Transkript
STUDIE REFERIERT
Familiärer Magenkrebs
H.-pylori-Eradikation senkt Risiko
Familiärer Magenkrebs und Helicobacter-pylori-Infektionen gelten als Hauptrisikofaktoren für die Entwicklung von Magenkrebs. In einer monozentrischen südkoreanischen Studie zeigte sich nun, dass eine H.-pylori-Eradikation das Magenkrebsrisiko familiär vorbelasteter Personen deutlich senken kann.
New England Journal of Medicine
Erstgradige Verwandte von Magenkrebspatienten haben ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko, auch selbst an Magenkrebs zu erkranken. Zudem kommt es bei ihnen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung auch häufiger zu H.-pylori-Infektionen und präkanzerösen Magenschleimhautveränderungen. In einer doppelblinden, randomisierten, plazebokontrollierten, monozentrischen Studie untersuchten Il Ju Choi vom National Cancer Center in Goyang (Südkorea) und seine Arbeitsgruppe, ob das Magenkrebsrisiko erstgradiger Verwandter von Magenkrebspatienten mit einer Eradikation von H. pylori gesenkt werden kann. Im Rahmen der Studie erhielten 1838 Patienten, die mindestens einen Verwandten ersten Grades mit Magenkrebs hatten und mit H. pylori infiziert waren, randomisiert entweder 7 Tage lang 2-mal täglich Lansoprazol (Agopton® und Generika; 30 mg), Amoxicillin (Clamoxyl® und Generika; 1000 mg) und Clarithromycin (Klacid® und Generika; 500 mg) oder Plazebo. Als primären Endpunkt definierten die Forscher die Entwicklung von Magenkrebs. Zu den sekundären Endpunkten gehörten Magenkrebserkrankungen im Zusammenhang mit dem Eradikationsstatus und die Entstehung von Adenomen. Die Forscher schlossen 1676 Patienten (832 aus der Eradikationsgruppe, 844 aus der Plazebogruppe) in ihre Intentionto-treat-Analyse ein. Im Verlauf eines medianen Follow-up von 9,2 Jahren erkrankten 10 Patienten der Behandlungsgruppe (1,2%) und 23 Patienten der Plazebogruppe (2,7%) an Magenkrebs. Die Hazard Ratio (HR) betrug 0,45 (95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,21–0,94; p = 0,03).
Eradikationsstatus und Magenkrebs
Bei 1587 Studienteilnehmern konnte der Eradikationsstatus evaluiert werden. In der Behandlungsgruppe wurde bei 551 von 786 Patienten (70,1%) eine Eradikation erzielt. In der Plazebo gruppe liess sich bei 57 von 801 Patienten (7,1%) eine Eradikation nachweisen. Bei den verbleibenden 979 Personen beider Gruppen blieb die H.-pylori-Infektion weiterhin bestehen. Von den 979 Personen mit persistie render H.-pylori-Infektion erkrankten 28 Personen an Magenkrebs (2,9%), von den 608 Patienten mit erfolgreicher Eradikation dagegen nur 5 (0,8%). Die HR betrug 0,27 (95%-KI: 0,10–0,70). Die Magenkrebsinzidenz war bei behandelten Patienten mit persistierender Infektion ähnlich hoch wie bei Patienten der Plazebogruppe mit persistierender Infektion. Im Hinblick auf die Häufigkeit gastrischer Adenome stellten die Forscher keinen Unterschied zwischen beiden Gruppen fest (Eradikationsgruppe: 1,7%; Plazebogruppe: 1,5%). Unter der Eradikationsbehandlung kam es häufiger zu leichten Nebenwirkungen als unter Plazebo (53,0% vs. 19,1%). Dabei handelte es sich meist um Übelkeit, Diarrhö oder abdominelle Schmerzen.
Diskussion
In ihrer monozentrischen Studie konnten die Wissenschaftler das Magenkrebs risiko in der Behandlungsgruppe um 55 Prozent im Vergleich zu Plazebo senken. In der Untergruppe der Patienten mit erfolgreicher Eradikation verminderte sich das Risiko sogar um 73 Prozent. Bei nicht gelungener Eradikation und persistierender H.-pylori-Infektion
war das Magenkrebsrisiko behandelter
Personen dagegen ähnlich hoch wie in
der Plazebogruppe. Choi und seine
Kollegen raten deshalb, den Erfolg der
Eradikationsbehandlung immer zu
überprüfen.
Als weiteres interessantes Ergebnis er-
achten die Forscher die ähnliche Anzahl
gastrischer Adenome in beiden Gruppen.
Diese Beobachtung weist ihrer Ansicht
nach darauf hin, dass die Wirksamkeit
der Eradikation bezüglich der Reduzie-
rung des Magenkrebsrisikos nicht auf
einer Verhinderung von Adenomen be-
ruht. Somit sei die Abfolge Adenom-
Magenkrebs vermutlich auch nicht der
von H. pylori aktivierte Pfad im Rahmen
der Krebsentstehung, schlussfolgern sie.
Choi und sein Team räumen ein, dass
ihre Studie zwar nur in einem Zentrum
durchgeführt worden sei, da familiärer
Magenkrebs jedoch weltweit als kon
sistenter Risikofaktor gelte, seien die
Ergebnisse wahrscheinlich dennoch
global übertragbar.
PS s
Quelle: Choi IJ et al.: Family history of gastric cancer and Helicobacter pylori treatment. N Engl J Med 2020; 382(5): 427–436.
Interessenlage: Die referierte Studie wurde vom National Cancer Center in Südkorea finanziert. Es liegen keine Interessenkonflikte vor.
ARS MEDICI 8 | 2020
255