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STUDIE REFERIERT
Wirksamkeit und Sicherheit der neuen oralen Antikoagulanzien
Systematischer Review und Metaanalyse der Studien bei Vorhofflimmern
ken (RR) für die klinischen Endpunkte. Obwohl direkte Thrombininhibitoren und Faktor-Xa-Hemmer unterschiedliche pharmakodynamische und pharmakokinetische Eigenschaften aufweisen, wirken beide auf die Endstrecke der Gerinnungskaskade, weshalb die Autoren ein Zusammenlegen der Studiendaten als statthaft erachteten.
Die einzelnen Wirkstoffe der Gruppe der neuen oralen Antikoagulanzien waren in Zulassungsstudien den Vitamin-K-Antagonisten nicht unterlegen. Eine gepoolte Analyse hat die Überlegenheit hinsichtlich Gesamtund vaskulärer Mortalität bei Vorhofflimmern untersucht.
CIRCULATION
Die neuen oralen Antikoagulanzien (novel oral anticoagulants: NOAC) werden als Alternative für die VitaminK-Antagonisten in der Verhütung von Stroke und systemischen Embolien bei Vorhofflimmern empfohlen. Für die Vitamin-K-Antagonisten besteht in dieser Indikation eine breite langjährige Erfahrung und eine gute Evidenzlage für den klinischen Nutzen im Vergleich zu Plazebo. Allerdings haben die VitaminK-Antagonisten auch Nachteile in der Anwendung wie unvorhersagbares Ansprechen, mannigfache Nahrungs- und Medikamenteninteraktionen sowie das Erfordernis der regelmässigen Laborkontrollen des Gerinnungsstatus. Für viele Patienten sind Vitamin-K-Antagonisten daher problematisch, und
Merksätze
❖ In einer gepoolten Analyse der bisherigen randomisierten Studien zeigten die neuen oralen Antikoagulanzien (Apixaban, Edoxaban, Dabigatran, Rivaroxaban) im Vergleich mit den herkömmlichen Vitamin-K-Antagonisten einen klinischen Gesamtnutzen.
❖ Dies sollte noch ausserhalb von randomisierten Studien wissenschaftlich bestätigt werden.
Schätzungen gehen davon aus, dass nur etwa die Hälfte der Patienten mit Vorhofflimmern diese medikamentöse Prophylaxe im Alltag auch erhalten. In den letzten Jahren sind neue orale Antikoagulanzien entwickelt worden, bei denen es sich entweder um direkte Thrombinhemmer (Dabigatran [Pradaxa®]) oder um direkte Faktor-XaHemmer (Apixaban [Eliquis®], Edoxaban [bis jetzt in der Schweiz nicht zugelassen], Rivaroxaban [Xarelto®]) handelt. Diese Wirkstoffe zeigen weniger Interaktionspotenzial und eine besser vorhersagbare antikoagulatorische Wirkung, sodass sie in fixer Dosierung und ohne Laborkontrollen eingesetzt werden können. Sie sind einzeln zur Prophylaxe thromboembolischer Ereignisse bei Vorhofflimmern erfolgreich getestet worden. Dabei konnte jedoch eine Überlegenheit gegenüber dem Vitamin-K-Antagonisten Warfarin hinsichtlich der Endpunkte Gesamtsterblichkeit und vaskuläre Mortalität nicht konsistent nachgewiesen werden. Die vorliegende Analyse wollte diese Frage des klinischen Nutzens anhand von randomisierten Phase-II- und PhaseIII-Studien bei Vorhofflimmern näher untersuchen.
Methodik Die Autoren suchten in den gängigen Quellen nach Vergleichsstudien mit NOAC und Vitamin-K-Antagonisten und extrahierten die Daten zu Stroke (gesamt, ischämisch), systemischen Embolien, Gesamt- sowie kardiovaskulärer Mortalität und zu Blutungen insgesamt und intrakraniellen Blutungen sowie zu Myokardinfarkten. Wo notwendig, ersuchten sie Studienautoren beziehungsweise Pharmafirmen um zusätzliche Informationen. Die primäre Analyse erfasste gepoolte relative Risi-
Ergebnisse Die Autoren fanden 12 Studien (3 mit Dabigatran, 4 mit Rivaroxaban, 2 mit Apixaban und 3 mit Edoxaban), an denen insgesamt 54 875 Patienten teilgenommen hatten. NOAC reduzierten die Gesamtmortalität im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten signifikant (5,61 vs. 6,02%; RR: 0,89, 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,83–0,96), ebenso die kardiovaskuläre Mortalität (3,45 vs. 3,65%; RR: 0,89, 95%-KI: 0,82–0,98) und die kombinierte Häufigkeit von Stroke und systemischen Embolien (2,40 vs. 3,13%; RR: 0,77, 95%-KI: 0,70–0,86). In den gepoolten Daten bestand ein Trend zu selteneren schweren Blutungen (RR: 0,86; 95%-KI: 0,72–1,02), die Reduktion intrakranieller Blutungen war hingegen signifikant (RR: 0,46, 95%-KI: 0,39–0,56). Bei der Häufigkeit von Myokardinfarkten wurde zwischen NOAC und Vitamin-K-Antagonisten keine statistisch signifikante Differenz beobachtet (RR: 0,99, 95%-KI: 0,85–1,15). Dies traf in einer Subgruppenanalyse auch auf die einzelnen Wirkstoffe zu. Sensitivitätsanalysen bestätigten die Ergebnisse der primären Analysen. Subgruppenanalysen zeigten, dass in Studien mit kurzem Follow-up nur die Ereignisraten für Stroke und systemische Embolien durch NOAC signifikant reduziert wurden, während die übrigen klinischen Endpunkte in den Vergleichsgruppen ähnlich ausfielen. Im Gegensatz dazu ergaben Subgruppenanalysen der Studien mit langer Beobachtungszeit und mit den Dosierungsschemata der Phase-III-Studien dieselben Resultate wie die Primäranalysen.
Diskussion Nach Kenntnisstand der Autoren ist dies die erste systematische Übersicht mit Metaanalyse von Phase-II- und Phase-III-Studien mit NOAC im Vergleich zu Warfarin in der Prävention
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STUDIE REFERIERT
von Stroke und systemischen Embolien bei Patienten mit Vorhofflimmern. Die Analyse von mehr als 50 000 Patienten fand eine statistisch signifikante 11-prozentige Reduktion der Inzidenz sowohl bei der Gesamtmortalität wie bei der kardiovaskulären Mortalität. Dies entspricht einer «number needed to treat» (NNT) von 244 zur Verhütung eines Todesfalls und einer NNT von 500, um einen kardiovaskulären Todesfall zu verhindern. Der beobachtete Vorteil der NOAC gegenüber den herkömmlichen VitaminK-Antagonisten war für alle Outcomes – inklusive Stroke und systemische Embolien (RR-Reduktion: 23%, NNT: 137) sowie schwere Blutungen (RR-Reduktion: 14%, NNT: 157) – konsistent. Aufgrund der günstigen Studienresul-
tate ihrer individuellen klinischen Studien sind einige Vertreter der NOAC in verschiedenen Ländern zugelassen worden. «Die Kosteneffektivität dieser Wirkstoffe bleibt aber unklar», bemerken die Autoren. «Wir glauben, dass unsere Studie präzisere Schätzungen der zu erwartenden klinischen Nutzen der NOAC liefert. Zusammengenommen deuten unsere Resultate darauf hin, dass der Gebrauch von NOAC gegenüber den Vitamin-K-Antagonisten nicht nur praktische Vorteile bietet, sondern auch mit einem klinischen Gesamtnutzen assoziiert ist, der ihre Kosteneffektivität vermuten lässt.» Darüber hinaus eröffneten sie auch die Perspektive, den Einsatz adäquater Prophylaxestrategien bei Vorhofflimmern zu steigern, wovon mehr Patienten mit erhöhtem
Schlaganfallrisiko profitieren würden. Die günstigen Wirksamkeits- und Sicherheitsprofile der neuen oralen Antikoagulanzien müssen jetzt durch Postmarketingstudien bestätigt werden. ❖
Halid Bas
Francesco Dentali: Efficacy and safety of the novel oral anticoagulants in atrial fibrillation: a systematic review and meta-analysis of the literature. Circulation 2012; 126: 2381–2391.
Interessenlage: Die Autoren dieser Studie deklarieren mannigfache finanzielle Beziehungen zu Pharmafirmen mit Interessen auf dem Gebiet der Antikoagulation.
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