Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Gelesen: «Pflicht des guten Bürgers ist es, das heimische Tourismusgeschäft zu beleben.» Und: «Man geniert sich beinahe, die Schweiz zu verlassen.» Ganz unrecht hat der Schreiber nicht. Wer gar auf FB Ferienfotos postet – das Übliche: Sonne, Strand und Frutti di mare –, muss mit scheelen Kommentaren rechnen. Und der Frage: Du? In … (wahlweise) E, F, I, A, HR, GR? Warum nicht im Puschlav oder auf dem Mürtschenstock oder wenigstens im Toggenburg? Ja, stimmt, das wären auch Optionen. Was aber, wenn man keine Lust hat auf Berge, overcrowdete Wanderwege und Maskenmuffel? Was, wenn man sich im Risikoland eigentlich ganz sicher, ja sogar sicherer fühlt, weil man den einschlägigen Beach-Parties und den Hunderten alkoholisierter Jungmenschen aus D, CH, A, B, NL, die das Virus wie weiland aus Ischgl in ihre Heimatländer zurücktransportieren und weiterverbreiten, dort leichter aus dem Weg gehen kann?
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Auch gelesen: «Es ist jeder ein potentieller Viruseinschlepper, der nur schon die Kantonsgrenze überschreitet.» Na also, da wird sie doch mal auf ganz neue Weise sichtbar, die Problematik des Aus-, des Ein-, des Binnen- und des Nicht-Wanderns.
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Die offizielle Schweiz zeigt keinen Ehrgeiz mehr. Wir waren einst stolz auf die direkteste aller Demokratien, die höchsten Löhne, die sozialste Altersvorsorge, die meisten Patentanmeldungen, die besten Hochschulen, die saubersten Strassen und Plätze, die niedrigste Kriminalitätsrate, die beste Medizin, die erfolgreichsten Industrieunternehmen und die grössten Banken, die Opern- und Schauspielhäuser mit den besten Intendanten, den weltweit beliebtesten, nämlich den roten Pass. Man hätte eigentlich erwarten dürfen, dass die Schweiz die
Coronakrise mit Abstand am besten bewältigt. Souverän, mit wenig Infizierten und Toten – wie immer ein Vorbild für den Rest der Welt. Stattdessen? Schicken die Norweger Schweizer Touristen subito heim, stecken die Slovenen die Schweizer bei Ankunft zwei Wochen in Quarantäne und rangiert die Schweiz bei den Todesfällen pro Million Einwohner auf Rang 12 in Europa, vor Serbien, Bosnien, Deutschland u.a. Nein, die Schweiz hat die Coronakrise nicht wie ein Musterschüler «gehändelt». Sie ist tiefstes Mittelmass. Im besten Fall. Es sei das erste Mal, klagt Onkel Hugo, dass es ihm im Ausland peinlich sei, Schweizer zu sein.
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Alter ist, wenn man die Wahl hat zwischen E-Bike und Dignitas …
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Wer den schwarzen Mann hinter der Theke auffordert, er solle den Chef rufen, weil der Name des Lokals – «Zum Mohrenkopf» – rassistisch sei und geändert gehöre und dann vom schwarzen Mann mit einem wissenden Lächeln belehrt wird, dass er selber der Chef sei … – hat ein Problem. (Das Restaurant steht in Kiel, der Beizer heisst Onuegbu und kommt aus Nigeria/Biafra. Wer dort buchen oder auch nur die Fakten checken will: http://zum-mohrenkopf.de). Ob die Geschichte sich genau so zugetragen hat … wer weiss das schon, aber – se non è vero è ben trovato.
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Nelson Mandela sah das Problem sehr genau. Schuldgefühle machen zwar Geld locker: der Staat – und neuerdings auch die Industrie – versuchen, das Rassismusproblem mit Subventionen für antirassistische Lobbyorganisationen zu lösen beziehungsweise zu nutzen. Die Ungleichheit wird dadurch allerdings nicht behoben, sondern allenfalls über-
tüncht oder schlimmer noch: kultiviert. Mandela beklagte, dass weisse Universitätsrektoren sich nicht trauten, schwarze Randalierer vom Campus zu verweisen, aus Angst, als Rassisten verunglimpft zu werden. Er nannte das Phänomen «Reverse Racism», umgekehrten Rassismus. Der ist längst auch bei uns genauso Alltag wie echter Rassismus und verhindert den vernünftigen Umgang mit letzterem.
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Unbequeme Logik: Wer eine Quote (nicht nur, aber wohl am häufigsten: für Frauen) für ein Amt aufstellt, sagt damit: «Für dieses Amt ist Qualifikation nicht so wichtig.» Oder eigentlich: Dieses Amt ist unwichtig – sonst würde man ja nach Qualifikation einstellen. Logische Schlussfolgerung: Ämter, in denen Quoten gelten, lassen sich ohne Verlust für die Gesellschaft streichen.
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Wir werden geplagt von Ismen. Vor 80 Jahren vom Faschismus. Gleichzeitig von Marxismus, Leninismus, Stalinismus, Kommunismus, Kollektivismus. Heute piesaken uns Islamismus, Genderismus, Multikulturalismus, Rassismus und Antirassismus, Klima-Katastrophismus, Migrationsglorifizismus, Antihomophobismus, Antisexismus (einer meinte, man dürfe auch ihn nicht vergessen, den Neoliberalismus) und was der Extremismusse, Fanatismusse und Fundamentalismusse mehr sind. Ach, würde sich das Übel der Welt doch auf reinen Pan-Dilettantismus beschränken.
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Und das meint Walti: Ich mische mich nur ungern in meine Privatangelegenheiten.
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 17 | 2020