Transkript
STUDIE REFERIERT
Inhalative Kortikosteroide bei stabiler COPD
Nutzen und Risiken sorgfältig abwägen
Bei stabiler COPD reduzieren inhalative Kortikosteroide als Einzelmedikament nicht konsistent die Abnahme der Einsekundenkapazität und senken auch nicht die Mortalität. Zudem wurde in Langzeitstudien eine erhöhte Pneumonierate im Vergleich zu Plazebo beobachtet. Allerdings verringert sich die Anzahl der Exazerbationen, und die Lebensqualität wird positiv beeinflusst.
COCHRANE DATABASE
Richtlinien der Global Initiative for Obstructive Lung Disease (GOLD) wird bei symptomatischen COPD-Patienten mit einem prognostizierten forcierten Expirationsvolumen (FEV1) von weniger als 50 Prozent und wiederholten Exazerbationen die Zugabe von ICS zu lang wirksamen Beta-2Agonisten empfohlen (GOLD-COPDRichtlinien, www.goldcopd.org). Die Rationale zur Anwendung von ICS bei COPD wird jedoch kontrovers diskutiert, und in Metaanalysen kamen Wissenschaftler zu widersprüchlichen Ergebnissen. Deshalb wurden Wirksam Kortikosteroide bei COPD-Patienten jetzt in einem aktualisierten CochraneReview untersucht.
Inhalative Kortikosteroide (ICS) sind zur Behandlung der Atemwegsentzündung bei Asthma von grossem Nutzen. Ob diese Medikamente auch bei einer stabilen chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) mit einem Benefit verbunden sind, ist ungewiss. In
Merksätze
❖ Bei stabiler COPD reduzieren ICS als Einzelmedikament die Abnahme der FEV1 im Vergleich zu Plazebo nicht.
❖ Bei stabiler COPD senken ICS nicht die Mortalität.
❖ Unter ICS ist das Risiko für oropharyngeale Candidosen erhöht.
❖ Bei der Langzeitanwendung von ICS besteht möglicherweise ein erhöhtes Pneumonierisiko.
❖ ICS reduzieren bei stabiler COPD die Häufigkeit von Exazerbationen.
Neuer Cochrane-Review In den Review wurden alle publizierten und nicht publizierten randomisierten Studien aus dem Zeitraum bis Juli 2011 eingeschlossen, in denen eine regelmässige Anwendung von ICS als Einzelmedikament über ein Dosieraerosol, einen Trockenpulverinhalator oder einen Spacer mit Plazebo verglichen wurde. Studien, in denen ICS über einen Vernebler zugeführt wurden, schlossen die Wissenschaftler aus. Untersuchungen, die einen Vergleich von ICS mit Plazebo unter einer Komedikation mit lang wirksamen Beta-2-Agonisten in beiden Gruppen beinhalteten, schlossen die Forscher ebenfalls aus. In die Analyse wurden Studien mit COPD-Patienten beiderlei Geschlechts ungeachtet ihres Raucherstatus einbezogen, die an einer COPD, definiert als progrediente chronische Atemwegsobstruktion, litten. Bei allen Studienteilnehmern lag eine stabile Erkrankung ohne kurz zurückliegende Exazerbation vor, bei der keine Antibiotika oder systemischen Steroide erforderlich waren. Ausserdem wiesen die Teilneh-
mer keine klinischen Anzeichen von Asthma auf. In den Cochrane-Review wurden auch Studien mit Patienten aufgenommen, bei denen eine rasche Bronchodilatatorreversibilität bei Applikation kurz wirksamer Beta-2-Agonisten oder eine bronchiale Hyperreagibilität (BHR) vorlag. Die Untersuchungen zu Patienten mit BHR wurden getrennt von COPD-Studien analysiert, in denen eine BHR kein Einschlusskriterium war oder bei denen die BHR als Ausschlusskriterium definiert wurde. Primäres Outcome des Reviews war die Veränderung der Lungenfunktion (FEV1). Als sekundäre Outcomes wurden Mortalität, COPD-Exazerbationen und Lebensqualität sowie Anwendung von Bronchodilatatoren im Notfall, körperliche Leistungsfähigkeit, Biomarker, Prädiktoren des Ansprechens sowie Sicherheit definiert.
Ergebnisse Der Cochrane-Review umfasste 55 Primärstudien mit insgesamt 16 154 Teilnehmern. Als ICS wurden Budesonid (BUD), Beclometasondipropionat (BDP), Fluticasonpropionat (FP), Triamcinolonazetonid (TAA) und Mometasonfuroat (MF) angewendet. Die Langzeitanwendung (> 6 Monate) inhalativer Kortikosteroide reduzierte bei COPD-Patienten nicht konsistent die Abnahme der Einsekundenkapazität FEV1. Diesbezüglich wurde nur in einer Studie ein signifikanter Unterschied im Vergleich zu Plazebo beobachtet. Zudem wurde keine signifikante Beeinflussung der Mortalität durch ICS festgestellt. Die Langzeitanwendung von ICS reduzierte die durchschnittliche Exazerbationsrate und verlangsamte den Verlust an Lebensqualität, die mithilfe des St. Georges Respiratory Questionnaire beurteilt wurde. Das Ansprechen auf ICS konnte nicht anhand des Ansprechens auf orale Steroide oder aufgrund einer Bronchodilatatorreversibilität oder einer bronchialen Hyperreagibilität prognostiziert werden. Unter ICS bestand im Vergleich zu Plazebo ein erhöhtes Risiko für oropharyngeale Candidosen und Heiserkeit. In Langzeitstudien wurde zudem unter ICS eine erhöhte Pneumonierate im Vergleich zu Plazebo beobachtet. In Studien mit einem Follow-up über
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STUDIE REFERIERT
3 Jahre wurden keine schwerwiegenden Auswirkungen der ICS im Hinblick auf Frakturen oder die mineralische Knochendichte beobachtet.
Schlussfolgerung der Autoren Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Ärzte und Patienten bei stabiler
COPD vor einem Beginn mit ICS den
Nutzen (potenzielle Verlangsamung
der FEV1-Abnahme, Reduzierung der
Exazerbationsrate und Verlangsamung
des Verlusts an Lebensqualität) und die
Risiken (oropharyngeale Candidosen,
Heiserkeit und Pneumonien) sorgfältig
abwägen sollten.
❖
Petra Stölting
Quelle: Ian A Yang et al.: Inhaled corticosteroids for stable chronic obstructive pulmonary disease. Cochrane Database Syst Rev 2012; 7: CD002991.
Interessenkonflikte: keine deklariert.
BUCHTIPP
Das schwere Gespräch
«Auch wenn das Thema kompliziert ist, braucht es das Gespräch darüber nicht zu sein. Wenn es als schwer erlebt wird, dann nicht weil es kompliziert ist, sondern weil du versuchst, um etwas herumzureden», heisst es in dem Buch «Das schwere Gespräch». Die Kunst, einem Patienten einschneidende Diagnosen angemessen mitzuteilen, ist leider nicht jedem in die Wiege gelegt, aber vieles könne «gelernt und entwickelt» werden, schreibt Autor Edlef Bucka-Lassen, Facharzt für Allgemeinmedizin sowie Autor und Referent zahlreicher Veröffentlichungen, Vorträge und Seminare zum Thema Kommunikation. Sein Buch unterscheidet sich angenehm von den unzähligen So-wird’s-gemacht-Werken der Ratgeberliteratur, denn BuckaLassen erhebt nicht den Anspruch, die Weisheit gepachtet zu haben: «Dieses Buch will keine Anweisungen geben, wie Schweres gesagt werden muss, auch nicht wie es gesagt werden soll, sondern eher Leitlinien geben, wie es gesagt werden kann», schreibt er in der Einleitung. Das Buch ist nicht nur für «schwere» Gespräche hilfreich, sondern auch für die Verbesserung der Kommunikation im Praxisalltag. Im ersten Teil geht es um Grundlegendes zum Thema Kommunikation, im zweiten um das Gespräch als Einheit im sozialen Miteinander und im speziellen Fall der Arzt-PatientKommunikation. Im dritten Teil geht es dann ins Detail: das schwere Gespräch mit einem Patienten über dessen unheilbare Krankheit, das Arzt-Patienten-Gespräch mit Kindern und Jugendlichen, das Gespräch mit Dementen und ihren Angehörigen sowie die Bewältigung sprachlich-kultureller Hürden im ärztlichen Gespräch mit Migranten. Auch der Kommunikation im Zusammenhang mit der pränatalen Diagnostik ist ein eigenes Kapitel gewidmet.
Jedem Abschnitt ist ein Überblick vorangestellt, in dem die
wichtigsten Punkte des folgenden Kapitels auf einer Seite auf-
gelistet sind. Das ist leserfreundlich und weckt die Lust am ge-
zielten Nachlesen. Man findet sich rasch zurecht, denn das Buch
ist durch viele Zwischentitel und Stichworte am Rand gut und
übersichtlich gegliedert. Fallbeispiele machen theoretische
Überlegungen zum Wesen der Kommunikation anschaulich und
in den Alltag übertragbar.
Alles in allem ein Buch, das man (nicht nur) Ärzten und Pflegen-
den empfehlen kann.
RBO❖
Edlef Bucka-Lassen: Das schwere Gespräch. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Deutscher Ärzte-Verlag 2011, broschiert, 356 Seiten, mit 36 Abbildungen und 22 Tabellen; 49,90 Franken; ISBN 978-3-7691-1268-9.
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