone aus Toronto/Kanada. Gerade für Patienten, deren bisherige Therapien gescheitert sind, könnte die Behandlung mit JAK-Hemmern neue Perspektiven eröffnen, so der kanadische Rheumatologe. Ob die neuen interessanten Substanzen den «klassischen» Biologika überlegen sind und zukünftig in der Rheumatherapie überhaupt eine Rolle spielen, wird jedoch massgeblich von deren Nebenwirkungsprofil und deren Verträglichkeit abhängen. Obwohl durchaus ernste Nebenwirkungen beschrieben wurden, scheinen die bisherigen Ergebnisse insgesamt auf eine gute Verträglichkeit hinzudeuten.
Klaus Duffner
Pfizer Sat. Symposium: Emerging oral DMARDs fort the treatment of rheumatoid arthritis. Keystone E. et al. Ann Rheum Dis 2012; 71 (Suppl 3): 152. EULAR-Kongress 2012, 8.6.2012 in Berlin.
EULAR 2012 Rheumatologie 21