Transkript
SGGG-EXPERTENBRIEF (EB) NR. 67
In der GYNÄKOLOGIE werden – nach Auswahl der Herausgeber – an dieser Stelle aktuelle Expertenbriefe publiziert (verifizierte Printform).
Expertenbrief Nr. 67
(siehe auch: http://sggg.ch/de/members_news/1005)
Kommission Qualitätssicherung Präsident Prof. Dr. med. Daniel Surbek
Anwendung des sFlt-1/PlGF-Tests zur Präeklampsie-Diagnostik
Dieser Expertenbrief gibt Empfehlungen zur Anwendung des neuen sFlt-1/PlGF-Tests (antiangiogener/ angiogener Faktor) bei der Präeklampsie-Diagnostik in unklaren Fällen im klinischen Alltag. Damit soll auf die Aussagekraft und den klinischen Nutzen des Tests eingegangen werden. Speziell beschrieben werden die Indikationen zur Durchführung und die Konsequenzen für das klinische Management, abhängig vom Testergebnis. Der Expertenbrief basiert auf der noch begrenzten Evidenz in der medizinischen Literatur, auf Empfehlungen anderer Fachgesellschaften (u. a. NICE), auf eigenen Forschungsergebnissen und Erfahrungen in der klinischen Anwendung des Tests im Alltag.
Evidenzlevel
D. Surbek, M. Hodel, M. Baumann, O. Lapaire
Die Diagnose der PE umfasst klassischerweise arterielle
Akademie für fetomaternale Medizin (AFMM) der SGGG/gynécologie suisse
Hypertonie, Proteinurie und Ödeme, wobei Ödeme für die
Diagnose nicht obligat sind. Gemäss neueren Guidelines
Die Präeklampsie (PE) ist ein schweres schwangerschaftsspezifi- (ISSHP, DGGG-SGGG-OeGGG-Leitlinie [2]) ist auch eine B
sches Krankheitsbild, das mit hoher perinataler und mütterlicher Proteinurie für die Diagnose nicht mehr obligat, wenn zu einer
Morbidität und Mortalität einhergeht und eine der Haupt- arteriellen Hypertonie eine signifikante Thrombozytopenie
Ia ursachen für maternale und fetale/neonatale Morbidität und und/oder zumindest eine der folgenden Organmanifestationen
Mortalität weltweit darstellt. Die einzige kurative Therapie ist hinzukommen: Leberwerterhöhung, Niereninsuffizienz, Lungen-
die Entbindung. Nach der Geburt haben Frauen mit durchge- ödem oder intrauterine Wachstumsretardierung (sogenannte
Ia machter PE ein lebenslang erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, aproteinurische PE).
eine erhöhte Mortalität und eine erniedrigte Lebenserwartung. Die frühe Diagnose einer sich erst entwickelnden PE oder der
Eine im Rahmen einer Schwangerschaft durchgemachte PE gilt Ausschluss einer PE bei PE-ähnlichen Symptomen ist aus meh-
deshalb zusammen mit arterieller Hypertonie, Hypercholester- reren Gründen von Vorteil:
inämie oder Nikotinabusus zu den etablierten kardiovaskulären Im Falle einer sich entwickelnden PE kann eine intensivere
III Risikofaktoren. Aus diesem Grund wird für Frauen nach durch- Überwachung der Schwangeren und ihres Fetus (je nachdem
gemachter PE eine Standortbestimmung zirka 3 Monate post- ambulant oder stationär) erfolgen, um die erwähnten Kompli-
partal zur Klärung weiterer Risikofaktoren und in der Folge ein kationen durch rechtzeitiges Eingreifen zu verhindern und
B jährliches Langzeit-Follow-up empfohlen.
Massnahmen zur Verbesserung von Morbidität und Mortalität
In der Schweiz beträgt die Inzidenz der PE rund 2,5% aller des Neugeborenen zu treffen (Verlegung ins Perinatalzentrum,
Geburten pro Jahr (1), was bei einer Geburtenzahl von gesamt- intensive mütterliche und fetale Überwachung, antenatale feta-
III haft 85 000 über 2000 PE-Fälle jährlich ergibt. Die Anzahl der le Glukokortikoidtherapie, interdisziplinäre Entbindungspla-
Schwangerschaften mit PE-ähnlicher Symptomatik ist nicht be- nung).
kannt, diese dürfte geschätzt rund das Fünffache betragen.
Wenn jedoch eine sich entwickelnde PE für ein 1- bis 2-wöchi-
Diagnostik der Präeklampsie
ges Zeitintervall ausgeschlossen werden kann, ist es möglich, eine schwangere Frau mit PE-assoziierten Symptomen unklarer
Die Diagnose der PE kann bisher erst in einem fortgeschritte- Ursache (z. B. neu auftretende isolierte Hypertonie) ambulant in
nen, klinisch manifesten Stadium der Erkrankung gestellt wer- engmaschigen, zum Beispiel 2-wöchentlichen Abständen und
den – zu einem Zeitpunkt, bei dem entweder bereits schwere unter Blutdruck-Selbstmessungen zu Hause zu betreuen. Damit
mütterliche (eingeschränkte Organfunktionen, Eklampsie, kann eine unnötige, kostenintensive, stationäre Überwachung
HELLP-Syndrom) oder fetale Komplikationen (Wachstumsretar- und Behandlung vermieden werden. Das gilt auch für Patien-
dierung, vorzeitige Plazentalösung, intrauteriner Fruchttod) ein- tinnen, bei welchen eine Grundkrankheit besteht, welche
getreten sind oder eine rasche Entbindung erfolgen muss. Bei bezüglich Symptome (arterielle Hypertonie, Proteinurie) nicht
der Indikation «rasche Entbindung» infolge PE besteht das von einer PE unterscheidbar ist, wie beispielsweise bei (chroni-
Risiko einer Frühgeburtlichkeit mit Komplikationen wie Lang- schen) Nierenkrankheiten, einem systemischen Lupus erythe-
zeitschädigung bis zum Tod des Neugeborenen.
matodes oder einem Diabetes mellitus mit Nierenbefall.
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Ein diagnostischer Test für den Ausschluss einer sich entwickeln- Mehrere unabhängige Forschungsgruppen haben dieselben
den PE (evolving PE) bei Schwangeren mit unklaren PE-ähn- Ergebnisse nachgewiesen, unter anderem mit Beteiligung der
lichen Symptomen, aber ohne Vollbild einer PE, ist demnach Autoren dieses Expertenbriefes (7, 8). Eine grosse Studie hat in
von grossem Nutzen für die Patientin, insbesondere da bei der Folge gezeigt, dass der sFlt-1/PlGF-Quotient den besten
einem negativen Ergebnis, welches eine PE für eine gewisse prädiktiven Wert hat (besser als die bisherigen Tests wie systo-
Zeit (1–2 Wochen) ausschliesst (ruling out), unnötige Hospita- lischer Blutdruck, Harnsäure usw.) (9). Eine in der Folge durch- Ib
lisationen und potenziell gefährliche Therapien vermieden wer- geführte Studie am Perinatalzentrum in Bern (Inselspital) konnte
den. Aus ökonomischer Sicht ist zu erwarten, dass ein solcher diese hohe Sensitivität und Spezifität an einem Kollektiv von 145
Test bei der gegebenen Prävalenz der PE und der Schwangeren Patientinnen mit unklarer PE-ähnlicher Symptomatik bestätigen
mit PE-ähnlichen Symptomen zu relevanten Kosteneinsparun- (10). In einer analogen Studie wurde des Weiteren auch bei
gen führt, insbesondere wenn er einen hohen negativ prädikti- bereits etablierter PE eine gute Korrelation zwischen Höhe der
ven Wert zum Ausschluss einer PE besitzt. Das hat eine Studie Ratio und dem Schweregrad der PE und deren klinischem
IIb des NICE in England gezeigt (3) und kürzlich auch eine schwei- Verlauf gefunden – wobei es keinen klaren Cut-off-Wert von
zerische Studie (4).
sFlt-1/PlGF für die Unterscheidung zwischen leichter und
Präeklampsie und Angiogenesefaktoren
schwerer PE gibt. Schliesslich konnte eine grosse Multizenterstudie die diagnosti-
Vor einigen Jahren wurde die zentrale Rolle der Angiogenese- sche Wertigkeit eines kommerziell erhältlichen sFlt-1/PlGF- IIa
faktoren bei der Entstehung und der Pathogenese der PE ent- Tests nachweisen (11). Dieser Test hat gezeigt, dass bei einem
deckt. Die Dysbalance zwischen pro- und anti-angiogeneti- Testergebnis von < 38 (Ratio sFlt-1/PlGF) eine PE in der schen Faktoren spielt eine entscheidende Rolle als Mediator Folgewoche mit einer hohen Sensitivität (80%) und Spezifität zwischen der gestörten Trophoblastinvasion (im 1. und frühen (78,3%) ausgeschlossen werden kann (AUC [area under the IIb 2. Schwangerschaftstrimester), der plazentaren Dysfunktion und receiver-operator curve] von 90%). Der negativ prädiktive Wert IIb der späteren generalisierten mütterlichen endothelialen Dys- betrug 99,3%, der positiv prädiktive Wert 36,7%. Der Test hat funktion, welche zu den klinischen Symptomen und letztlich zur validierte Cut-off-Werte. Somit erfüllt dieser Test die Kriterien manifesten PE führt. Diese plazentare angiogene Dysbalance für einen klinisch effizienten und wirksamen PE-Vorhersagetest. kann diagnostisch verwendet werden, da diese Faktoren einige Aufgrund der hohen, negativen prädiktiven Eigenschaften des Wochen vor der klinischen Manifestation – ja oft bereits am Tests besteht damit die Möglichkeit, die Entwicklung einer PE in Ende des 1. und im 2. Trimester – im mütterlichen Blut nach- den folgenden 1 bis 2 Schwangerschaftswochen (SSW) mit weisbar sind und somit eine potenziell präventive Strategie grosser Sicherheit auszuschliessen. ermöglichen (= Gabe von Aspirin!). Klinische Wertigkeit des sFlt-1/PlGF-Tests Der sFlt-1/PlGF-Test Der sFlt-1/PlGF-Test (Firma Roche) kann zusätzlich zum üblichen Die bei der PE wichtigsten und heute am besten untersuchten klinischen Assessment ab der 20 0/7 SSW verwendet werden angiogenen Faktoren sind die beiden Marker sFlt-1 (soluble und führt zu einem rascheren Ausschluss einer vermuteten oder IIa fms-like tyrosine kinase-1) und PlGF (placental growth factor). sich entwickelnden PE und zu einer besseren Risikoeinschätzung Diese sind bei PE in Dysbalance: die sFlt-1-Serumkonzentration hinsichtlich ungünstigem Schwangerschaftsoutcome als das IIb ist hoch und jene des PlGF tief – verglichen mit Frauen, die alleinige klinische Assessment. Der Test schliesst somit eine PE keine PE entwickeln. Der Quotient aus den beiden bildet die praktisch aus, wenn er negativ ist (d. h. unter 38), sodass in vielen sogenannte sFlt-1/PlGF-Ratio, welche als prädiktiver Test Fällen eine stationäre Aufnahme und Beobachtung vermieden (Biomarker) bei der Diagnostik einer PE respektive zu deren werden kann. Eine kürzlich publizierte Studie hat zudem gezeigt, IIa Ausschluss verwendet werden kann. dass die Zeit bis zur PE-Diagnose signifikant verkürzt und das Beim sFlt-1/PlGF-Test handelt es sich um die quantitative mütterliche Outcome verbessert werden kann (12). In dieser Bestimmung der sFlt-1, eines Antiangiogenesefaktors (Ant- Studie wurde der PlGF-Triage-Test (Firma Quidel) verwendet, Ib agonist von PlGF und VEGF [vascular endothelial growth fac- mit einem anderen Cut-off-Wert als die sFlt-1/PlGF-Ratio. tor]), und des PlGF, eines plazentären Angiogenesefaktors, im Blut der schwangeren Frau. Der Quotient beider Werte (sFlt- Indikationen für den sFlt-1/PlGF-Test 1/PlGF) reflektiert das Verhältnis der antiangiogenen gegenü- Grundsätzlich besteht bei schwangeren Frauen mit den unten ber den proangiogenen Faktoren. Eine PE ist durch einen aufgeführten Symptomen einen Nutzen durch die Bestimmung Anstieg dieser Ratio gekennzeichnet, bevor sich das klinische der sFlt-1/PlGF-Ratio als zusätzlicher diagnostischer Marker. Vollbild der PE (nach den heute geltenden Kriterien) entwickelt Die Indikation für die Testung besteht für Schwangere mit Ib hat. Diese Erkenntnis basiert auf zwei wichtigen Publikationen: Verdacht auf PE aufgrund neu auftretenen, unsicheren 1. dem Nachweis des Zusammenhangs zwischen Überexpres- Zeichen und Symptomen einer PE nach der 20. SSW (welche IIa sion der sFlt-1 und der Entwicklung einer PE im Tiermodell aber die diagnostischen Kriterien einer PE nicht erfüllen), (5) und sofern nur 1 der folgenden Zeichen vorliegt: 2. der Erkenntnis, dass zwischen dem Anstieg der sFlt-1 und I erhöhte Blutdruckwerte ≥ 140/90 mmHg dem Abfall des PlGF bei Patientinnen, welche im Verlauf eine I neu aufgetretene oder zunehmende Proteinurie (ohne PE entwickeln, ein Zusammenhang besteht (6). Hypertonie) 26 GYNÄKOLOGIE 2/2020 I starke Ödembildung (auch im Gesicht) mit rascher Gewichts- tiv prädiktive Wert beträgt allerdings nur 36,7%). Je nach klini- zunahme > 1 kg pro Woche
scher Situation kann eine stationäre Aufnahme zur weiteren
I Kopfschmerzen und Augenflimmern
Abklärung und Überwachung der schwangeren Frau und des IIb
I Oberbauchschmerzen und Übelkeit
Fetus indiziert sein. Im Falle einer engmaschigen ambulanten
I Thrombozytopenie oder Leberwerterhöhung (ASAT, ALAT, Verlaufsbeobachtung soll die Überweisung an ein spezialisier-
LDH) ohne andere Ursache
tes Zentrum in Betracht gezogen werden. Aufgrund des niedri-
I intrauterine Wachstumsretardierung des Fetus mit Verdacht gen, positiv prädiktiven Werts kann mit einem positiven
auf Plazentainsuffizienz
Testergebnis allerdings die Vorhersage einer PE nicht zuverläs-
I pathologischer Doppler der Aa. uterinae (PI > 95. Perz./«not- sig beurteilt und insbesondere können auch keine entsprechen-
ching» beiderseits)
den klinischen Massnahmen (z. B. Entbindung) indiziert werden.
Die Indikation zum sFlt-1/PlGF-Test bei diesen Frauen ergibt Studien zeigen, dass je höher die sFlt-1/PlGF-Ratio ist, desto
sich aus den klinischen Zeichen/Symptomen.
höher ist die Wahrscheinlichkeit und desto kürzer ist das
Dasselbe gilt für Patientinnen mit erhöhtem Risiko für PE Intervall zur Entwicklung einer PE. Der Cut-off-Wert für eine
IIa gemäss PE-Risikoevaluation im 1. Trimester nach FMF London hohe Wahrscheinlichkeit einer PE ist < 34. SSW ein Wert von (Expertenbrief No. 57: Risikospezifizierung Präeklampsie im > 85 und ab 34. SSW ein Wert von > 110.
1. Trimester)* oder gemäss Risikoeinteilung nach NICE und
zusätzlich klinischen Symptomen im 2./3. Schwangerschafts- Wiederholung des sFlt-1/PlGF-Tests
trimester (13).
Eine Wiederholung des Tests nach 1 bis 3 Wochen kann je nach
Bei asymptomatischen Frauen mit oder ohne Risikofaktoren ist klinischer Situation, Symptomen und Verlauf sinnvoll sein, wenn
der sFlt-1/PlGF-Test von unklarem Wert. Der Einsatz wird zurzeit der Test vorher negativ war, damit eine Dynamik der PE-Ent-
in Studien evaluiert, ist aber in der Klinik noch nicht etabliert wicklung beurteilt werden kann. Das gilt in besonderem Masse
und stellt somit (noch) keine Indikation für den Test dar. Zudem für Patientinnen mit hohem Risiko für eine PE. Die Aussagekraft III
werden die Kosten des Testes in dieser Situation nicht von den des Auschlusses einer PE (negativ prädiktiver Wert) ist für die
Krankenkassen übernommen (siehe unten).
Dauer von 1 bis 2 Wochen hoch. Die Evidenz dazu ist begrenzt,
Interpretation und klinische Konsequenzen des sFlt-1/PlGF-Tests
entspricht aber dem zugrunde liegenden Rational des festgesetzten Schwellenwerts (und zwar Cut-off-Wert von 38).
Negatives Testergebnis (sFlt-1/PlGF-Ratio < 38) Patientinnen mit etablierter PE Bei negativem Testergebnis kann in der Regel auf eine stationä- Diese Patientinnen werden in der Regel stationär betreut, re Aufnahme zur weiteren Evaluation einer PE in den folgenden wobei der optimale Entbindungszeitpunkt auch modusabhän- 1 bis 2 Wochen verzichtet werden (negativ prädiktiver Wert gig von der klinischen Situation gewählt werden muss. Bei eta- 99,3%). Je nach klinischer Situation und Zeichen/Symptomen blierter PE zeigt der sFlt-1/PlGF-Test eine Korrelation zwischen IIb kann 1 der folgenden ambulanten Massnahmen sinnvoll sein: der Höhe des Testergebnisses und des Schweregrades der PE I weitere Abklärung möglicher Ursachen der unklaren und des Verlaufs. Bei einer bereits diagnostizierten PE kann Zeichen/Symptome (z. B. andere Ursachen von Kopfschmer- deshalb die Höhe der sFlt-1/PlGF-Ratio helfen, den Schwere- zen/Sehstörungen oder Oberbauchschmerzen) grad und die Dynamik der PE besser abzuschätzen. Allerdings I Blutdruck-Selbstmessungen mit Protokollierung zu Hause gibt es hierzu bisher noch wenige Daten, welche die Wertigkeit durch die Patientin selbst (Cave: bei schwerer Hypertonie des sFlt-1/PlGF-Quotienten in dieser Situation zeigen; somit ist > 160/100 mmHg ist in jedem Falle eine Hospitalisation indi- die Bestimmung hier vor allem im Rahmen klinischer Studien
ziert)
sinnvoll.
I evtl. Urinstix-Kontrolle zu Hause (Spezial-Device zur Interpre- Wichtig ist, dass die sFlt-1/PlGF-Ratio nicht als alleiniger Para-
tation einer signifikanten Proteinurie mit Ja/Nein), falls nur meter für die Indikationsstellung zur Entbindung verwendet wird;
der Blutdruck erhöht ist.
es müssen weitere Parameter wie Gestationsalter, Schweregrad
Der Zeitpunkt der Wiedervorstellung der Patientin richtet sich der Präeklampsie, Beeinträchtigung des Fetus usw. mit einbe-
nach den klinischen Gegebenheiten und beträgt in der Regel zogen werden.
zwischen 1 und 3 Wochen.
Kosten-Nutzen-Analyse des sFlt-1/PlGF-Tests
Positives Testergebnis (sFlt-1/PlGF Ratio ≥ 38) Bei positivem Testergebnis verstärkt sich der Verdacht, dass sich in absehbarer Zeit klinisch eine PE entwickeln könnte (der posi-
*siehe: www.ch-gynaekologie.ch – Archiv: https://www.rosenfluh.ch/media/gynaekologie/2019/05/ Risikospezifizierung-Praeeklampsie-im-ersten-Trimester.pdf bzw. www.sggg.ch – Expertenbriefe https://www.sggg.ch/fileadmin/user_upload/57_Risikospezifizierung_ Praeeklampsie.pdf
Zur Kosten-Nutzen-Analyse des Tests insgesamt gibt es valable Studien (14). Wie diese zeigt auch die Kosten-Nutzen-Analyse der Diagnostic Guidance von NICE (3) einen ausgeprägten sozioökonomischen Benefit. Kürzlich wurde zudem eine Studie in der Schweiz durchgeführt, die zu ähnlichen Ergebnissen kam (4).
Kostenübernahme durch die Krankenkasse
Der sFlt-1/PlGF-Test wurde am 1. Juli 2019 in die Analyseliste aufgenommen und ist somit kassenpflichtig. Bedingungen für die Kostenübernahme durch die Kassen sind:
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I Einsatz ab 20 0/7 SSW I Verdacht auf PE I Verlaufskontrolle bei manifester PE I Verordnung nur durch Ärzte mit Facharzttitel Gynäkologie
und Geburtshilfe. Der Test ist nicht kassenpflichtig zum Screening von asymptomatischen Schwangeren.
Datum dieses Expertenbriefs: 2. Dezember 2019
Deklaration von Interessenkonflikten: Daniel Surbek: Vorträge und Advisory Board Roche Diagnostics Markus Hodel: Advisory Board Roche Marc Baumann: keine Olav Lapaire: Honorare von Roche als Consultant
Referenzen: 1. Purde et al.: Swiss Med Wkly 2015; 145: w14175. 2. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015-018l_S2k_Diagnostik_Therapie_hypertensiver_ Schwangerschaftserkrankungen_2019-07.pdf 3. NICE diagnostic guidance: PlGF-based testing to help diagnose suspected pre-eclampsia. https://www.nice.org.uk/guidance/dg23 4. Hodel M, Blank PR, Marty P, Lapaire O.: sFlt-1/PlGF ratio as a predictive marker in women with suspected preeclampsia: An economic evaluation from a Swiss perspective. Dis markers 2019; 14 August. doi: 10.1155/2019/4096847 5. Maynard et al.: J Clin Invest 2003; 111: 649–658. 6. Levine et al.: N Engl J Med 2004: 350. 7. Baumann MU, Bersinger NA, Mohaupt MG, Raio L, Gerber S, Surbek DV.: First-trimester serum levels of soluble endoglin and soluble fms-like tyrosine kinase-1 as first-trimester markers for lateonset preeclampsia. Am J Obstet Gynecol 2008; 199: 266.e1–6. 8. Huhn EA, Kreienbühl A, Hoffmann I, Schoetzau A, Lange S, Martinez de Teja da B, Hund M, Hoesli I, Lapaire O.: Diagnostic Accuracy of Different Soluble fms-Like Tyrosine Kinase 1 and Placental Growth Factor Cut-Off Values in the Assessment of Preterm and Term Preeclampsia: A Gestational Age Matched Case-Control Study. Front Med (Lausanne) 2018; 5: 325. 9. Rana S et al.: Angiogenic factors and the risk of adverse outcomes in women with suspected preeclampsia. Circulation 2012; 125: 911–919. 10. Baumann H et al.: submitted for publication. 11. Zeisler H et al.: Predictive Value of the sFlt-1:PlGF Ratio in Women with Suspected Preeclampsia. N Engl J Med 2016; 374; 13–22. 12. Duhig KE, Myers J, Seed PT, Sparkes J, Lowe J, Hunter RM, Shennan AH, Chappell LC; (PARROT trial group):Placental growth factor testing to assess women with suspected pre-eclampsia: a multicentre, pragmatic, stepped-wedge cluster-randomised controlled trial. Lancet 2019; 393: 1807–1818. 13. Poon LC, Galindo A, Surbek D, Chantraine F, Stepan H, Hyett J, Tan KH, Verlohren S.: From first- trimester screening to risk stratification of evolving pre-eclampsia in the second and third trimesters of pregnancy: a comprehensive approach. Ultrasound Obstet Gynecol 2020 (Jan); 55 (1): 5–12. 14. Vatish M et al.: SFlt-1/PlGF ratio test for pre-eclampsia: an economic assessment for the UK. Ultrasound Obstet Gynecol 2016 (Dec); 48(6): 765–771.
Zusammenfassung
I Die Präeklampsie ist ein schweres Krankheitsbild, welches mit relevanter neonataler und mütterlicher Morbidität und Mortalität einhergeht.
I Eine frühe Diagnose einer sich entwickelnden Präeklampsie zur rechtzeitigen Ergreifung klinischer Massnahmen führt zur Reduktion der neonatalen und mütterlichen Morbidität und Mortalität.
I Die Dysbalance von plazentaren (Anti-)Angiogenesefaktoren ist entscheidend in der Pathogenese der Präeklampsie; sie kann im mütterlichen Blut mittels des sFlt-1/PlGF-Tests bestimmt werden, die Werte gehen der Diagnose der Präeklampsie um Wochen voraus. Der Test kann deshalb im klinischen Alltag diagnostisch verwendet werden.
I Der sFlt-1/PlGF-Test kann bei Patientinnen mit unklaren Zeichen oder Symptomen einer Präeklampsie ab der 20. SSW verwendet werden. Dabei schliesst ein negatives Testresultat die Entwicklung einer Präeklampsie in den folgenden 1 bis 2 Wochen mit hoher Wahrscheinlichkeit aus, womit in den meisten Fällen eine ambulante Betreuung möglich ist und in der Regel auf weitere aufwändige Laboruntersuchungen verzichtet werden kann. Der Test ist für diese Indikation kassenpflichtig.
I Im Falle eines positiven sFlt-1/PlGF-Tests kann die Diagnose einer Präeklampsie damit per se nicht gestellt werden. Es besteht aber (abhängig von der Höhe der sFlt-1/PlGF-Ratio) eine hohe Wahrscheinlichkeit zur Entwicklung einer Präeklampsie in den nächsten Tagen bis Wochen.
I Auch bei Patientinnen mit etablierter Präeklampsie kann der sFlt-1/PlGF-Test verwendet werden und von Nutzen sein, um den Schweregrad und die Dynamik einer Präeklampsie besser abschätzen zu können. Der klinische Nutzen ist allerdings zurzeit nicht belegt. Für den Nutzen des Tests bei Patientinnen mit hohem Risiko aufgrund der Vorgeschichte (St. n. PE/HELLPSyndrom, Diabetes mellitus, erhöhtes Risiko im PE-Screeningtest), aber ohne Zeichen und Symptome einer Präeklampsie besteht heute ebenfalls noch zu wenig Evidenz.
IIa Ia IIa IIa IIa
IV
* Evidenzlevel und Empfehlungsgrade der Therapieangaben
Evidenzlevel Ia Evidenz durch die Metaanalyse von randomisierten, kontrollierten
Untersuchungen Ib Evidenz durch mindestens eine randomisierte, kontrollierte
Untersuchung IIa Evidenz durch mindestens eine gut angelegte, kontrollierte
Studie ohne Randomisierung IIb Evidenz durch mindestens eine gut angelegte andere quasiexpe-
rimentelle Studie III Evidenz durch gut angelegte, beschreibende Studien, die nicht
experimentell sind, wie Vergleichsstudien, Korrelationsstudien oder Fallstudien IV Evidenz durch Expertenberichte oder Meinungen und/oder klinische Erfahrung anerkannter Fachleute
Empfehlungsgrad
A Es ist in der Literatur, die gesamthaft von guter Qualität und Konsistenz sein muss, mindestens eine randomisierte, kontrol-
lierte Untersuchung vorhanden, die sich auf die konkrete
Empfehlung bezieht (Evidenzlevel Ia, Ib).
B Es sind zum Thema der Empfehlung gut kontrollierte, klinische Studien vorhanden, aber keine randomisierten, klinischen
Untersuchungen (Evidenzlevel IIa, IIb, III).
C Es ist Evidenz vorhanden, die auf Berichten oder Meinungen von Expertenkreisen basiert und/oder auf der klinischen
Erfahrung von anerkannten Fachleuten. Es sind keine qualitativ
guten, klinischen Studien vorhanden, die direkt anwendbar sind
(Evidenzlevel IV).
Good-Practice-Punkt
Empfohlene Best Practice, die auf der klinischen Erfahrung der
Expertengruppe beruht, die den Expertenbrief/die Guideline
herausgibt.
Übersetzt aus dem Englischen (Quelle: RCOG Guidelines Nr. 44, 2006)
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