Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Ophthalmologie
Wie viele Sehbehinderte gibt es in der Schweiz?
Der Schweizerische Zentralverein für das Blindenwesen SZB hat seine Schätzung der Anzahl sehbehinderter Men-
schen erhöht. Während der SZB bis anhin von 80 000 bis 100 000 Sehbehinderten in der Schweiz ausging,
beläuft sich die aktuelle Schätzung auf 325 000 Personen, von denen rund 10 000 blind sind. Allerdings weiss niemand, wie hoch die Zahl Sehbehinderter und Blinder in der Schweiz tatsächlich ist, weil es dazu keine verlässliche Statistik gibt und die Definition der Sehbehinderung nicht einheitlich ist. Der SZB stützte seine neue Schätzung zunächst auf Daten der IV, die Schweizerische Gesundheitsbefragung sowie eigene Studien und kam damit auf zirka 180 000 Sehbehinderte in der Schweiz. Diese Zahl schien den Schätzern recht niedrig, weil der Vergleich mit Statistiken in anderen Ländern, wie etwa den USA, eher eine Grössenordnung von 460 000 Personen
erwarten liess. Man beschloss darum, als offizielle Schätzung den Mittelwert zwischen den Schweizer und den USamerikanischen Werten anzunehmen. Für die Forderung der SZB, auf Störungen der Sehleistung zu achten – und dies insbesondere bei Personen, die diese nicht adäquat selbst mitteilen können (z.B. bei geistiger Behinderung oder bei Demenz) –, spielt es aber letztlich keine entscheidende Rolle, wie viele Sehbehinderte in der Schweiz es nun genau sind (Foto: SZB). RBO❖
Quelle: Sehbehinderung und Blindheit: Entwicklung in der Schweiz. Eine Publikation zur Frage «Wie viele sehbehinderte, blinde und hörsehbehinderte Menschen gibt es in der Schweiz?». www.szb.ch.
Beruflicher Druck und körperliche Inaktivität
Stress macht schlapp
Sportliche Betätigung am Feierabend gilt im Allgemeinen als ein guter Ausgleich für die Anstrengungen, die das Tagwerk abverlangt hat. Doch was in der Theorie noch gut ineinandergreift, muss in der Praxis noch lange nicht funktionieren: Eine finnische Untersuchung zeigt nun, dass ausgerechnet diejenigen Arbeitnehmer, die einem hohen Stress ausgesetzt sind und daher den abendlichen Ausgleich durch körperliche Aktivität eigentlich am nötigsten hätten, den entsprechenden Antrieb häufiger vermissen lassen als solche, die beruflich unter geringerem Druck stehen. Wie die Auswertung der prospektiven Daten von insgesamt knapp 49 000 Teilnehmern der noch andauernden Finnish Public Sector Study, einer Kohortenstudie an Beschäftigten in 10 Kommunalverwaltungen und 21 Spitälern in Finnland, ergab, waren 19 Prozent der Probanden, welche zu Beginn des ersten Erhebungszeitraums (in den Jahren von 2000 bis 2002) noch ausreichend körperlich aktiv gewesen waren, zum Ende des Follow-ups (jeweils 2004 und 2008) zu Sportmuffeln (< 14 Metabolische Äquivalente/Woche)
geworden. In einem Fixed-EffectsModell erwies sich dabei ein erhöhter Arbeitsstress als schwach assoziiert mit einer Abnahme der körperlichen Aktivität. Dieses Ergebnis überrascht nicht: Wer hat nicht selbst schon Arbeitstage erlebt, an deren herbeigesehntem Ende bestimmt nicht der Court, sondern lediglich die Couch als Fluchtpunkt infrage kam? Tage wie diese, an denen man sich – verständlicherweise – alles andere als Unendlichkeit wünscht, sollten aber die Ausnahme bleiben, denn auf Dauer gehen solche Arbeitsbedingungen auf Kosten der Gesundheit. Als berufliche Stressoren waren geringe Kontrolle über die (eigene) Arbeitsumgebung, hohe Jobanforderungen, geringe Leistung oder niedriger Lohn definiert und die Teilnehmer diesbezüglich zu Beginn und nochmals 2004 entsprechend befragt worden. Für Personen, die solchen Faktoren einzeln oder in Kombination wiederholt ausgesetzt waren, bestand nach Between-Subjects-Analyse eine höhere Wahrscheinlichkeit, zum Zeitpunkt des Follow-up nicht ausreichend körperlich aktiv zu sein, als für Probanden ohne diese Stressoren; die adjustierten Odds-Ratios lagen zwischen 1,11 (95%-Konfidenzintervall [KI] 1,0– 1,24) und 1,21 (95%-KI 1,05–1,39). Obwohl die Autoren einräumen, dass die geringen Effektgrössen in ihrer
Untersuchung auf andere und eventuell
wichtigere Ursachen für mangelnde
körperliche Aktivität schliessen lassen,
sind sie der Meinung, dass Massnah-
men zur Förderung sportlicher Betäti-
gung die gesundheitlichen Risiken
chronischen Stresses bei Arbeitnehmern
reduzieren könnten.
RABE❖
Kouvonen A et al.: Chronic workplace stress and insufficient physical activity. Occup Environ Med 2013; 70(1): 3–8.
54 ARS MEDICI 2 ■ 2013
Impfung von Säuglingen und Kleinkindern
Lokale Nebenwirkungen seltener bei Impfung in den Oberschenkel
Gemäss Schweizer Impfempfehlungen sollen Impfungen bei Säuglingen in den anterolateralen Oberschenkel injiziert werden, weil dort die Muskelmasse am grössten und Impfungen in den Glutealmuskel schlechter vertragen werden und weniger immunogen sind. Eine kürzlich in der Zeitschrift «Pediatrics» publizierte Studie belegt nun, dass lokale Nebenwirkungen bei einer Impfung in den Oberschenkel bei Säuglingen und Kleinkindern bis zu einem Alter von drei Jahren in der Tat seltener sind als bei einer Impfung in den Oberarm. Für die Studie wurden die Daten von 1,4 Millionen Kindern im Alter bis zu sechs Jahren, die rund 6 Millionen intramuskuläre Impfdosen (Diphterie-Tetanus-Pertussis [DTPa], Influenza, Hepatitis A) erhalten hatten, retrospektiv ausgewertet. Bei den inaktivierten Impfstoffen der Influenza- und der HepatitisA-Impfung waren lokale Reaktionen ohne-
hin sehr selten, und es fand sich auch kein
Unterschied bei den Lokalreaktionen im Ver-
gleich nach Injektion in Arm oder Ober-
schenkel. Mit dem aktiven DTPa-Impfstoff
sind lokale Nebenwirkungen bekanntermas-
sen etwas häufiger, und hier zeigte sich ein
statistisch signifikanter Unterschied beim
Vergleich der Impfregion bei Kindern bis zu
drei Jahren: Das relative Risiko, dass die Kin-
der wegen lokaler Irritationen nochmals zum
Arzt gebracht wurden, war nach der Impfung
in den Oberschenkel um 88 Prozent geringer.
Auch bei den Kindern von drei bis sechs
Jahren war ein entsprechender Trend zu
sehen (relatives Risiko um 41% geringer),
doch war dieser Unterschied statistisch nicht
signifikant.
RBO❖
Jackson LA et al.: Vaccination site and risk of local reactions in children 1 through 6 years of age. Pediatrics 2013; published online January 14, 2013.
Alkoholsucht
Gefährdete Schüler psychologisch betreuen
Eine randomisierte kontrollierte Studie an weiterführenden Schulen in London hat gezeigt, dass alkoholsuchtgefährdeten Jugendlichen durch pädagogische Interventionen mit psychologischem Ansatz eher geholfen ist als durch eine rein informelle Aufklärungsstrategie. Zu Beginn der Untersuchung im Jahre 2007 wurden die insgesamt 2548 durchschnittlich 13,8 Jahre alten Neuntklässler zunächst hinsichtlich einer drohenden zukünftigen Alkoholsucht in eine Hochund eine Niedrigrisikogruppe eingeteilt. Diejenigen mit hohem Abhängigkeitsrisiko konnten jeweils einem von vier verschiedenen möglicherweise für Suchtverhalten prädestinierenden Persönlichkeitsprofilen zugeordnet werden: ängstlich, hoffnungslos, impulsiv, sensationssüchtig. Alle Probanden wurden während der folgenden zwei Jahre bezüglich ihres Trinkverhaltens nachbeobachtet. An 11 der 21 involvierten Bildungseinrichtungen wurde den suchtgefährdeten Schülern
angeboten, an zwei 90-minütigen Gruppen-
Workshops teilzunehmen, in denen speziell
ausgebildete Lehrkräfte ihnen auf ihre indivi-
duellen Persönlichkeitsprofile zugeschnittene
kognitive Verhaltensstrategien nahebrach-
ten. Im Vergleich mit den ebenfalls der Hoch-
risikogruppe zugeordneten, jedoch lediglich
allgemein über Gefahren des Trinkens unter-
richteten Kommilitonen an den Kontroll-
schulen liess sich bei den 709 verhaltensthe-
rapeutisch betreuten Teenagern die Quote
des problembehafteten Alkoholkonsums um
29 Prozent, die des «Komatrinkens» gar um
43 Prozent reduzieren.
Nach Ansicht der Studienleiterin Patricia
Conrod, Psychiaterin am Londoner King’s
College, wäre es relativ kostengünstig mög-
lich, entsprechende psychologische Interven-
tionen im großen Umfang an Schulen zu
etablieren.
RABE❖
Limb M: Mental health approach works better than information at preventing problem drinking in teenagers. BMJ 2013; 346: f519.
RÜCKSPIEGEL
Vor 10 Jahren
Dolly ist tot
Am 14. Februar 2003 stirbt das erste nachweislich aus einer normalen Körperzelle geklonte Säugetier im Alter von sechs Jahren. Dolly litt an einer viralen Lungenerkran-
kung und musste eingeschläfert werden. Obwohl das Tier erst sechs Jahre alt war, fanden sich bei der Obduktion Alterserscheinungen wie Arthrose, die für ein höheres biologisches Alter sprachen. Man führte dies darauf zurück, dass die Körperzelle, aus der der Dolly entstand, aus einem älteren Tier stammte und Dolly sozusagen schon bei Geburt einige Jahre «älter» war (Foto: Dollys Totenmaske; von Manfred Werner, Wikipedia).
Vor 50 Jahren
Geschlechtskrankheiten
Syphilis und Gonorrhö sind (wie auch heute wieder) auf dem Vormarsch, berichtet der Spiegel im Februar 1963. Seit die ehemals gefürchteten Geschlechtskrankheiten mittels Penicillin beherrschbar und selten wurden, seien die Menschen offenbar allzu unvorsichtig geworden, mutmassen Mediziner. Ebenfalls ein Problem sei (wie heute), dass viele Ärzte die Anzeichen für Syphilis und Gonorrhö nicht mehr aus eigener Anschauung kennen und die Krankheiten darum zu spät entdeckten.
Vor 100 Jahren
Anthroposophengesellschaft
Am 3. Februar 1913 findet die erste Generalversammlung der in Deutschland neu gegründeten Antroposophischen Gesellschaft statt. Rudolf Steiner, der Generalsekretär der vorgängig aufgelösten Theosophischen Gesellschaft, wurde zum Ehrenpräsidenten der Antroposophischen Gesellschaft ernannt. Diese löste sich zehn Jahre später auf und gründete sich neu als Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft (AAG) unter der Leitung von Steiner. Die AAG besteht bis heute und hat ihren Sitz in Dornach. Das Foto zeigt Rudolf Steiner um 1905 (Foto: Wikipedia). RBO❖