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Biologika erstmals im Head-to-Head-Vergleich
Neue Studien zur Therapie der rheumatoiden Arthritis
In der Schweiz sind zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis mittlerweile acht Biologika mit zum Teil unterschiedlichen Wirkmechanismen zugelassen. Mit ihrer Hilfe werden über moderne zielorientierte Therapiestrategien Remissionen für immer mehr Patienten zu einer realistischen Perspektive. Trotzdem bleibt die individuell zugeschnittene Wahl der richtigen Therapie zum richtigen Zeitpunkt eine Herausforderung. Die erstmals am EULAR-Kongress 2012 in Berlin vorgestellten sogenannten Head-to-Head-Studien könnten dabei helfen, noch bessere Entscheidungen zu finden. Die vielen präsentierten neuen Untersuchungen zeigen, dass Biologika nichts von ihrer wissenschaftlichen Anziehung verloren haben.
T rotz der therapeutischen Möglichkeiten der Biologika ist der Zugang zu ihnen in Europa sehr unterschiedlich verteilt. So stehen in 10 von 46 europäischen Ländern überhaupt keine Biologika zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) zur Verfügung. In den übrigen Staaten ist der Zugang stark von den ökonomischen Voraussetzungen abhängig. Während zum Beispiel in der Türkei im Durchschnitt 9431 Euro pro Biologika-behandelten RA-Patienten ausgegeben werden, sind es in Deutschland 21 349 Euro. In wirtschaftlich schwächeren Staaten werden diese Medikamente restriktiver verschrieben.
Kürzere Lebenserwartung
Dabei geht es bei einer schweren rheumatoiden Arthritis um sehr viel: RA-Patienten haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine gegenüber gesunden Personen um mehrere Jahre verkürzte Lebenserwartung. Es ist daher zu vermuten, dass eine wirkungsvolle Anti-RA-Therapie diese Tendenz zumindest abbremsen könnte. In einer am diesjährigen EULAR-Kongress in Berlin vorgestellten Studie wurde nun genau dies bestätigt (1). Die 8600 untersuchten Patienten des deutschen Registers RABBIT litten im Durchschnitt 10,3 Jahre unter rheumatoider Arthritis. Frauen und Männer mit einem DAS28 von über 4 (Kasten «Krankheitsaktivität messen») starben 6,4 respektive 7,3 Jahre früher als Frauen und Männer entsprechender Altersgruppen der Allgemeinbevölkerung. Zudem erhöhte jede Zunahme des DAS28 um eine Einheit das Sterberisiko um 15 Prozent (adjustierte Hazard Ratio [HR] 1,15). Mit einer multivariaten Cox-Regressionsanalyse konnten Berliner Forscher nun zeigen, dass RA-Patienten, die mit Biologika versorgt wurden, ein im Vergleich mit DMARD
(«disease modifying antirheumatic drugs»)-Behandelten signifikant geringeres Mortalitätsrisiko aufwiesen (HR 0,61).
Head to Head: Abatacept versus Adalimumab
Erstmals wurden zwei Studien vorgestellt, die eine direkte Gegenüberstellung zweier Biologika für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis erlauben (2). So wurden in der AMPLE-Studie 646 methotrexatresistente Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis entweder mit Abatacept s.c. (ABA, Orencia®) oder Adalimumab s.c. (ADA, Humira®) zusätzlich zur MTX-Basistherapie behandelt. Bereits nach 4 Wochen waren ähnliche Verbesserungen in beiden Studienarmen zu beobachten. Nach 12 Behandlungsmonaten erreichten dann unter ABA 64,8 Prozent und unter ADA 63,4 Prozent der Patienten eine mindestens 20-prozentige Besserung (ACR20) im Vergleich zum Ausgangswert. Dies entspricht nahezu identischen Wirkungsgraden der beiden Biologika. Auch die ACR50- und ACR70-Ansprechraten waren in beiden Gruppen nach einem Jahr vergleichbar, sie betrugen 46,2 Prozent mit ABA und 46 Prozent mit ADA bei ACR50 sowie 29,2 Prozent mit ABA und 26,2 Prozent mit ADA bei ACR70. Schliesslich zeigte auch die Verhinderung der radiografischen Progression in den beiden Studienarmen vergleichbare Resultate. Beide Medikamente waren ähnlich gut verträglich. Allerdings zeigten im ABAArm mehr Teilnehmer – allerdings nicht schwere – autoimmunbedingte Nebenwirkungen (10 Pat. vs. 3 Pat.), wohingegen Reaktionen an der Injektionsstelle in der ADA-Gruppe häufiger auftraten (9,1% vs. 3,8%). Obwohl die beiden Biologika völlig unterschiedliche Wirkmechanismen besitzen – Adalimumab ist ein Tumornekrose-
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faktor-alpha (TNF-α)-Inhibitor und Abatacept ein T-ZellModulator –, konnte in diesem ersten Head-to-HeadVergleich gerade hinsichtlich der ACR-Response eine erstaunliche Übereinstimmung festgestellt werden. Fazit des Studienleiters Dr. Michael Schiff von der University of Colorado School of Medicine in Denver/USA: «Studien wie AMPLE besitzen das Trial-Design der Zukunft.»
Head to Head: Tocilizumab versus Adalimumab
Auch die in Berlin vorgestellte Head-to-Head-Studie zu Tocilizumab (TOC, Actemra®) und Adalimumab ist ein Vergleich zweier völlig unterschiedlicher Wirkmechanismen, nämlich zwischen einem Interleukin-6-(IL-6-)Rezeptorblocker (TOC) und einem TNF-α-Inhibitor (ADA). Für die randomisierte, doppelblinde ADACTA-Studie wurden 325 Patienten mit schwerer aktiver rheumatoider Arthritis ausgewählt, die entweder MTX nicht vertrugen oder die auf eine Dauertherapie mit MTX unzureichend ansprachen (3). Je eine Hälfte erhielt über 24 Wochen als Monotherapie Tocilizumab (8 mg/kg) intravenös alle 4 Wochen oder Adalimumab (40 mg) subkutan alle 2 Wochen. Die Krankheitsaktivität reduzierte sich gemessen über den DAS28Score in der Tocilizumabgruppe um -3,3 gegenüber 1,8 in der Adalimumabgruppe (p < 0,001). Zudem wurde eine DAS28-Remissionsrate (DAS28 < 2,6) von 40 Prozent mit Tocilizumab gegenüber 11 Prozent mit Adalimumab erreicht. Schliesslich zeigten die Teilnehmer eine ACR20Response von 65 Prozent (TOC) und 49 Prozent (ADA) und eine ACR50-Response von 47 (TOC) gegenüber 28 Prozent (ADA). Die Nebenwirkungsprofile der beiden Biologika waren in beiden Gruppen vergleichbar. So litten 11,7 Prozent in der TOC- und 9,9 Prozent in der ADA-Gruppe an ernsthaften Nebenwirkungen, davon jeweils 3,1 Prozent an schweren Infektionen. Insgesamt, so die Studienautoren, zeige die Tocilizumabmonotherapie eine gegenüber Adalimumab signifikant stärkere Verminderung der RA-Krankheitsaktivität.
Wechsel auf Rituximab nach gescheiterter Anti-TNF-α-Therapie
Wie sollen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer rheumatoider Arthritis nach dem Versagen eines TNF-αHemmers weiterbehandelt werden? Soll mit einer weiteren Anti-TNF-Therapie auf eine Response gehofft werden, oder ist es sinnvoller, auf einen völlig anderen Wirkmechanismus umzusteigen? Um diese Frage zu beantworten, wurden in die multizentrische prospektive Beobachtungsstudie Switch-RA 1107 RA-Patienten einbezogen, deren erste Anti-TNF-Behandlung versagt hatte. Sie wechselten entweder auf den monoklonalen Anti-CD20-Antikörper Rituximab (RTX, MabThera®) oder auf einen weiteren TNF-α-Hemmer (4). Die in Berlin vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass Patienten 6 Monate nach ihrem Switch auf RTX verglichen mit der Anti-TNF-α-Gruppe eine signifikant
stärkere Abnahme der DAS28-ESR-
Krankheitsaktivität aufwiesen. Während
in der RTX-Gruppe die mittlere DAS28-
Verminderung bei 1,5 lag, zeigten die mit
einem weiteren TNF-α-Inhibitor behan-
delten Patienten nur eine Abnahme um
1,1 (p = 0,008). RTX-behandelte Teil-
nehmer wiesen überdies eine bessere
Abnahme der Erythrozytensedimentationsrate (ESR) auf (-15,4 mm vs.
Prof. Paul Emery
-9,2 mm; p = 0,009). Vor allem solche
RA-Patienten, die wegen Wirkungslosig-
keit – nicht jedoch wegen Unverträg-
lichkeit – ihre vorhergehende Therapie
abgebrochen hatten, profitierten von
einem Wechsel zur Anti-B-Zell-Therapie,
wie Studienleiter Prof. Paul Emery, Uni-
versity of Leeds/UK, präzisierte.
In Berlin wurden auch neue Langzeit-
ergebnisse zur Sicherheit und Verträg-
lichkeit von Rituximab vorgestellt (5). In die Analyse wurden 3595 Patienten mit 14 008 Patientenjahren über eine zehn-
Prof. Ronald van Vollenhoven
jährige Beobachtungsperiode einbezo-
gen. Das Biologikum zeigte auch über diesen langen
Zeitraum eine gute Verträglichkeit, insbesondere traten
mit fortschreitender Behandlungsdauer keine neuen oder
unerwarteten Sicherheitsprobleme auf. So kam es in der
Gesamtpopulation zu 3,8 ernsten Infektionen pro 100 Pa-
tientenjahre, vergleichbar mit den Plazeboraten. Pneu-
monien zählten zu den häufigsten schweren Infektion-
serkrankungen (2% der RTX-Teilnehmer). Gegenüber den
Vergleichsgruppen war sowohl für bösartige Tumor-
erkrankungen als auch für Myokardinfarkte kein höheres
Risiko zu verzeichnen.
Praxisnahe Studien mit Certolizumab
An vielen kontrolliert klinischen Trials sind hoch selektionierte Patientenpopulationen beteiligt, welche die tägliche Praxis häufig nicht reflektierten. Daher gebe es ein Bedürfnis nach «pragmatic trials», erklärte Prof. Ronald van Vollenhoven, Karolinska University Hospital Stockholm. Einen solchen praxisnahen Ansatz verfolgte die Phase-IIIB-Studie CERTAIN, deren Teilnehmer einen unselektionierten Patientenquerschnitt darstellen (6). Dabei wurden die knapp 200 erwachsenen Patienten mit moderater bis mittelschwerer aktiver RA und inadäquater Response auf eine herkömmliche Basistherapie (DMARD) in einen Certolizumab- (plus MTX) und einen Plazebo (plus MTX)-Arm randomisiert. Während die mit dem Biologikum behandelte Gruppe nach 24 Wochen eine mittlere Verbesserung des Clinical Disease Activity Index(CDAI-)Scores um 4,01 erfuhr, verschlechterten sich der Score in der Plazebogruppe um 3,38. Im Vergleich zu den konventionell behandelten Pa-
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Krankheitsaktivität messen
ACR20, ACR50 und ACR70: Kriterien des American College of Rheumatology (ACR), die in Studien eine mindestens 20-, 50- bzw. 70-prozentige Besserung der rheumatoiden Arthritis definieren. Analog hat das ACR pädiatrische Kriterien formuliert (ACRPed20, ACRPed50, ACRPed70).
CDAI: Clinical Disease Activity Index, zusammengesetzt aus den Indizes für die Zahl der druckdolenten bzw. geschwollenen Gelenke sowie dem Patienten- und Untersucherassessment. Ein CDAI
≤ 2,8 entspricht einer Remission, ≤ 10 einer geringen, ≤ 22
einer mittleren und > 22 einer hohen Krankheitsaktivität.
DAS28: Disease Activity Score, Mass für die Krankheitsaktivität, definiert anhand der Funktion von 28 Gelenken. Beim DAS28 ESR wird zusätzlich die Blutsenkungsgeschwindigkeit (erythrocyte sedimentation rate, ESR) berücksichtigt, beim DAS28 CRP die Konzentration des C-reaktiven Proteins. Werte von 0 bis 2,6 entsprechen einer sehr niedrigen Krankheitsaktivität, bei welcher der Patient die Krankheit praktisch nicht mehr spü̈rt. Bis 3,2 spricht man von einer niedrigen, von 3,2 bis 5,1 von einer mittleren und ü̈ber 5,1 von einer hohen Krankheitsaktivität.
HAQ: Health Assessment Questionnaire, ein Fragebogen, der klärt, inwiefern alltägliche Tätigkeiten, wie z.B. Greifen, Anziehen usw. möglich sind. In Studien gilt eine Abnahme des HAQ um 0,5 Einheiten als klinisch relevant.
tienten erreichten unter Certolizumab (Cimzia®) nach 24 Wochen mehr als dreimal so viele Teilnehmer eine Remission (18,8% vs. 6,1%, p < 0,05). Allerdings konnten nach Beendigung der Therapie nach 52 Wochen die wenigsten diese Remission halten. Dies solle beim Gedanken an einen möglichen Therapiestopp berücksichtigt werden, sagte Prof. Josef Smolen, AKH Wien. Auch mit der Frage, ob die Frucht- barkeit durch eine Anti-TNF-Therapie beeinträchtigt wird, könnte ein Arzt konfrontiert werden. Deshalb wurden in einer randomisierten Doppelblindstudie 20 gesunde Freiwillige entweder mit einer Certolizumab400-mg-Dosierung oder mit Plazebo behandelt (7). Ergebnis: Zwischen den behandelten und den unbehandelten Männern konnte hinsichtlich der Samenqualität (Motilität, Vitalität, Quantität u.a.) keinerlei Unterschied festgestellt werden.
BeSt-Studie mit 8-Jahres-Ergebnissen
Die Präsentation der Follow-ups der BeSt-Studie hat mittlerweile beim EULAR-Kongress Tradition. In diesem Jahr waren die 8-Jahres-Resultate an der Reihe. In die niederländische Langzeitstudie waren ursprünglich 508 Patienten mit aktiver RA eingeschlossen und in vier unterschiedliche Behandlungsgruppen eingeteilt worden (8): 1. Sequenzielle Monotherapie; 2. Step-up-Kombinationstherapie; 3. Initiale Kombination mit Prednison; 4. Initiale Kombination mit Infliximab (Remicade®). Bei Veränderung des Patientenzustands konnte die Medikation variabel
angepasst werden. Von den 347 im 8-jährigen Follow-up verbliebenen Patienten wiesen 79 Prozent einen DAS ≤ 2,4 auf. 52 Prozent befanden sich in stabiler Remission (DAS < 1,6). Zwischen 15 und 18 Prozent der 347 Patienten konnten sogar ganz auf ihre Medikamente verzichten (arzneimittelfreie mediane Remissionsdauer 45 Monate). In der gesamten Follow-up-Studienpopulation war die radiologische Progression minimal. Die anfänglichen Unterschiede zwischen den vier Studienarmen, beispielsweise der Vorteil für die initial mit einer Kombination aus Infliximab und Methotrexat Versorgten, waren nach 8 Jahren nicht mehr festzustellen. «Die Tatsache, dass diese initialen Differenzen nun nicht mehr länger zu finden sind, zeigt die Wichtigkeit einer Treat-to-Target-Strategie bei Patienten mit RA», betonte die Studienleiterin Dr. Marianne van den Broek, Universität Leiden/NL, und: «Wir konnten zudem zeigen, dass mit einer frühen und gezielten Behandlung fast 20 Prozent der Patienten über einen immer länger werdenden Zeitraum ohne jegliche DMARD auskommen können.»
Golimumab in GO-FURTHER und GO-FORWARD
GO-BEFORE, GO-AFTER, GO REVEAL, GO RAISE: Der humane monoklonale TNF-α-Antikörper Golimumab (Simponi®) konnte in einer ganzen Reihe von «Go-Studien» seine Wirksamkeit und Verträglichkeit unter Beweis stellen. Jetzt wurden in Berlin die neuen Ergebnisse der GO-FURTHERStudie vorgestellt (9). Dabei zeigte sich, dass Golimumab (GLM) in Verbindung mit Methotrexat bei fast 60 Prozent der RA-Patienten bereits nach 2 Behandlungswochen eine 20-prozentige Symptomverbesserung auslöst. Von den randomisierten 592 Patienten mit aktiver RA erreichten nach der 14. Woche signifikant mehr Teilnehmer der Golimumab-MTX-Gruppe den ACR20 als unter PlazeboMTX (59% vs. 25%, p < 0,001). Ähnlich deutliche Unterschiede stellten sich für den DAS28-CRP (81% vs. 40%), den ACR50 und den HAQ-Score ein (0,500 vs. 0,125). Durch die Behandlung seien Schmerzen, Steifheit und Gelenkschwellungen signifikant verbessert worden, sagte Studienleiter Prof. Rene Westhovens, Universität Leuven/B. Die mit GLM + MTX und die mit Plazebo + MTX behandelten Teilnehmer hatten in ähnlichem Umfang Nebenwirkungen (47% bzw. 44%). Allerdings wurden in der GLM-Gruppe mehr ernsthafte Nebenwirkungen (vor allem Infektionen) beobachtet als in der Plazebogruppe, worunter aber keine opportunistischen Tuberkuloseinfektionen waren. Auch eine retrospektive Analyse der GO-FORWARD-Studie zur Langzeitwirksamkeit von Golimumab wurde in Berlin präsentiert (10). Eingeschlossen waren 444 Patienten mit aktiver RA, von denen rund 30 Prozent nach 24 Wochen eine Remission nach den DAS28-Kriterien erreicht hatten. Von ihnen befanden sich nach 1 Jahr noch rund 80 Prozent und nach 2 Jahren noch 90 Prozent in Remission. Rund 20 Prozent der Patienten, die nach 24 Wochen eine
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Remission noch nicht erreicht hatten, erlebten bis zur Woche 52 und 104 ebenfalls das Verschwinden der Krankheitsaktivität.
Remission mit Etanercept bei juveniler idiopathischer Arthritis
Prof. Josef Smolen
Bei den Studien zum ebenfalls gegen TNF-α gerichteten humanen Fusionspro-
tein Etanercept (Enbrel®) stand am
diesjährigen EULAR die juvenile idio-
pathische Arthritis (JIA) stark im Fokus.
So wollte man in einer italienischen Un-
tersuchung wissen, in welchem Umfang
Remissionen bei der JIA möglich sind,
und – besonders interessant – ob prädik-
tive Hinweise existieren, inwieweit eine
Therapie mit diesem Biologikum Erfolg
versprechend ist oder nicht (11). Dazu
Prof. Gerd-Rüdiger Burmester
wurden in den Jahren 2010 und 2011 187 Kinder mit JIA ausgewählt, die median über 2,4 Jahre mit Etanercept (0,8 mg/kg)
behandelt worden waren. Die kleinen
Teilnehmer wurden im Anschluss an das letzte Follow-up
über ein halbes Jahr nachbeobachtet. 50,3 Prozent der
Kinder zeigten zum Zeitpunkt dieser letzten Untersuchung
keine Krankheitsaktivität mehr. Stärkste Prädiktoren für eine erfolgreiche Therapie waren das Alter und eine Handgelenksbeteiligung. Kinder, die zu Beginn ihrer Erkrankung weniger als 3,6 Jahre alt waren und keine RABeteiligung der Handgelenke vorwiesen, hatten die besten Chancen auf eine Remission. «Diese Ergebnisse zeigen, dass es etwa für die Hälfte der mit Etanercept behandelten Kinder mit JIA möglich ist, eine Remission zu erreichen», erklärte die Studienleiterin Dr. Nicoletta Solari aus Genua. Überdies lasse eine Arthritis in den Handgelenken eine möglichst frühe Therapie mit dem Biologikum in Kombination mit Methotrexat sinnvoll erscheinen, da sich damit die Wahrscheinlichkeit für eine Remission erhöhe. Wie effektiv und verträglich ist eine JIA-Behandlung mit Etanercept bei den Allerkleinsten? Die Analyse des deutschen BIKER-Registers offenbarte, dass auch die Mehrheit der unter 2-jährigen Kinder von einer solchen Therapie profitiert (12). Von den 1499 Patienten, die über ein halbes Jahr mit Etanercept behandelt worden waren, erreichten 83 Prozent einen ACRPed70 sowie eine signifikante Verbesserung weiterer Parameter. 2 Kinder erlitten ernste Nebenwirkungen (1 Pneumonie und 1 Uveitis), 1 entwickelte 5 Jahre danach ein Hodgkin-Lymphom. Insgesamt, so die Studienautoren, wurde die Anti-TNFTherapie jedoch, ebenso wie bei älteren Kindern, gut vertragen.
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Geringeres kardiovaskuläres Risiko durch Anti-TNF-Behandlung
Patienten mit rheumatoider Arthritis haben ein grösseres kardiovaskuläres Risiko als die Allgemeinbevölkerung. Grund dafür ist neben konventionellen Risikofaktoren eine starke inflammatorische Komponente. So ist gegenüber der Normalbevölkerung die Inzidenz von kardiovaskulären Erkrankungen um 48 Prozent und von Herzinfarkten um 68 Prozent erhöht (13). Das Herzinfarktrisiko sei bei RA-Patienten sogar genauso hoch wie bei Diabetikern, betonte Prof. Michael E. Weinblatt, Harvard Medical School, Boston/USA. Kann ein effektives Risikomanagement diese Gefahr messbar reduzieren? In einer von Prof. Gerd-Rüdiger Burmester, Charité Berlin, vorgestellten Metaanalyse an vier randomisierten doppelblinden Studien mit rund 2500 RA-Patienten wollte man den risikoverändernden Effekt einer Behandlung mit Adalimumab (plus MTX) abschätzen (14). Ergebnis: Mit Adalimumab plus MTX behandelte Patienten hatten gegenüber mit MTX in Monotherapie behandelten eine 66-prozentige Reduktion grosser kardiovaskulärer Ereignisse (HR 0,33, p = 0,04) und eine 84-prozentige Verminderung nicht tödlicher Myokardinfarkte (HR 0,16, p = 0,008).
Infektionsrisiko berechenbar
Während das kardiovaskuläre Risiko durch den Einsatz der Biologika gesenkt werden kann, wird das Infektionsrisiko durch diese Medikamente erhöht. Vom Deutschen Rheumazentrum in Berlin wurde der RABBIT-Score zur Abschätzung des Risikos für schwerwiegende Infektionen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis vorgestellt (15). Anhand des individuellen Risikoprofils (Alter, Therapiegeschichte, frühere Infektionen, aktuelle Therapie) lässt sich nun mit hoher Genauigkeit vorhersagen, ob ein mit einem TNF-α-Inhibitor oder einer anderen Therapie zu behandelnder Patient mit einer bösen Überraschung rechnen muss oder nicht. Vor diesem Hintergrund können bestimmte Therapien in ihrem Risiko gegeneinander abgewogen werden: ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung individualisierter Therapie.
Klaus Duffner
Literatur: 1. Listing J et al.: Successful control of disease activity and treatment with biologics increase the life expectancy in rheumatoid arthritis patients. Ann Rheum Dis 2012; 71 (Suppl3): 69. 2. Schiff M et al.: Abatacept SC versus adalimumab on background methotrexate in RA: One year results from the AMPLE study. Ann Rheum Dis 2012; 71( Suppl3): 60. 3. Gabay C et al.: Tocilizumab (TCZ) monotherapy is superior to adalimumab (ADA) monotherapy in reducing disease activity in patients with rheumatoid arthritis (RA): 24-week data from the phase 4 ADACTA trial. Ann Rheum Dis 2012; 71 (Suppl3): 152. 4. Emery P et al.: Relative effectiveness of rituximab versus an alternative TNF inhibitor in patients with rheumatoid arthritis and an inadequate response to a single previous TNF inhibitor: Results from SwitchRA, a global, comparative-effectiveness, observational study. Ann Rheum Dis 2012; 71 (Suppl3): 381. 5. Van Vollenhoven RF et al.: Long-term safety of rituximab: 10-year follow-up in the rheumatoid arthritis global clinical trial programme. Ann Rheum Dis 2012; 71 (Suppl3): 195. 6. Smolen JS et al.: Maintenance of remission in rheumatoid arthritis patients with low-moderate disease activity following withdrawal of certolizumab pegol treatment: Week 52 results from the CERTAIN study. Ann Rheum Dis 2012; 71 (Suppl3): 361. 7. Perrier S et al.: Certolizumab pegol did not result in a decrease in semen quality in healthy volunteers: Results from a phase 1 study. Ann Rheum Dis 2012; 71 (Suppl3): 365. 8. Van den Broek M et al.: Clinical and radiologic outcomes of four disease activity driven treatment strategies: 8-year results of the BeST study. Ann Rheum Dis 2012; 71 (Suppl3): 106. 9. Weinblatt ME et al.: Intravenous golimumab is effective in patients with active rheumatoid arthritis despite methotrexate therapy with results observed by 2 weeks: Results of the phase 3, multicenter, double-blind, placebo-controlled trial. Ann Rheum Dis 2012; 71 (Suppl3): 368. 10. Keystone E et al.: Long-term remission with golimumab in active rheumatoid arthritis patients despite methotrexate through 2 years. Ann Rheum Dis 2012; 71 (Suppl3): 663. 11. Solari N et al.: Predictors of achievement of inactive disease in children with juvenile idiopathic arthritis treated with etanercept. Ann Rheum Dis 2012; 71 (Suppl3): 53. 12. Horneff G: Safety and efficacy of etanercept in juvenile idiopathic arthritis patients under two years of age. Ann Rheum Dis 2012; 71 (Suppl3): 430. 13. Avina-Zubieta JA et al.: Risk of incident cardiovascular events in patients with rheumatoid arthritis: a meta-analysis of observational studies. Ann Rheum Dis 2012. In press. 14. Burmester G. et al.: The effect of adalimumab on risk of major adverse cardiovascular events in rheumatoid arthritis: a meta-analysis of randomized trials. Ann Rheum Dis 2012; 71 (Suppl3): 359. 15. Strangfeld A et al.: Validation of the RABBIT risk score for serious infections. Ann Rheum Dis 2012; 71 (Suppl3): 102.
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