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STUDIE REFERIERT
Duloxetin lindert Fatiguesymptome bei Fibromyalgie
In einer Sekundäranalyse linderte Duloxetin verschiedene Symptome einer Fibromyalgie-assoziierten Fatigue innerhalb von 4 Wochen. Die Verbesserung der Befindlichkeit konnte über einen Zeitraum von 24 Wochen aufrechterhalten werden.
ARTHRITIS RESEARCH & THERAPY
Bei der Fibromyalgie handelt es sich um eine chronische Schmerzstörung, die beispielsweise in den USA etwa 5 Millionen Menschen und vorwiegend Frauen betrifft. Zusätzlich zu den Schmerzen in verschiedenen Bereichen des Körpers können Schlafstörungen, Depressionen und Ängste oder auch Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen zum Krankheitsbild gehören. Die Fatigue beeinträchtigt die Lebensqualität erheblich und wurde als eines der beeinträchtigendsten Symptome im Zusammenhang mit der Fibromyalgie identifiziert. Fibromyalgiepatienten berichten, dass ihre Fatigue nicht durch Schlaf oder Ausruhen gelindert werden kann. Vielmehr handelt es sich um eine physische Erschöpfung, die zu Antriebslosigkeit führt, sodass die Patienten Mühe haben, ihre Inaktivität zu überwinden und körperliche Aufgaben zu bewältigen. Symptome der Fibromyalgie wie Schmerzen, Steifheit,
Merksätze
❖ Mit dem MFI-Fragebogen können körperliche und mentale Aspekte der Fatigue detailliert gesondert erfasst werden.
❖ Duloxetin verbessert bei FibromyalgiePatienten die Symptome der Fatigue in allen Dimensionen des MFI-Fragebogens.
schlechter Schlaf und Depressionen tragen zur Entwicklung der Fatigue bei. In den USA sind Duloxetin (Cymbalta®), Pregabalin (Lyrica®) und Milnacipran (nicht im AK der Schweiz) als medikamentöse Optionen für das Management der Fibromyalgie zugelassen. In älteren Fibromyalgiestudien waren die Ergebnisse bezüglich der Wirksamkeit von Duloxetin im Vergleich zu Plazebo zur Verbesserung von FatigueSymptomen als sekundärem Endpunkt nicht konsistent. In zwei dieser Studien wurde die Fatigue mit Hilfe des MFIFragebogens (MFI = Multidimensional Fatigue Inventory) untersucht, der verschiedene Dimensionen der Fatigue anhand von fünf Skalen zur generellen Fatigue, zur mentalen Fatigue, zur physischen Fatigue sowie zu reduzierter Aktivität und zu reduzierter Motivation erfasst. In einer neuen Studie war eine Behandlung mit Duloxetin 60 bis 120 mg/Tag über 12 Wochen im Vergleich zu Plazebo mit einer signifikanten Verbesserung der Fatigue in allen MFI-Bereichen verbunden. Amerikanische Wissenschaftler untersuchten nun den sekundären Endpunkt der Fatigue in einer zweiphasigen Studie über 24 Wochen.
Methoden An der randomisierten multizentrischen doppelblinden plazebokontrollierten Studie über 24 Wochen nahmen ambulante Patienten ab 18 Jahren mit einer Fibromyalgie entsprechend der Definition des American College of Rheumatology teil. Das Ziel der Studie war die Bestätigung der Wirksamkeit von Duloxetin in einer flexiblen Dosierung von 60 bis 120 mg/Tag zur Verbesserung der Fibromyalgie nach Patientenauskunft. Das Ansprechen wurde als eine mindestens 50-prozentige Reduzierung des Schmerzes auf dem BPI-Fragebogen (BPI = Brief Pain Inventory) zum 24-Stunden-Durchschnittsschmerz definiert. In den Wochen 4 und 8 wurde in der Duloxetin-
Gruppe bei Nicht-Respondern die Dosis von 60 mg/Tag auf 90 mg/Tag erhöht. Bei Patienten, die auf 90 mg/Tag nicht ansprachen, wurde die Dosis in Woche 8 auf 120 mg/Tag erhöht. In der Anfangsphase von 12 Wochen erhielten 263 Patienten Duloxetin in einer Dosierung von 60 bis 120 mg/Tag, und 267 Teilnehmer erhielten Plazebo. In Woche 12 wurden die PlazeboPatienten für die Verlängerungsphase von weiteren 12 Wochen auf 60 mg/ Tag Duloxetin umgestellt (PlazeboDuloxetin). Patienten, die während der ersten 12 Wochen Duloxetin erhalten hatten, setzten ihre Einnahme fort (Duloxetin-Duloxetin). Art und Ausmass der Fatigue wurden zu Studienbeginn und anschliessend alle 4 Wochen anhand der MFI-Skalen evaluiert. Zu weiteren Untersuchungen im Zusammenhang mit der Fatigue gehörten der BPI-Durchschnittsschmerz sowie numerische Skalen zur Beurteilung von Ängsten, depressiven Störungen, Schlafstörungen und muskuloskeletalen Symptomen und der PGI-1-Fragebogen (Patient Global Impression of Improvement) zur subjektiven Beurteilung des Behandlungserfolgs. Behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse im Zusammenhang mit der Fatigue wurden ebenfalls untersucht. Die jeweiligen Veränderungen von Baseline zu Woche 12 und von Woche 12 zu Woche 24 wurden anhand verschiedener Modelle analysiert.
Ergebnisse Die meisten Teilnehmer waren Frauen (93,2% von 530) in mittlerem Alter (50,2 ± 11,1 Jahre). Bei 18 Prozent der Patienten lag eine komorbide Major Depression und bei etwa 5 Prozent eine komorbide generalisierte Angststörung vor. Zu Studienbeginn litten die Teilnehmer unter mittelgradig bis schweren Fatigue-Symptomen, mittleren bis starken Schmerzen sowie an muskuloskeletaler Steifheit und Schlafstörungen. In Woche 12 hatte Duloxetin die Ratings auf jeder MFI-Skala und auch die Skalenwerte bezüglich der BPI-Schmerzen, der Ängste, der depressiven Stimmungen und der Steifheit signifikant reduziert. Eine Verbesserung der Schlafstörungen wurde jedoch nur in den Wochen 4 und 8 beobachtet. Bis Woche 24 blieben bei den Patienten, die Duloxetin über 24 Wochen erhalten hatten
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(n = 176), die durchschnittlichen Verbesserungen in allen Bereichen erhalten. Insgesamt hatten 122 Patienten auf die Duloxetin-Dosis von 60 mg/Tag nicht angesprochen und wurden auf 90 mg/ Tag umgestellt. Patienten, die auf diese Dosis ansprachen (n = 59), verspürten eine weitere Verbesserung in allen Bereichen des MFI-Fragebogens. Patienten, deren Dosis von 90 mg/Tag auf 120 mg/Tag erhöht wurde (n = 63), bemerkten dagegen nur eine minimale Verbesserung ihrer Befindlichkeit. Nach der zwölfwöchigen Anfangsphase nahmen 363 Patienten an der Verlängerungsphase teil. Plazebobehandelte Patienten, die nach 12 Wochen auf Duloxetin umgestellt wurden, verspürten eine signifikante Verbesserung der physischen Fatigue in den Wochen 16, 20 und 24, der generellen Fatigue in den Wochen 20 und 24, der mentalen Fatigue in Woche 20 und eine Verbesserung des Aktivitätsniveaus in den Wochen 20 und 24. Ausserdem verbesserten sich bei den umgestellten Patienten die Skalenwerte im Hinblick auf den BPI-Schmerz, auf Ängste und auf depressive Stimmungen sowie auf Schlafstörungen und Steifheit. Im Hinblick auf unerwünschte Ereignisse gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Duloxetin (> 5%) gehörten Fatigue, Somnolenz und Insomnie.
Diskussion Die Behandlung der Fatigue ist zu einem wichtigen Bestandteil im Management der Fibromyalgie geworden, da dieses Erschöpfungssyndrom von den Patienten als massiv beeinträchtigend empfunden wird. Der MFI-Fragebogen ermöglicht eine detaillierte Erfassung der Fatigue und erlaubt zudem die Beurteilung der Wirksamkeit von Duloxetin im Hinblick auf die verschiedenen Dimensionen. In dieser Studie waren die MFI-Ratings zu Studienbeginn annähernd doppelt so hoch wie die der gesunden Normalbevölkerung in den USA, deren Ratings alle unter 9 lagen. Das Ausmass der Fatigue bei den Fibromyalgie-Patienten war klinisch signifikant, weil das MFIRating in jeder Dimension mehr als 3 Punkte höher lag als das gesunder Personen. Zudem bewegten sich die Ratings der Studienteilnehmer in der Grössenordnung anderer chronischer Schmerzerkrankungen wie chronischer Rückenschmerzen oder der von Krebspatienten, die Bestrahlungen erhalten. Die Behandlung mit Duloxetin verbesserte die Fatigue in allen MFI-Bereichen innerhalb von 4 Wochen, und die bessere Befindlichkeit konnte über 24 Wochen aufrechterhalten werden. Die Studienergebnisse weisen ausserdem darauf hin, dass das geringere Ausmass der Fatigue von ähnlicher Bedeutung sein könnte wie die Linderung der Schmerzen. Auch in älteren Unter-
suchungen wurde bereits ein Zusam-
menhang zwischen Fatigue und
Schmerzen vermutet. In der vorliegen-
den Studie war die Verbesserung der
Fatigue in allen MFI-Dimensionen bei
Schmerz-Respondern 2- bis 3-mal aus-
geprägter als bei Patienten, deren
Schmerzen nicht auf die Behandlung
mit Duloxetin ansprachen.
Im Rahmen der Ergebnisdiskussion
weisen die Autoren auch auf Limitie-
rungen ihrer Studie hin. Zum einen war
kein spezifischer Schwellenwert der
Schwere der Fatigue für die Aufnahme
in die Studie vorgegeben. Ausserdem
können die Ergebnisse nicht auf Patien-
ten mit psychiatrischen komorbiden
Störungen, komorbiden Schmerzstö-
rungen oder auf therapierefraktäre
Patienten oder behinderte Patienten
übertragen werden, da diese Personen-
gruppen von der Studienteilnahme aus-
geschlossen wurden. Schliesslich zeigen
die Ergebnisse keine eindeutigen Zu-
sammenhänge zwischen der Fatigue
und den anderen Symptomen der
Fibromyalgie. Hier sind weitere Stu-
dien erforderlich.
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Petra Stölting
Arnold Leslie M et al.: Improvement in multiple dimensions of fatigue in patients with fibromyalgia treated with duloxetine: secondary analysis of a randomized, placebo-controlled trial, Arthritis Research & Therapy 2011; 13: R86.
Interessenkonflikte: Einer der fünf Autoren hat Forschungsgelder von Eli Lilly and Company (USA) und anderen Pharmaunternehmen erhalten, die weiteren vier waren oder sind Angestellte bei Lilly USA.
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