Metainformationen


Titel
Politforum
Untertitel
-
Lead
-
Datum
Autoren
-
Rubrik
Rubriken
Schlagworte
-
Artikel-ID
4534
Kurzlink
https://www.rosenfluh.ch/4534
Download

Transkript


XUNDHEIT IN BÄRN

POLITFORUM

Verschreibung von Medikamenten

INTERPELLATION vom 15.6.2012
Erich von Siebenthal Nationalrat SVP Kanton Bern
Die hohen Kosten im Gesundheitswesen sind immer wieder Anlass zu heissen Diskussionen. Einen wichtigen Faktor in diesem Thema bildet der Verkauf von Medikamenten. Der Artikel «Wie sich Ärzte von der Pharma kaufen lassen» im «Beobachter» (Ausgabe 7/2012) beschreibt eindrücklich, wie dies im Alltag abläuft. Nicht wenige Ärzte verdienen massiv an der Verschreibung von Medikamenten und lassen sich dafür auch von der Pharmaindustrie bewerben. Als Beobachter fragt man sich da, wieso der Arzt für die Verschreibung eines Medikaments eine Provision erhalten soll, hat dies doch ein

nicht von der Hand zu weisendes kommerzielles Interesse zur Folge. Dies steht nicht im Einklang mit der Genfer Deklaration des Weltärztebundes, einem Kodex, welchem die meisten Ärzte folgen, welcher sagt: «Die Gesundheit meines Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns sein.»
Tarif auf Zeitbasis Ein Arzt sollte nur für seine Beratung, für das Patientengespräch, für seine fachmännische Untersuchung und seine spezielle Infrastruktur wie Röntgenapparate usw. entsprechend honoriert werden. Dies würde die ganze Tarifdiskussion erheblich vereinfachen und dazu führen, dass Ärzte wieder wirklich Arzt sein können, sich intensiver mit den Patienten befassen und auch Untersuchungen professionell mit entsprechendem Zeitaufwand durchführen könnten, was ihrer ursprünglichen Ausbildung gerecht wird. Da die Verschreibung eines Medikamentes beim «Tarif auf Zeitbasis» nicht mehr an kommerzielle Interessen gebunden ist, wird dies

mit Sicherheit zu einer beachtlichen Reduktion von Verschreibungen von teuren Medikamenten und Psychopharmaka führen, da nämlich eine grosse Anzahl von Problemen auch mit etwas Gespräch und natürlichen Heilmitteln gehandhabt werden könnte.
Pilotprojekt In einem Pilotprojekt soll die Methode «Tarif auf Zeitbasis» mit einer Gruppe von Ärzten einige Zeit erprobt werden. Dabei soll ein angemessener Stundenansatz (ähnlich wie bei Anwälten) zum Einsatz kommen inkl. Untersuchungen mit Spezialgeräten, aber ohne Medikamentenprovision. 1. Wie stellt sich der Bundesrat zu der heuti-
gen Verrechnungspraxis, bei der Ärzte für die von ihnen verschriebenen Medikamente Provisionen erhalten? 2. Wie stellt er sich zum vorgeschlagenen Ansatz «Tarif auf Zeitbasis»? 3. Wie stellt er sich zur Durchführung eines Pilotprojektes mit «Tarif auf Zeitbasis»?

Antwort des Bundesrates vom 29.8.2012

1. Gemäss Artikel 33 des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte ist es verboten, Personen, die Arzneimittel verschreiben oder abgeben, geldwerte Vorteile zu gewähren, anzubieten oder zu versprechen, und diese haben auch nicht das Recht, solche Vorteile zu fordern oder anzunehmen. Weiter verpflichtet Artikel 56 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung den Leistungserbringer, dem Schuldner der Vergütung die direkten oder indirekten Vergünstigungen weiterzugeben, die ihm gewährt werden, wie beispielsweise die Rabatte von Einrichtungen, welche Arzneimittel liefern. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass die geltenden Bestimmungen über die geldwerten Vorteile angepasst werden müssen, um die Prävention und die Bekämpfung unerwünschter Anreize zu verstärken. Im Rahmen der gegenwärtig laufenden ordentlichen Revision des HMG sind Sondermassnahmen vorgesehen, um die Unabhängigkeit der Gesundheitsfach-

personen bei der Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln sicherzustellen und um mehr Transparenz und Klarheit zu schaffen bei der Gewährung von Rabatten (siehe Antwort des Bundesrates auf die Anfrage Bortoluzzi, «Ungünstige Entwicklungen beim Versandhandel mit Medikamenten»). Es ist vorgesehen, dass der Bundesrat die entsprechende Botschaft im dritten Quartal dem Parlament vorlegt.
2./3. Zur Abgeltung der erforderlichen logistischen Leistungen für die Arzneimittelabgabe besteht der in der Spezialitätenliste festgelegte Höchstpreis der Arzneimittel aus dem Fabrikabgabepreis und dem Vertriebsanteil. Letzterer berücksichtigt insbesondere die Kapitalkosten, die aufgrund der Lagerhaltung und der ausstehenden Guthaben entstehen, sowie Transport-, Infrastruktur- und Personalkosten. Die gleiche Vertriebsmarge gilt sowohl für Apotheker, Ärzte und Spitäler. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass die Arzneimittelabgabe durch die

Ärzte (Selbstdispensation), wie sie gegenwärtig vergütet wird, zu einer unangemessenen Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln führen kann. Obwohl der Grundsatz der Tarifautonomie des KVG vorsieht, dass die Leistungserbringer und die Versicherer die Tarife und Preise aufgrund von Verträgen festlegen, auf deren Basis die Leistungserbringer ihre Rechnungen erstellen, ist der Bundesrat jedoch nicht der Ansicht, dass ein Zeittarif angemessen ist, um logistische Leistungen zu vergüten, die gegenwärtig für den Anteil am Vertrieb angerechnet werden. Aus diesem Grund muss ihm das Eidgenössische Departement des Innern parallel zur Revision des HMG (siehe Antwort auf Frage 1) einen Vorschlag unterbreiten betreffend die Vergütung der Ärztinnen und Ärzte für die Medikamentenabgabe, mit dem Ziel, unerwünschte wirtschaftliche Anreize zu vermeiden (siehe Antwort des Bundesrates auf die Motion Rossini, «KVG. Absurde Anreize bei der Medikamentenabgabe»).

56 ARS MEDICI 2 ■ 2013

POLITFORUM

Task Shifting auch im schweizerischen Gesundheitswesen

POSTULAT vom 15.6.2012
Ignazio Cassis Nationalrat FDP Kanton Tessin
Der Bundesrat wird beauftragt, das Potenzial von Task Shifting für die Gewährleistung einer qualitativ hochstehenden und finanzierbaren medizinischen Grundversorgung in der Schweiz zu analysieren und Bericht zu erstatten, entweder im Rahmen des Masterplans zur Stärkung der Hausarztmedizin oder in einem separaten Bericht.
Begründung Task Shifting – die Übertragung von Aufgaben, welche normalerweise von einem Arzt bewältigt werden, auf eine Gesundheitsfachperson von niedrigerer Ausbildung oder auf eine Per-

son, welche spezifisches Fachwissen für diese Aufgabe hat – ist ein weltweit zunehmend wichtiges Instrument zur Lösung der in gewissen Ländern bestehenden Gefährdung der Versorgungssicherheit sowie zur Ressourcenoptimierung. Der universelle Zugang zum öffentlich finanzierten Gesundheitswesen stellt auch die Schweiz vor die schwierige Aufgabe, ein ausbalanciertes Gesundheitsbudget zu verfolgen. Die Erklärung von Alma-Ata von 1978 hat nichts an Aktualität verloren. Diese hält das Recht jedes Bürgers fest, unabhängig von seinen ökonomischen Verhältnissen eine gesundheitliche Grundversorgung zu erhalten, und zwar «zu Kosten, die die Gemeinschaft und der Staat in jedem Stadium ihrer Entwicklung im Sinne der Selbstverantwortung und Selbstbestimmung übernehmen können». Heute stellt sich akut die Frage der Nachhaltigkeit des Gesundheitssystems: Innovation auf der Systemebene kann hierzu Lösungen bringen. (Haus)ärzte müssen sich heute auch um medizinische Lappalien kümmern, vor allem in der

medizinischen Grundversorgung. Die heutige Kompetenzordnung im Gesundheitswesen basiert grundsätzlich immer noch auf Ansätzen des XIX. Jahrhunderts. Die laufend verbesserten Ausbildungen an den Universitäten und Fachhochschulen sowie die Pluralität der Gesundheitsberufe führen zu einem immensen Wissenszuwachs. Die Integration dieser Berufe in die medizinische Grundversorgung ist unentbehrlich: Interprofessionelle Versorgungsmodelle sind gefragt. Pflegepersonal, Apotheker, Ernährungsberater und andere Fachberufe geniessen heute erstklassige Ausbildungen, werden allerdings nicht optimal eingesetzt. Task Shifting erlaubt es, anstelle einer Rationierung eine Rationalisierung der Versorgung zu fördern, bei gleichbleibender Qualität. Indem nichtärztliche Aufgaben delegiert werden, können sich Ärzte auf das ärztliche Kerngeschäft konzentrieren, was einen entscheidenden Beitrag gegen den Ärztemangel leisten kann.

Stellungnahme des Bundesrates vom 29.8.2012

Das Postulat wirft ein Thema auf, das den Bundesrat schon verschiedentlich beschäftigt hat. Gerade im Rahmen der Diskussionen zum direkten Gegenentwurf zur Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» und auch im Zusammenhang mit den Arbeiten am

Gesundheitsberufegesetz wird die Zusammenarbeit unter den verschiedenen Gesundheitsberufen thematisiert. Deshalb erscheint es sinnvoll, die Arbeiten des Obsan aus dem Jahre 2007 zu Innovationen in der ambulanten Grundversorgung durch vermehrten

Einbezug nichtärztlicher Berufsleute zu aktualisieren und als Bericht vorzulegen.
Der Bundesrat beantragt die Annahme des Postulates.

XUNDHEIT IN BÄRN

ARS MEDICI 2 ■ 2013

57