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XUNDHEIT IN BÄRN

POLITFORUM

Hausärztemangel

MOTION vom 3.5.2012
Christine Bulliard-Marbach Nationalrätin CVP Kanton Freiburg
Der Bundesrat wird beauftragt, Voraussetzungen zur Attraktivitätssteigerung des Hausarztberufes zu schaffen: 1. mittels Anstossfinanzierung die Bereit-
stellung von Praktikaplätzen mit 50- bis 100-Prozent-Pensen in Hausarztpraxen; 2. die Schaffung von Gemeinschaftspraxen mit multiprofessionellen Leistungserbringern im Gesundheitswesen.

Begründung Trotz eines Praxisassistenzprogramms, das zukünftige Hausärzte in Praxen locken soll, machen etliche Ärzte dieselbe Erfahrung: Ihre Praxen bleiben verwaist. Experten schätzen den Bedarf an Hausärzten auf einen Hausarzt je 1000 Einwohner, heute fallen auf einen Hausarzt 2000 Einwohner. Das Durchschnittsalter der praktizierenden Hausärzte ist mit 58 Jahren hoch und verschärft das Nachwuchsproblem. Im Jahr 2010 hätte die Schweiz zusätzlich 300 neue Hausärzte gebraucht, damit die Anzahl Praxen erhalten werden kann. Trotz intensiver Suche können für bestehende frei werdende Hausarztpraxen keine geeigneten Nachfolgerinnen und Nachfolger gefunden werden. Die medizinische Versorgung insbesondere in den ländlichen Regionen ist nicht mehr gesichert. Folglich werden mehr Behandlungen von den in doppelter Zahl ausgebildeten Spezialisten mit verlockenderen Einkommen ausgeführt, was doppelte Kosten auslöst.

Der Hausarztmangel muss dringend behoben werden unter Berücksichtigung der folgenden Punkte: 1. Sieben von zehn Medizinstudenten sind
weiblich und wollen später Teilzeit arbeiten. Vor allem in dieser Situation ist der Hausarztberuf unattraktiv. Gerade junge Ärzte und Ärztinnen wünschen aufgrund ihrer familiären Situation Praktika in Hausarztpraxen in Teilzeit, um zum Beispiel ihren FMH fertig machen zu können. 2. Ein Praktikum im ambulanten Bereich im Spital ist attraktiver als in einer Arztpraxis, denn die Entlöhnung ist besser, und die Arbeit erfolgt in einem grösseren Team. Es sind vermehrt Gemeinschaftshausarztpraxen als Ausbildungsstätten zu schaffen und zu gewinnen. 3. Die Ausbildung zu Generalisten muss verstärkt werden, indem die Entlöhnung für ein Praktikum im Spital und in einer Arztpraxis identisch wird.

Stellungnahme des Bundesrates vom 5.9.2012

Der Bundesrat hat mehrmals darauf hingewiesen, dass die Hausarztmedizin für das System der medizinischen Grundversorgung wichtig ist. So auch in seinem Bericht in Erfüllung der Motion Fehr Jacqueline, «Strategie gegen Ärztemangel und zur Förderung der Hausarztmedizin», vom 23. November 2011, der eine Analyse der Ärztepopulation sowie die Fakten und Entwicklungen im Zusammenhang mit dem prognostizierten Ärztemangel enthält. Zudem hat der Bundesrat der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-SR) den Masterplan «Hausarztmedizin und medizinische Grundversorgung» vorgeschlagen, mit dem anerkannte Probleme im Bereich der medizinischen Grundversorgung rasch angegangen und gelöst werden sollen. Die SGK-SR hat am 19. Juni 2012 beschlossen, den Masterplan zu unterstützen und ihn in eine Motion zu integrieren. Der Masterplan sieht Massnahmen in den Bereichen Bildung und Forschung, der Versorgung und der Abgeltung der Leistungen vor. 1. In seiner Antwort auf die Interpellation Kessler, «Unterstützung der Hausarztmedizin», hat der Bundesrat zudem dargelegt, dass alle Kantone Pilotprogramme und -projekte lanciert haben, um Praxisassistenzstellen zur Verfügung zu stellen. Er weist auch darauf hin, dass die Stiftung zur Förderung der Weiterbildung in Hausarztmedizin mehrere Projekte unterstützt und einen finanziellen Beitrag an die Assistenzstellen leistet.

Zurzeit gibt es schweizweit genügend Praxisassistenzstellen, um die Nachfrage zu befriedigen, wobei in einigen Regionen nicht alle Stellen besetzt sind. Sollte die Nachfrage jedoch zunehmen, reichen die vorhandenen Stellen nicht mehr aus. In diesem Fall müsste eine verstärkte Koordination geprüft werden. Zurzeit finanziert die grosse Mehrheit der Kantone 75 Prozent der Löhne der Ärztinnen und Ärzte, die eine im Rahmen der kantonalen Pilotprogramme und -projekte geschaffene Praxisassistenzstelle innehaben. Die öffentliche Hand unterstützt also bereits die Finanzierung solcher Stellen. Weil langfristig eine einheitliche Lösung wünschbar wäre, wurde das Thema in der Plattform «Zukunft ärztliche Bildung» aufgenommen und in das sogenannte «Modell PEP (pragmatisch, einfach, pauschal)» integriert. Dieses verpflichtet alle auf der Spitalliste aufgeführten Spitäler und Kliniken zur Weiterbildung, wobei der Kanton die Weiterbildung mit einem Beitrag pro Weiterbildungsstelle unterstützt. Dieses Modell wurde auch in den Masterplan «Hausarztmedizin und medizinische Grundversorgung» aufgenommen, und die GDK ist bereit, sich für dessen Umsetzung einzusetzen. Somit übernehmen die Kantone ihre Verantwortung für die Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung, denn es ist klar festzustellen, dass der Bund für die Finanzierung von Praxisassistenzstellen nicht zuständig ist.

2. Die Reform der Krankenversicherung im Bereich der integrierten Versorgungsnetze, die vom Volk am 17. Juni 2012 abgelehnt wurde, sah insbesondere vor, bei den Leistungserbringern eine Arbeitsorganisation zu fördern, die den Vorstellungen der jungen Fachpersonen besser entspricht. In den Versorgungsnetzen arbeiten die Leistungserbringer zusammen, vor allem, um die Behandlungen zu koordinieren. Dass die Patientinnen und Patienten in qualitativer Hinsicht von der integrierten Versorgung profitieren, steht fest. Zudem ermöglicht sie den Leistungserbringern, Teilzeitstellen oder Gemeinschaftspraxen zu schaffen sowie Erfahrungen auszutauschen. Die Organisation der Leistungserbringung sowie die zentrale Stelle, die die Grundversorgerinnen und Grundversorger in vielen Netzen innehaben, tragen dazu bei, diesen Beruf attraktiver zu machen. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass das Volk diese Organisationsform nicht mit einem Gesetz fördern will. Im KVG ist die Möglichkeit, integrierte Versorgungsnetze zu schaffen, jedoch weiterhin vorgesehen. Aufgrund des Volksentscheids muss der Impuls, sich in Netzen zusammenzuschliessen, auch in Zukunft von den Leistungserbringern selber oder den Versicherern ausgehen.
Vor diesem Hintergrund beantragt der Bundesrat die Ablehnung der Motion.

1314 ARS MEDICI 24 ■ 2012

POLITFORUM

Ist der Zugang zu Krebsmedikamenten gefährdet?

INTERPELLATION vom 15.6.2012
Pascale Bruderer Ständerätin SP Kanton Aargau
In letzter Zeit stellen Krebsbetroffene sowie Onkologinnen und Onkologen vermehrt fest, dass der Zugang zu Krebsmedikamenten schwieriger oder gar unmöglich wird. In diesem Zusammenhang bitte ich den Bun-

desrat um die Beantwortung der folgenden Fragen: 1. Wie schätzt er die Situation ein betreffend a. Nichtverfügbarkeit von Krebsmedikamen-
ten, deren Patent ausgelaufen ist und die als Generika registriert sind? b. Nichtfinanzierung von Medikamenten im Off-Label-Use ausserhalb der Indikationen der Spezialitätenliste? c. Nichtbezahlung krebsdiagnostischer Tests wie Oncoprint, die onkologischer Standard sind? 2. In Bezug auf die Medikamente im OffLabel-Use ausserhalb der Indikationen der Spezialitätenliste stellt sich weiter die Frage mangelnder Rechtsgleichheit, weil die Krankenkassen individuell für die Kos-

tenübernahme der Behandlungen zuständig sind. Diese Praxis führt zu einer grossen Unsicherheit. Wie beurteilt er diese Situation – dies insbesondere auch angesichts der Tatsache, dass über die Hälfte der Krebsbehandlungen im Off-LabelBereich zu finden sind? 3. Welche Massnahmen für die Erleichterung des Zugangs und gegen die Rechtsunsicherheit hat er geplant oder bereits getroffen?

Aus der Antwort des Bundesrates vom 5.9.2012

Obwohl die Schweiz über eine leistungsfähige pharmazeutische Industrie und ein gutes und sicheres Verteilsystem für Arzneimittel verfügt, treten auch in unserem Land immer wieder Versorgungslücken auf. Diese Situation hat sich seit rund einem Jahr akzentuiert. Es handelt sich dabei um ein weltweites Phänomen mit vielfältigen Ursachen. Der Bundesrat ist in diesem Zusammenhang bereit, das Postulat Heim, «Sicherheit in der Medikamentenversorgung», anzunehmen. Bei einer Überweisung des Postulates durch den Nationalrat wird er die Versorgungssituation in der Schweiz im Rahmen eines Kurzberichtes analysieren und aufzeigen, wie der Bund die Kantone bei der Versorgung mit Arzneimitteln unterstützen kann. 1a. Mit der vorgezogenen Teilrevision des Bundes-
gesetzes über Arzneimittel und Medizinprodukte sind die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen worden, damit insbesondere die Spitäler die Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln besser sicherstellen können. Namentlich wurden die Voraussetzungen für die Herstellung von Arzneimitteln in den Spitälern den Bedürfnissen der Praxis angepasst sowie die Importmöglichkeiten erleichtert. Anfang des Jahres 2012 waren einzelne Krebsmedikamente (v.a. Zytostatika), deren Patente abgelaufen sind, von Lieferschwierigkeiten betroffen. Bei einzelnen Patientinnen und Patienten musste daher in der Therapie auf Arzneimittel anderer Hersteller ausgewichen werden

oder die Arzneimittel mussten aus dem Ausland importiert werden. Lieferengpässe von Arzneimitteln betreffen nicht nur die Schweiz, sondern sie sind ein globales Problem, das unter anderem auch in der Globalisierung der Lieferketten sowie dem zunehmenden Kostendruck in der Produktion («Just in Time») begründet ist. Vor allem bei nicht mehr patentgeschützten Arzneimitteln und bei Generika kommt es immer wieder zu Versorgungslücken. 1b.Am 1. März 2011 sind die Kriterien zur Vergütung von Arzneimitteln im Einzelfall nach Artikel 71a und 71b der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) in Kraft getreten. Mit dieser Verordnungsänderung ist im Interesse der Rechtssicherheit und zur Vermeidung unnötiger Gerichtsverfahren festgelegt worden, unter welchen Voraussetzungen bei ambulanten Behandlungen die Vergütungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung für Arzneimittel über den in der Spezialitätenliste festgelegten Umfang hinausgeht. Die in diesen Artikeln formulierten Kriterien entsprechen der langjährigen Rechtsprechung des Bundesgerichtes und widerspiegeln die geltende Praxis.
Das Bundesamt für Gesundheit hat Kenntnis davon, dass in einzelnen wenigen Fällen die Übernahme der Kosten von Arzneimitteln durch den Krankenversicherer nicht vollumfänglich erfolgt ist, obwohl die Voraussetzungen erfüllt gewesen wären. Das BAG nimmt in diesen Fällen seine Aufsichts-

funktion wahr und weist die Krankenversicherer auf die entsprechenden Bestimmungen und das richtige Vorgehen hin. Falls nötig, kann das BAG auch Bussen verhängen, sofern sich der Krankenversicherer den Weisungen der Aufsichtsbehörde widersetzt. 1c. Derzeit werden genetische Tests an Proben von
Brustkrebsgewebe nicht über die OKP bezahlt. Ein entsprechender Antrag wurde mithilfe der Eidgenössischen Leistungs- und Grundsatzkommission (ELGK) geprüft und negativ beurteilt. 2. Zum Grundsätzlichen ist auf die Antwort zu Frage 1b zu verweisen. Da der Krankenversicherer immer eine Einzelfallbeurteilung vorzunehmen hat, kann dies für verschiedene Einzelfälle zu einer unterschiedlichen Kostenübernahme der entsprechenden Arzneimitteltherapie über die OKP führen. Die Krankenversicherer sind jedoch bestrebt, eine einheitliche Praxis zu erreichen. Es ist zu betonen, dass der «off-label-use» nur ausnahmsweise vorkommen sollte, da ein Arzneimittel in diesen Fällen ausserhalb der die Sicherheit garantierenden Zulassung von Swissmedic verabreicht wird. 3. Die Versorgung mit Arzneimitteln in der Schweiz fällt grundsätzlich in die Kompetenz der Kantone. Der Bund hat die Aufgabe, durch geeignete rechtliche Rahmenbedingungen zu einer sicheren und geordneten Versorgung mit Arzneimitteln beizutragen und in Krisensituationen die Versorgung mit essenziellen Arzneimitteln sicherzustellen.

XUNDHEIT IN BÄRN

ARS MEDICI 24 ■ 2012 1315