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Fortbildung
Urindiagnostik
Auf was zu achten ist
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Die Anwendung von Urin als Mittel zur Diagnose verschiedenster Erkrankungen
Von Dr. med. Susanne Delecluse
Ebenso wichtig ist die visuelle Inspektion des Urins, in Kombination mit der olfaktorischen
hat eine lange Geschichte: Bereits 400
Untersuchung kann oftmals ein Harnwegsin-
v. Chr. erkannte der Mensch, dass Geruch und Farbe
fekt auch ohne weitere Untersuchung diagnostiziert werden.
des Urins Hinweise auf bestimmte Erkrankungen
Der Harnwegsinfekt ist eine der häufigsten Infektionen. Die
geben können. Die Anwendung von Urinstreifen-
klassische Symptomatik von Dysurie, Pollakisurie und Algu-
tests ist heutzutage mannigfaltig, häufig dienen sie
rie mit begleitender Pyurie oder Hämaturie liegt nicht immer
zur Diagnosestellung eines Harnwegsinfektes oder
vor. Insbesondere ältere Menschen und Diabetiker sind häu-
führen zur Entdeckung renaler und postrenaler Er-
fig symptomarm. Frauen sind deutlich häufiger betroffen.
krankungen.
Verläuft der Harnwegsinfekt symptomlos, kann sich eine
Urosepsis ausbilden mit den typischen Symptomen von
Kasuistik
Fieber, Übelkeit, Erbrechen und Hypotonie. Patienten mit Risikofaktoren, Fieber und nicht eindeutiger Klinik sollten
Herr Hans T., 84 Jahre alt, stellt sich bei der Vertretung seines Hausarztes mit seit zwei Tagen bestehender Mattigkeit und Unwohlsein sowie seit heute hinzukommendem Fieber, Übelkeit und einmaligem Erbrechen vor. Er gibt an, eine Sigmadivertikulose, Hypertonie und nicht-insulinpflichtigen Diabetes mellitus zu haben. Mit dem V. a. Gastroenteritis wird dem Patienten Paracetamol gegen das Fieber verordnet und die Empfehlung zur Einnahme von reichlich Flüssigkeit gegeben. In der Nacht verschlechtert sich sein Zustand, der Patient informiert den Rettungsdienst und wird in die Notambulanz verbracht. Blut- und Urinuntersuchungen erbringen schließlich die Diagnose einer Urosepsis, der Patient wird stationär aufgenommen und erhält eine empirische intravenöse Antibiose.
immer auf einen Harnwegsinfekt hin untersucht werden (siehe Kasuistik, kein erdachter Fall).
Korrekte Gewinnung des Urins Der korrekten Gewinnung der Urinprobe kommt ein besonders hoher Stellenwert zu, insbesondere wenn anschliessend eine bakteriologische Untersuchung erfolgen soll. Es versteht sich, dass Bakterienkontaminationen in diesem Zusammenhang möglichst vermieden werden sollten. Hier spielt die natürliche Vaginalflora mit zahlreichen Bakterien,
wie Peptostreptokokkus, Laktobazillen, Clostridien und
Urin wird nicht nur zu schulmedizinischen Diagnosezwecken
Corynebakterien, eine besonders bedeutsame Rolle, denn
eingesetzt (Kasten 1), ihm wird manchmal auch eine gesund-
die Diagnose eines Harnwegsinfektes ist durch eine solche
heitsfördernde Wirkung zugesprochen. Eigenharn kann äus-
Kontamination deutlich erschwert. Denn wird eine Vielzahl
serlich angewendet, getrunken oder auch injiziert werden
von Bakterien im Urin nachgewiesen (2–4 Arten), werden
und findet Anwendung bei Asthma, Hautekzemen, Nessel-
durch die Mikrobiologie keine weiteren Testungen/Arten-
fieber, Rheuma und chronischen Entzündungen im Urogeni-
bestimmungen durchgeführt und der Urin als kontaminiert
talbereich. Wissenschaftlich ist die Wirkung nicht eindeutig
deklariert. Wird der Patient jedoch aufgrund von Harnwegs-
belegt.
symptomen antibiotisch behandelt, eventuell sogar wieder-
Algorithmus der Urinuntersuchung
holt bei kompliziertem Harnwegsinfekt, ist die Chance auf
Der Algorithmus der Urinuntersuchung umfasst die olfakto-
rische und visuelle Inspektion des Urins. Es schliessen sich dann direkte laborapparative Untersuchungen, Urinstreifen-
Kasten 1:
Urin zu Diagnostikzwecken
test, Urinsediment und mikrobiologische Untersuchungen an, die Reihenfolge kann variieren, niemals sollte jedoch ein Urinsediment vor dem Urinstreifentest durchgeführt werden, wenn hierzu die gleiche Probe verwendet wird. Die olfaktorische Untersuchung des Urins ist unbeliebt, kann aber wichtige Hinweise liefern, wie aus Tabelle 1 ersichtlich.
• Diagnose verschiedenster Erkrankungen • Nachweis genereller Nierenschädigung (Erkrankungen, die Protei-
nurie und Hämaturie hervorrufen) • Schwangerschaftsnachweis • Nachweis der Einnahme bestimmter Drogen • Nachweis von Krebszellen (Urothelkarzinom)
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Tabelle 1:
Bedeutug olfaktorischer und visueller Urinbefunde
Untersuchung Olfaktorisch: • obstartiger, süsslicher Geruch • strenger, scharfer oder beissender Geruch nach Amoniak • fischiger Geruch • fauliger Geruch • Geruch nach Alkohol, «Spargelurin», Kohl Inspektion • Trübung
• Roter Urin
Bedeutung
• Diabetes Mellitus • Dehydration
• Harnwegsinfekt • Tumoren • Normal bei entsprechenden Ernährungsgewohnheiten
• Bakteriurie, Leukozturie bei HWI • Vaginalfluss • Makrohämaturie • Verzehr von Roter Beete • Rifampicin • Myoglobin (Myokardinfarkt) • Hämoglobin (Hämolyse)
die Erregerbenennung und Anfertigung eines Antibiogramms vergeben. Eine Anleitung des Patienten ist daher immer sinnvoll und notwendig, leider ist die Umsetzung trotzdem häufig fehlerhaft. Generell sollte der Mittelstrahlurin zur Untersuchung verwendet werden, und dieser sollte in einem sterilen Urinbecher aufgefangen werden. Finden sich Reste von Reinigungs- oder Desinfektionsmitteln im Sammelgefäss, kann dies die spätere Streifentestanalyse verfälschen und falsch positive Befunde für Makrohämaturie, Proteinurie und Glukosurie provozieren. Im Einzelnen sollte sich der Patient zunächst die Hände waschen und dann das Genital desinfizieren, Frauen die Labien dazu spreizen, Männer die Vorhaut zurückziehen. Die erste Portion des Urins soll verworfen werden, dies erhöht die Chance, aufsitzende Bakterien und Detritus loszuwerden. Bei laufendem Urinstrahl sollte dann die mittlere Portion des Urins gesammelt werden (1).
Probleme nach der Urinabgabe Die Analyse des gewonnenen Urins sollte sich zeitnah anschliessen. Tatsächlich kann der Urin aber bis zu zwei Stunden sonnengeschützt stehen bleiben. Werden zwei Stunden bis zur Analyse überschritten, kann es nachfolgend zu falschen Ergebnissen des Streifentests und Sediments kommen. Hiernach setzt der Zellzerfall von Leukozyten und Erythrozyten ein, was eine Proteinurie und Glukosurie vortäuschen kann. Befinden sich Bakterien im Urin, so vermehren sich diese, wodurch es zu einem Abbau von Glukose und Anstieg des Urin-pH kommt, Letzteres durch den bakteriellen Abbau von Ammoniak. Bilirubin wird insbesondere durch direkte Sonnenbestrahlung zu Urobilinogen abgebaut und ergibt so ggf. falsch positive Werte im Streifentest.
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Ist zu erwarten, dass sich die Urinanalyse verzögert, sollte die Probe im Kühlschrank gelagert werden. Vor der Untersuchung sollte diese jedoch auf Raumtemperatur gebracht werden. Urinproben sollten nicht eingefroren werden, wenn beabsichtigt wird, ein Urinsediment anzufertigen. Proben, die einer mikrobiologischen Untersuchung zugehen sollen, sollten schnellstmöglich in das entsprechende Labor gebracht werden oder ansonsten im Kühlschrank gelagert werden (2).
Anwendung, Parameter und Limitationen des Urinstreifentests Es stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, Urin zu untersuchen, je nach Fragestellung beziehungsweise abzuklärendem Krankheitszustand. Die im hausärztlichen Bereich sicherlich am häufigsten zum Einsatz kommende Untersuchungsmethode ist der Urinstreifentest und das Urinsediment. Je nach Auslegung des Urinstreifentests können zehn oder mehr Parameter erhoben werden (2, 3). Für die Untersuchung des Urins ist es wichtig, dass der Streifentest max. 3 Sekunden in den Urin eingetaucht wird. Je nach Hersteller variiert die Zeit bis zum Ablesen der jeweiligen Ergebnisse. Diese Zeit sollte eingehalten und nicht unter- oder überschritten werden, da sich schon nach Minuten Farben unspezifisch ändern können. Das Ergebnis des Tests wird über eine Farbskala abgelesen und ergibt schliesslich qualitative oder semi-quantitative Werte. Um die Ungenauigkeiten beim Ablesen der Farben und Über-/Unterschreiten der Inkubationszeit zu vermeiden, stehen seit geraumer Zeit kleinere Automaten zur Verfügung. Die am häufigsten genutzten Parameter des Urinstreifentests sind jene, die zur Diagnose eines Harnwegsinfekts führen und den Progress der diabetischen Nephropathie abbilden können (Tabelle 2). Harnwegsinfekte werden typischerweise durch die Konstellation einer Leukozyturie, Hämaturie, erhöhten Urin-pH-Wert und positiven Nitritwert erkannt. Hierbei muss berücksich-
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Tabelle 2:
Parameter des Urinstreifens, Normbereich und Bedeutung pathologischer Werte
Parameter Urindichte (spez. Gewicht g/ml)
pH-Wert
Leukozyten
normaler 1005–1035
4,5–8,0 negativ
erniedrigt • Konzentrations-
fähigkeit eingeschränkt (versch. Nephropathien Hyperkalziämie • Diabetes insipidus • Störung des SäureBasenhaushalts • Proteinreiche Ernährung –
Nitrit
negativ
–
Protein
negativ
–
Glukose
negativ
–
Keton
negativ
–
Urobilinogen Erythrozyten
negativ negativ
– –
erhöht • Dehydration • Lebererkrankungen • Herzinsuffizient
• Harnwegsinfekt • Störung des Säure-Basen-
haushalts • Pflanzliche Ernährung • Harnwegsinfekt • Pyelonephritis • Interstitielle Nephritis • Harnwegsinfekt (E. Coli,
Proteus, Klebsiellen, Citrobacter) • Renale glomeruläre oder tubuläre Erkrankungen • Harnwegsinfekt • Renale Glukosurie (Fanconi-Syndrom, M. Wilson, Zystinose) • Extrarenale Glukosurie (Diabetes mellitus) • Typ-1-Diabetes • Fasten, Fieber, Erbrechen Katabolie • Leberinsuffizienz • Hämolytische Anämie • Renale Hämaturie (nephritisches Syndrom) • postrenale Hämaturie (Harnwegsinfekt), Tumore, vaginale Blutung, Prostatitis
Tabelle 3:
Physiologische und pathologische Bestandteile des Urinsediments
Physiologische Bestandteile • Plattenepithelien • hyaline Zylinder • Spermien • Detritus • Kristalle (Harnsäure-, Kalziumoxalatkristalle
Pathologische Bestandteile • Bakterien • Leukozyten • Erythrozyten • Decoy-Zellen (Papilloma-(BK)-Virus-
infizierte Tubuluszellen) • Tubuluszellen • Kristalle (Leucin-, Zystin-, Cholesterin-,
Tyrosinkristalle)
tigt werden, dass nur Infekte mit E. coli, Proteus, Klebsiellen oder Citrobacter-Nitrit-positiv sind, bei Infektionen mit Staphylokokken, Enterokokken und Pseudomonas kann Nitrit nicht nachgewiesen werden. Nitrit allein zeigt hierbei eine Spezifität von 98 Prozent, aber eine Sensitivität von nur 48 Prozent (4).
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Urinstreifentests weisen Limitationen auf, die insbesondere unter der Einnahme von Vitamin C auftreten. Vitamin C, das in den Urin ausgeschieden wird, kann die Oxidationsreaktionen der Testfelder für Blut und Glukose falsch-negativ beeinträchtigen. Einige Hersteller beschichten daher ihre Testfelder, sodass falsch-negative Ergebnisse weitestgehend vermieden werden, andere Hersteller haben zusätzliche Testfelder für Ascorbinsäure auf ihren Teststreifen angebracht, wodurch negative Befunde erklärt oder hinterfragt werden können. Werden Parameter ausserhalb des Normbereiches festgestellt, die nicht durch einen Harnwegsinfekt erklärt werden können, sollte der Patient weiter abgeklärt werden. Proteinurie, Leukozyturie und Hämaturie können Ausdruck einer renalen Erkrankung sein, die durch gezielte Abklärung des Nephrologen verifiziert/falsifiziert werden sollte. Liegt ausschliesslich eine Mikro-/Makrohämaturie bei normalem Serumkreatinin vor, so sollte ein Sediment angefertigt werden und bei eumorpher Hämaturie die weitere Diagnostik zunächst urologisch erfolgen, hier geht es in erster Linie um den Ausschluss einer Tumorerkrankung (5).
Urinsediment Definiert ist das Urinsediment als Aufbereitung des Urins zur mikroskopischen Beurteilung der festen Substanzen des Urins. Die Vorteile des Urinsediments liegen ganz klar in der Visualisierung der zugrunde liegenden, ggf. pathologischen Bestandteile des Urins. Verwendet wird ein Phasenkontrastmikroskop mit kleiner Vergrösserung (10×-Objektiv). Zirka 10 ml Urin werden für 5 bis 10 Minuten zentrifugiert, der zellfreie Überstand abgegossen und der Bodensatz im verbleibenden Tropfen resuspendiert und auf einen Objektträger verbracht. Zu den physiologischen Bestandteilen des Sediments gehören Plattenepithelien (z.B. vaginale Epithelien), Spermien und Detritus. Zylinder sind Ausgüsse von renalen Tubuli und können als hyaline Zylinder zu einem Normalbefund gehören. Auch Kristalle können im Urin des gesunden Menschen vorkommen. Zu den pathologischen Bestandteilen des Urinsediments gehören Bakterien, Leukozyten, Erythrozyten, Decoy-Zellen (Papilloma-(BK)-Virus-infizierte Tubuluszellen) und Zylinder aus diesen Zellen. Leukozyten und Erythrozyten lassen sich durch ihr Kontrastverhalten, ihre Grösse und Struktur gut differenzieren. Insbesondere zur weiteren differenzialdiagnostischen Abklärung einer Mikro- oder Makrohämaturie ist die Anfertigung eines Urinsediments bedeutsam, da sich hierdurch sehr einfach eine renale/glomeruläre Hämaturie von einer extrare-
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nalen Hämaturie unterscheiden lässt. Bei der Passage von
Erythrozyten durch die glomeruläre Basalmembran werden
diese verformt und generieren zum Beispiel Ausstülpungen
oder Löcher, die den Eindruck einer Micky Maus oder eines
Donuts geben. Finden sich mehr als 5 Prozent aller Erythro-
zyten mit diesen Abnormalitäten, so liegt ein nephritisches
Sediment vor, welches mit diversen rapid progredient ver-
laufenden Glomerulonephritiden assoziiert sein kann. Dies
stellt einen nephrologischen Notfall dar, der Patient sollte
stationär abgeklärt werden. Sammeln sich Erythrozyten in
den Tubuli an, so können sie diese ausgiessen und entspre-
chende Zylinder formen, ihr Auftreten ist pathologisch. Ein
nephritisches Sediment liegt auch bei alleinigem Vorhanden-
sein von Erythrozytenzylindern vor.
x
Korrespondenzadresse: Dr. med. Susanne Delecluse Nierenzentrum Heidelberg D-69120 Heidelberg
Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.
Dieser Artikel erschien zuerst in « Der Allgemeinarzt» (2020; 42(5): 40–44). Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung.
Literatur: 1. Echeverry G, Hortin GL, Rai AJ: 2010. Introduction to urinalysis: historical perspectives and clinical application. Methods Mol Biol 641: 1–12. 2. Flores-Mireles AL, Walker JN, Caparon M, Hultgren SJ: 2015. Urinary tract infections: epidemiology, mechanisms of infection and treatment options. Nat Rev Microbiol 13: 269–284. 3. Kompendium der Urinanalyse Urinteststreifen und Mikroskopie. Roche Diagnostics Deutschland GmbH, 2014 4. Koeijers JJ, Kessels AG, Nys S, Bartelds A, Donker G, Stobberingh EE, Verbon A: 2007. Evaluation of the nitrite and leukocyte esterase activity tests for the diagnosis of acute symptomatic urinary tract infection in men. Clin Infect Dis 45:894–896. 5. Matulewicz RS, Meeks JJ: 2016. Blood in the Urine (Hematuria). JAMA 316: 1508.
Übergewicht – ein Risikofaktor für die Gesundheit postmenopausaler Frauen
In der zweiten Lebenshälfte kommt es bei vielen Menschen – unabhängig vom Geschlecht – häufig zu einem unerwünschten Anstieg des Körpergewichts. Diese zusätzlichen Pfunde können langfristig zu einem Gesundheitsrisiko werden, wenn sich daraus Übergewicht oder Adipositas entwickelt – vor allem für Frauen ist damit ein erhöhtes Brustkrebsrisiko, aber auch ein höheres Demenzrisiko verbunden, wie verschiedene Studien kürzlich gezeigt haben.
Gemäss einer aktuellen schwedischen Studie scheint sich das Gleichgewicht zwischen den physiologisch ablaufenden Auf- und Abbauprozessen im Fettgewebe mit dem Älterwerden eher zugunsten des Fettaufbaus zu verlagern. Wird die sinkende Fettabbaurate nicht durch eine verringerte Fettspeicherung kompensiert, kommt es sukzessive zu einer stetigen Zunahme des Körpergewichts (1), wobei sich das überschüssige Fettgewebe vorwiegend am oder im Bauchraum einlagert. Wer hier gegensteuern will, kann dies nur durch konsequente Verringerung der Kalorienzufuhr erreichen. Dass diese Massnahme für die Gesunderhaltung postmenopausaler Frauen wichtig sein kann, zeigen zwei kürzlich publizierte angelsächsische Studien.
Gewichtsreduktion nach der Menopause kann Frauen vor Brustkrebs schützen Übergewicht, so die Epidemiologin Lauren Teras von der American Cancer Society, gilt als Risiko für postmenopausale Brustkrebs-Erkrankungen. Unklar war dagegen, inwieweit eine Gewichtsabnahme dieses Risiko reduzieren kann. Eine entsprechende Untersuchung, für die zehn prospektive Kohortenstudien aus dem «Pooling Project of prospective Studies of Diet and Cancer» analysiert wurden, sollte hier Klarheit schaffen (2). An den Studien nahmen rund 181 000 übergewichtige bis adipöse Frauen (ohne Hormontherapie) teil, von denen 6930 im Verlauf von zehn Jahren an invasivem Brustkrebs erkrankten. Es zeigte sich, dass Frauen, die ihr Körpergewicht nach der Menopause um etwa 2 bis 4,5 kg reduzieren konnten, ein um 18 Prozent (Hazard Ratio [HR]: 0,82; 95%-Konfidenzintervall [KI] = 0,70–0,96) geringeres Brustkrebsrisiko hatten. Bei einem Gewichtsverlust von 4,5 bis 9 kg sank das Risiko um 25 Prozent (HR: 0,75; KI = 0,63–0,90); wer mehr als 9 kg abgenommen hatte, erkrankte um 32 Prozent seltener (HR: 0,68; KI = 0,50–0,93).
Adipositas als Risikofaktor für Demenzerkrankungen Übergewicht und Adipositas erhöhen bei postmenopausalen Frauen auch das Demenzrisiko, wie eine 2019 publizierte Analyse der Million Women
Study in Neurology berichtet (3). Die britische Epidemiologin Sarah Floud und ihre Mitautoren gehen davon aus, dass die bei Adipösen auftretende Demenz vor allem als Folgeerkrankung eines metabolischen Syndroms zu sehen ist. Die damit einhergehenden zerebralen Durchblutungsstörungen führen langfristig zu einem erhöhten Risiko, mit zunehmendem Alter an Demenz zu erkranken. Als Fazit aus beiden Studien lässt sich festhalten, dass Frauen in der zweiten Lebenshälfte das Körpergewicht nicht aus den Augen verlieren sollten, denn jedes Kilo weniger kann das Risiko reduzieren, an Brustkrebs oder Altersdemenz zu erkranken. CR
Literatur: Arner P, Bernard S, Appelsveld L et al.: Adipose lipid turnover and long-term changes in body weight. Nat Med 2019;25(9): 1385–1389. Teras LR, Patel AV, Wang M, Yaun SS et al.: Sustained weight loss and risk of breast cancer in women > 50 years: a pooled analysisnof prospective data. J Natl Cancer Inst 2019; Dec 13. pii: djz226. doi: 10.1093/jnci/djz226. Floud S, Simpson RF, Balkwill A Brown A et al.: Body mass index, diet, physical inactivity, ands the incidence of dementia in 1 million women. Neurology 2020; 94(2):e123-e132. doi: 10.1212/WNL.000000000008779.
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