Transkript
FORTBILDUNG
Unter der Gürtellinie
Sexuell übertragbare Krankheiten frühzeitig erkennen
Sexuell übertragbare Erkrankungen äussern sich vielgestaltig. Zum einen können typische urogenitale Leitsymptome (Ausfluss, Fluor) oder auch Hauterscheinungen im Vordergrund stehen. Aber auch generalisierte internistische Symptome kommen vor. Der Hausarzt hat die Aufgabe, über mögliche Gefahren und Übertragungswege aufzuklären, Infektionen frühzeitig zu erkennen und das Fortschreiten der Erkrankung beziehungsweise deren Weiterverbreitung durch eine adäquate Therapie zu verhindern.
MARKUS MÜLLER UND MARTIN ENDERS
Die grossen Fortschritte durch die antiretrovirale Therapie Ende der Neunzigerjahre führten zu einem drastischen Rückgang der AIDS-Sterbefälle in Europa. In der Folgezeit nahmen Medienpräsenz und öffentliches Interesse an HIV im Besonderen und an sexuell übertragbaren Infektionen (STI) im Allgemeinen deutlich ab. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts kam es dann auch in Deutschland zu einem erneuten Anstieg der klassischen STI wie Syphilis und Gonorrhö. Ungeschützter Sex, Promiskuität und Homosexualität sind die Hauptrisikofaktoren für STI. Nicht selten sind auch Menschen ausserhalb der klassischen Risikogruppen betroffen. Bislang noch spärliche Daten weisen auf eine Zunahme der
Merksätze
❖ Die meisten Infektionen des Urogenitaltrakts erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung.
❖ Eine Urethritis kann ausser durch Gonokokken unter anderem durch Chlamydien, Ureaplasma urealyticum oder Mykoplasmen hervorgerufen werden.
❖ Im Primärstadium der Syphilis findet man häufiger eine schmerzlose Papel («harter Schanker»), seltener ein genitales Ulkus.
❖ Herpes genitalis wird meist durch latent infizierte Sexualpartner, die das Virus asymptomatisch ausscheiden, erworben.
Erkrankungshäufigkeit bei Menschen, die älter als 45 Jahre sind, hin. Prävention, frühzeitige Diagnostik und zielgenaue Therapie der Patienten und ihrer Partner sind für eine erfolgreiche Reduktion der Prävalenz der STI unerlässlich. Nach den Leitsymptomen lassen sich die STI in drei Gruppen einteilen: 1. Leitsymptom: urethraler Ausfluss/vaginaler Fluor 2. Leitsymptom: Papeln/Ulzerationen 3. Kein spezifisches Leitsymptom, sondern verschiedene ge-
neralisierte internistische Symptome
1. Erkrankungen mit urethralem oder vaginalem Ausfluss Weisslich-gelber Ausfluss, häufig auch in Verbindung mit einer Rötung und Schwellung des Meatus bei Männern (Abbildung 1) oder vaginalem Fluor bei Frauen, weist in den meisten Fällen auf eine Gonorrhö (Tripper) hin. Die Inkubationszeit ist mit zwei bis fünf Tagen relativ kurz. Obwohl es sich in vielen Fällen um eine Blickdiagnose handelt, ist eine genauere Diagnostik mittels Urethral- beziehungsweise Zervixabstrich zu empfehlen. Der Nachweis von gramnegativen intrazellulären Diplokokken im Urethral- oder Zervixsekret spricht für das Vorliegen einer Gonorrhö. Beweisend ist letztlich die biochemische Keimidentifizierung der auf Spezialmedien angezüchteten Bakterien beziehungsweise der Nachweis von erregerspezifischen Nukleinsäuren mittels Nukleinsäureamplifikationstechnik (NAT), z. B. PCR. Eine Resistenztestung von Neisseria (N.) gonorrhoeae ist nur nach konventioneller Anzucht der Bakterien möglich. Differenzialdiagnostisch muss eine «nichtgonorrhoische Urethritis», hervorgerufen durch Chlamydia trachomatis, durch Ureaplasma urealyticum oder durch Mykoplasmen bedacht werden (Tabelle 1). In bis zu 40 Prozent der Fälle liegen auch Mischinfektionen vor. Wegen zunehmender Resistenzen gegen Penizilline, Gyrasehemmer und Azithromycin sollte die Therapie bei Gonorrhö mit Cephalosporinen der Klasse 3 (Ceftriaxon 250 mg i.m. oder Ceftriaxon 400 mg als Einmaldosis) durchgeführt werden. Neben der Urethritis ist ein meist asymptomatischer Befall des Anus oder des Pharynx bei Männern, die Sex mit Männern haben, häufig. Es ist davon auszugehen, dass eine Vielzahl der Infektionen mit N. gonorrhoeae völlig asymptomatisch verläuft. Patienten mit hohem Risikoprofil (Promiskuität, ungeschützter Analverkehr) ist deshalb zu Vorsorgeuntersuchungen, also zu Abstrichen auf Gonokokken und Chlamydien, zu raten. Die Empfehlung dieser Untersuchungen ist nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil die meisten Infektionen des Urogenitaltrakts die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung erhöhen.
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Abbildung PD. Dr. Martin Hartmann, Heidelberg
Abbildung PD. Dr. Martin Hartmann, Heidelberg
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Abbildung 1: Weisslicher Ausfluss aus der Urethra bei Gonorrhö Abbildung 2: Chlamydienzervizitis
verursachte Urethritis beziehungsweise Zervizitis (Abbildung 2) verläuft häufig asymptomatisch. Am häufigsten sind jugendliche und junge Erwachsene betroffen, Frauen häufiger als Männer. Im typischen Fall tritt nach ein bis zwei Wochen Inkubation eine Dysurie zusammen mit einem eher transparenten, weniger purulenten Ausfluss bei Männern auf, bei Frauen ein eher diskreter Fluor. Als Akutkomplikationen sind Adnexitis und Endometritis (pelvic inflammatory disease) beziehungsweise Prostatitis und Epididymitis nicht selten. Konjunktivitiden werden im Rahmen einer reaktiven Arthritis (Reiter-Syndrom) oder nach direkter Inokulation (Schwimmbadkonjunktivitis) beobachtet. Bei Infektionsverdacht beruht die Labordiagnostik im Wesentlichen auf dem Erregernachweis mittels Nukleinsäureamplifikationstechnik (NAT) in Abstrichmaterial oder Urin. Von grosser Wichtigkeit ist dabei die Probengewinnung. Abstriche aus Zervix oder Urethra müssen Epithelzellen enthalten, da sich der Erreger im Zytoplasma der betroffenen Zellen befindet. Optimal ist die erste Portion des Morgenurins (Erststrahl, 20–30 ml). Als Therapie eignet sich die Einmalgabe von 1 g Azithromycin oder Doxycyclin 2 × 100 mg über zehn Tage. Die Trichomoniasis (Erreger: Trichomonas vaginalis) kann ebenfalls die Ursache eines übelriechenden weisslichen Ausflusses sein. Neben der Kolpitis können Trichomonaden auch zu einer Zervizitis beziehungsweise zu Balanitis und Urethritis führen, allerdings bleiben die meisten Infektionen asymptomatisch. Auch die Trichomoniasis erhöht die Gefahr einer HIV-Übertragung. Die Diagnostik erfolgt durch mikroskopischen Nachweis des Flagellaten im Nativpräparat, durch die Kultur (hierzu sollten spezielle Transport-/Kulturmedien verwendet werden) oder durch den Nachweis erregerspezifischer Nukleinsäuren mittels NAT. Die Therapie: Metronidazol (2 g als Einmaldosis oder 3 × 250 mg über sieben Tage) oder Tinidazol.
Nicht selten führen erst die Komplikationen zur Diagnose: Bei Monoarthritis, Epididymitis und Salpingitis sollte immer auch an eine Infektion mit N. gonorrhoeae gedacht werden. Auch die durch Chlamydia trachomatis (Ct) Serotyp D–K
2. Erkrankungen mit Ulzerationen und Lymphadenopathie (Tabelle 2) Die Inzidenz der Syphilis (Lues) stieg zwischen 2001 und 2004 steil an. Seitdem werden dem Robert-Koch-Institut jährlich rund 3000 Fälle gemeldet. (Auch in der Schweiz ist
Tabelle 1:
STI mit Leitsymptom vaginaler oder urethraler Ausfluss
Erreger
Gonorrhö
nichtgonorrhoische Urethritis
nichtgonorrhoische Urethritis
nichtgonorrhoische Urethritis
Neisseria gonorrhoeae
Chlamydia trachomatis Serotyp D–K
Trichomoniasis (Trichomonas vaginalis)
Ureaplasma urealyticum, Mykoplasmen
Symptome
eitriger Ausfluss, Urethritis, Prostatitis, Proktitis, Salpingitis Urethritis, Zervizitis, transparenter Ausfluss, Adnexitis Endometritis übelriechender weisslicher Ausfluss
eitriger Ausfluss, Urethritis, Epididymitis, Prostatitis, Pyelonephritis
Diagnostik
Therapie
Abstrich, Mikroskopie, PCR 250 mg i.m. Einmaldosis NAT aus Abstrich oder Urin
Mikroskopie, Kultur, Enzym-Immunoassay
Cefixim 400 mg, Ceftriaxon
Azithromycin 1 g Einmaldosis, Doxycyclin 2 × 100 mg über 10 Tage Metronidazol 2 g als Einmaldosis
Kultur auf Spezialnährböden
Clarithromycin 2 × 500 mg über 14 Tage, Azithromycin 500 mg über 14 Tage
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Abbildung Dr. med. Albrecht Ulmer
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Abbildung 3: Makulopapulöses Exanthem bei Lues im Stadium 2
ein Anstieg zu verzeichnen. So werden dem BAG jährlich rund 350 Fälle gemeldet. – Red.) In 80 bis 90 Prozent der Fälle sind Männer, die Sex mit Männern haben, betroffen. Die Syphilis wird durch den Erreger Treponema pallidum subsp. pallidum (T. pallidum) hervorgerufen und verläuft klassischerweise in Stadien. Als Frühsyphilis wird das Primär-, das Sekundär- und das frühe Latenzstadium (Erkrankungsdauer: über ein Jahr) bezeichnet. In der Phase der Spätsyphilis kommt es nicht selten zu neuropsychiatrischen Symptomen, die sich in zunehmender Vergesslichkeit bis hin zur Demenz, in Antriebsstörungen, Ataxien und sensomotorischen Störungen äussern können. Auch bei Sehstörungen sollte bei Vorliegen von Risikofaktoren die Syphilis als mögliche Ursache ausgeschlossen werden. Die Aortitis, die zum Aneurysma dissecans führen kann, ist eine weitere mögliche Spätkomplikation. Im Primärstadium findet man nicht selten eine rötliche, schmerzlose Papel («harter Schanker»), seltener das klassische Ulkus im Genitalbereich, am häufigsten auf der Glans, seltener anal oder oropharyngeal. Eine schmerzlose regionale Lymphadenopathie ist ebenfalls typisch. Drei bis sechs Wochen später heilen diese Läsionen spontan ab.
Nach einer variablen Latenz von zwei Wochen bis sechs Monaten folgt häufig ein generalisiertes makulopapulöses Exanthem (Abbildung 3), was bei Befall der Hände und Fusssohlen pathognomisch auf die Syphilis hinweist, ansonsten aber auch öfter als Röschenflechte (Pityriasis rosea) fehlinterpretiert wird. Die Diagnose kann im Primärstadium durch den Nachweis von Treponema pallidum mittels NAT aus Ulkussekret gestellt werden. Ein Abstrich sollte bei Vorliegen einer Ulzeration immer erfolgen, da im frühen Primärstadium die Serologie noch negativ sein kann. Diese sollte bei negativem Ergebnis nach zwei bis drei Wochen wiederholt werden. Ein positives Ergebnis im Suchtest (Trepona-pallidum-Partikel Agglutinationstest = TPPA) wird mit dem FTA-ABS (Fluoreszenz-Treponema-pallidum-Ak-Absorptionstest) bestätigt. Die Therapie der Syphilis ist abhängig vom klinischen Stadium. Die Frühsyphilis kann mit einer Einmaldosis von 2,4 Mio. IE Benzylpenicillin-Benzathin i.m. (jeweils 1,2 Mio. IE in den linken und rechten M. glutaeus medius) behandelt werden. Bei HIV-positiven Patienten ist aus unserer Sicht die dreimalige Gabe im Abstand von jeweils einer Woche sicherer. Im Primärstadium ist bei Penizillinallergie die Gabe von Doxycyclin 200 mg per os über 14 Tage möglich. Bei der Spätsyphilis, insbesondere bei der Neurosyphilis, sollte die Therapie intravenös mit Benzylpenicillin 24 bis 30 Mio. IE täglich verteilt auf drei bis sechs Einzeldosen mindestens 14 Tage lang durchgeführt werden. Ceftriaxon i.v. (2 g tgl. über 14 Tage, am ersten Tag 4 g) stellt eine Alternative dar. Herpes genitalis ist die häufigste ulzerative STI. Die klassische Zuordnung Herpes simplex virus (HSV)-1 = Herpes labialis und HSV-2 = Herpes genitalis ist so nicht mehr gültig, da eine Vielzahl der diagnostizierten HSV-Erstinfektionen im Genitalbereich heute durch HSV-1 bedingt sind. Bei jungen Erwachsenen in Deutschland beträgt die Seroprävalenz für HSV-1 60 bis 70 Prozent und für HSV-2 11 bis 15 Prozent. (In der Schweiz tragen laut BAG 70% der Bevölkerung HSV1 und 20% HSV-2. –Red.) Bei Personen mit Risikofaktoren erreicht die Durchseuchung mit HSV-2 etwa 50 bis 80 Prozent. Die Infektion wird meistens durch latent infizierte Sexualpartner, die das Virus asymptomatisch ausscheiden,
Tabelle 2:
STI mit Leitsymptom Ulzeration und Lymphadenopathie
Herpes genitalis
Syphilis Lymphogranuloma inguinale Ulcus molle
Granuloma inguinale
Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2
Treponema pallidum
Chlamydia trachomatis L1–L3
Haemophilus ducreyi
Calymmatobacterium inguinale
einzelne oder gruppierte schmerzhafte Bläschen
schmerzloses induriertes Ulkus oder Papel Ulkus, Papel, schmerzhafte Lymphknotenschwellung mit Perforation schmerzlose Papel oder Ulkus mit weichem Rand
multiple schmerzlose ulzerierende Knötchen
Erregernachweis mittels NAT
Serologie, PCR aus Ulkussekret NAT nach Abstrich
Kultur auf Spezialnährböden, NAT
Kultur auf Spezialnährböden
Aciclovir 3 × 400 mg, Famciclovir 3 × 250 mg, Valaciclovir 2 × 1 g 7–10 Tage nach klinischem Stadium (vgl.Text) Doxycyclin 2 × 100 mg für 21 Tage
Erythromycin 2 × 500 mg über 7 Tage, Azithromycin 1 g Einmaldosis Doxycyclin 2 × 100 mg für 21 Tage
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Abbildung Dr. med. Albrecht Ulmer
Abbildung 4: Kaposi-Sarkom
erworben. Die Inkubationszeit beträgt zwei Tage bis zwei Wochen. Die (exogene) Primärinfektion verläuft in der Mehrzahl der Fälle symptomlos, kann aber auch zu erythematösen Schwellungen im Bereich der Genitalien, zu gruppierten schmerzhaften Bläschen und Ulzerationen, verbunden mit einer schmerzhaften Lymphadenopathie und Allgemeinsymptomen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und Abgeschlagenheit führen. Die (endogenen) Rezidiverkrankungen sind in der Regel weniger symptomatisch, können aber ebenfalls juckende und brennende Schmerzen verursachen. Das Risiko, eine HIV-Infektion zu akquirieren, ist auch bei asymptomatischem Herpes genitalis erhöht. Die Diagnose wird durch den Erregernachweis aus dem Ulkus oder den Bläschen gesichert. Die Abstriche sollen in einem speziellen Virustransportmedium oder in steriler physiologischer NaCl-Lösung gekühlt transportiert werden. Die Virusanzucht in Zellkulturen oder der Nachweis mittels NAT weisen eine zufriedenstellende beziehungsweise hohe Sensitivität auf und erlauben auch eine Differenzierung zwischen HSV-1 und HSV-2. Die antiviralen Therapeutika (Aciclovir 3 × 400 mg, Famciclovir 3 × 250 mg, Valaciclovir 2 × 1 g, Therapiedauer 7 bis 10 Tage) unterscheiden sich nicht wesentlich in ihrer Wirksamkeit, entscheidend ist ein möglichst früher Therapiebeginn. Bei häufig rekurrierenden oder persistierenden Bläschen kann eine dauerhafte Suppressionstherapie (beispielsweise mit Aciclovir 2 × 400 mg) notwendig werden. Ein Syphilis-ähnlicher Primäraffekt in Form einer schmerzlosen Papel im Anal- oder Genitalbereich kann auch das erste Symptom eines Lymphogranuloma inguinale (LGV) sein. Das LGV wird durch Chlamydia trachomatis der Serotypen L 1 L3 verursacht. 2004 und 2005 kam es zu Ausbrüchen in vielen europäischen Grossstädten, unter anderem auch in Hamburg, Dresden und München. Betroffen waren fast aus-
schliesslich Männer, die Sex mit Männern haben. Auch bei der LGV kommt es zu regionalen Lymphadenopathien, die im Gegensatz zur Syphilis schmerzhaft sind und im weiteren Verlauf aufbrechen und ein mukopurulentes Sekret entleeren können. Eine unbehandelte LGV kann auch zu einer chronischen Kolo-Proktitis mit blutig eitriger Diarrhö, Abszessen und Fisteln führen. Die Diagnostik erfolgt wie bei der Chlamydien-Urethritis beschrieben. Der klinische Verdacht auf LGV sollte dem Labor dringend mitgeteilt werden, da sich bei positivem PCR-Nachweis von Chlamydien eine Genotypisierung in einem spezialisierten Labor anschliessen sollte. Zur Behandlung der LGV eignet sich Doxycyclin 2 × 100 mg für 21 Tage. Ulcus molle (engl. Chancroid), eine in Deutschland extrem selten auftretende STI, wird durch Haemophilus ducreyi verursacht und meistens in den Tropen oder in den USA erworben. Nach drei bis sieben Tagen Inkubationszeit treten einzelne oder gruppierte schmerzlose Papeln im Genitalbereich auf, aus denen sich ulzerierende Pusteln mit typischen, erhabenen, aber nicht indurierten Wundrändern («weicher Schanker») entwickeln. Der Wundgrund ist meistens eitrig oder nekrotisch belegt und kann leicht bluten. Meistens bestehen zusätzlich einseitige schmerzhafte Lymphadenopathien. Unbehandelt schmelzen diese Lymphknoten ein. Perforation und Eiterentleerung sind häufig. Der Erregernachweis durch Anzucht auf Spezialnährböden oder durch NAT ist spezialisierten Labors vorbehalten. Laut Therapieempfehlungen der Centers for Disease Control (CDC) in Atlanta ist Erythromycin 2 × 500 mg für sieben Tage, Ciprofloxacin 2 × 500 mg für drei Tage oder Azithromycin 1 g Einmaldosis geeignet. Der Vollständigkeit halber muss noch das Granuloma inguinale (Erreger: Calymmatobacterium inguinale) erwähnt werden, welches in tropischen Ländern endemisch vorkommt,
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meist durch multiple schmerzlose ulzerierende Knötchen im Genitalbereich auffällt und mit Azithromycin 1 g pro Woche bis zur Ausheilung behandelt wird.
3. STI mit Allgemeinsymptomen In dieser Gruppe finden sich Krankheiten, die nicht durch lokale urogenitale Symptome, sondern durch generalisierte Symptome auffallen. So fällt die akute Hepatitis B meist erst durch die Allgemeinsymptome Abgeschlagenheit, Fieber, Stuhlentfärbung, Durchfälle und Ikterus auf. In letzter Zeit kommt es auch vermehrt zur sexuellen Übertragung der Hepatitis C unter Männern, die Sex mit Männern haben. Die Hepatitis C tritt wesentlich häufiger asymptomatisch auf und chronifiziert wesentlich häufiger als die Hepatitis B. Leitsymptom ist eine meist isolierte Erhöhung der GPT als Zufallsbefund, beispielsweise bei Vorsorgeuntersuchungen. Unklare GPT-Erhöhungen sollten deshalb immer auch zu einer Abklärung einer Hepatitis B und C führen. Ebenso werden die Symptome einer HIV-Infektion gerade bei älteren heterosexuellen Menschen häufig verkannt. Dies hat eine deutliche Verschlechterung der Prognose für die Betroffenen zur Folge. Während bei einer frühzeitigen Diagnose und Behandlung einer HIV-Infektion inzwischen mit einer fast normalen Lebenserwartung zu rechnen ist, steigt die Gefahr der unter Umständen lebensbedrohlichen Früh- und Spätkomplikationen bei einer fortgeschrittenen Immunschwäche mit CD4-Zellen unter 200/ l deutlich an. Aus diesem Grund sollten Hausärzte eine HIV-Infektion als mögliche Differenzialdiagnose bei zahlreichen Symptomen, auch bei Patienten, die nicht den klassischen Risikogruppen angehören, frühzeitig berücksichtigen. Eine akute HIV-Infektion, die meist wenige Wochen nach der Übertragung einsetzt, kann mit hohem Fieber, Hautausschlag und oralen Ulzera einhergehen. Häufig besteht das klinische Bild einer infektiösen Mononukleose. Im weiteren Verlauf
der HIV-Infektionen können generalisierte Lymphknotenschwellungen, rezidivierender Herpes zoster und das KaposiSarkom (Abbildung 4) bereits relativ früh auftreten. Auch bei Patienten mit unspezifischen Symptomen wie gehäufte banale Infekte, ungewollte Gewichtsabnahme, chronische Abgeschlagenheit und Nachtschweiss sollte ein HIV-Test durchgeführt werden, ebenso bei Affektionen der Schleimhäute wie die orale Candidastomatitis oder die durch Epstein-Barr-Viren hervorgerufene Haarleukoplakie des Zungenrandes.
Die allgemeinärztlichen Aufgaben Die Aufgaben der Allgemeinärzte in Bezug auf STI liegen nach den Leitlinien der Deutschen STD-Gesellschaft im Bereich der Primärprävention, beispielsweise der Information, der Aufklärung sowie der Empfehlung und Durchführung von Impfungen gegen Hepatitis B (inzwischen Standardimpfung bei Kindern, auch als Indikationsimpfung für Menschen mit erhöhter Gefahr für STI) und HPV (generell empfohlen für Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren). Eine ebenso wichtige Aufgabe stellt die Sekundärprävention dar, also die möglichst frühe Diagnose und Therapie von STI, die nicht nur die Progression der Erkrankungen, sondern auch deren weitere Verbreitung verhindert. Als Tertiärprävention wird die Behandlung und Betreuung chronischer STI wie der HIV-Infektion oder der Hepatitis B bezeichnet, die häufig in Zusammenarbeit mit spezialisierten Kollegen erfolgt. ❖
Dr. med. Markus Müller Facharzt für Allgemeinmedizin, D-70197 Stuttgart
Interessenkonflikte: keine deklariert
Literatur unter www.allgemeinarzt-online.de/downloads
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 19/2011. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.
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