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BERICHT
Atopische Dermatitis
Nachtkerzensamenöl kann Symptome trockener Haut lindern
Swiss Society of Paediatrics Jahresversammlung 2012 Luzern, 31. Mai bis 1. Juni 2012 Freie Mitteilung 3–3: Eng PA et al.: Prospective Clinical Trial analysing Efficacy and Safety of Evening Pimrose Oil (Epogam® 1000, Ze 358) in Patients with Atopic Dermatitis.
Studien zur Wirksamkeit von Nachtkerzensamenöl bei atopischer Dermatitis lieferten bis anhin heterogene Resultate. In einer kleinen Schweizer Studie zeigte sich nun, dass vor allem die trockenen Manifestationen unter Nachtkerzensamenöl zurückgehen.
RENATE BONIFER
In einer Studie führte die Einnahme von Nachtkerzensamenöl zu einem erhöhten Spiegel von ␥-Linolensäure im Plasma, und diese Erhöhung korrelierte gut mit einer Reduktion der klinischen Manifestationen der Neurodermitis, wie Dr. med. Peter A. Eng, Aarau und Luzern, an der diesjährigen SGP-Tagung in Luzern berichtete. ␥-Linolensäure ist für eine intakte Hautfunktion wichtig. Sie wird vom Organismus aus Linolensäure gebildet. Ein Teil der Patienten mit atopischer Dermatitis hat zu wenig ␥-Linolensäure, weil dieser Stoffwechselweg bei ihnen gestört ist.
Studiendesign In die Studie wurden 23 Patienten im Alter von 2 bis 45 Jahren aufgenommen, die seit mindestens 2 Jahren unter atopischer Dermatitis litten. Sie erhielten 12 Wochen lang je nach Alter 4 bis
6 Kapseln Epogam® 1000 Vegicaps soft® pro Tag. Dies entspricht einer täglichen Dosis von 320 bis 480 mg ␥-Linolensäure. Es gab keine Plazebogruppe. Die Untersuchungen erfolgten zu Beginn der Studie sowie nach 4 und nach 12 Wochen. Primäre Endpunkte waren eine Erhöhung der ␥-Linolensäure in Plasma und Erythrozyten sowie ein mindestens 25-prozentiger Rückgang des SCORAD (Score of Atopic Dermatitis). Sekundäre Endpunkte waren die Beurteilung der Symptome Juckreiz und Schlaflosigkeit durch den Patienten selbst sowie allfällige Nebenwirkungen inklusive gängiger Laborparameter wie Leberwerte und Blutbild. Finanziert wurde die Studie von der Schweizerischen Neurodermitisstiftung in Zusammenarbeit mit Zeller Medical AG, dem Hersteller von Epogam®.
Resultate Von den 23 Patienten begannen 21 die Behandlung. 14 Patienten waren bis zum Ende compliant und hielten sich 12 Wochen an das Studienprotokoll. Wie zu erwarten, stieg mit der Einnahme des Nachtkerzenöls die ␥-Linolensäure im Plasma der Patienten tatsächlich an, von durchschnittlich zirka 8 µg/ml auf zirka 16 µg/ml, wobei der grösste Teil des Anstiegs bereits nach 4 Wochen erreicht war. Im Gegenzug sank der SCORAD von durchschnittlich 29 auf 12 Punkte. Gemäss SCORAD spricht man bei 1 bis 25 Punkten von einer leichten und bei 26 bis 50 Punkten von einer mittelschweren Dermatitis. Sowohl der Anstieg des ␥-Linolensäurespiegels als auch dessen Korrelation mit dem Rückgang im SCORAD waren statistisch signifikant. Die Verbesserung im SCORAD zeigte sich insbesondere bei den Phänomenen trockener Haut. Keine statis-
tisch signifikante Verbesserung war bei den nässenden Manifestationen der Neurodermitis festzustellen. Nebenwirkungen traten bei 3 Patienten auf: Diarrhö, Bauchkrämpfe, Müdigkeit, Konzentrationsmangel und Hautjucken. Es ist bekannt, dass Nachtkerzenöl weichen Stuhl und Durchfall verursachen kann, aber «Nachtkerzenöl ist nicht toxisch», betonte Eng. Gemäss der Studiendefinition waren 60 bis 70 Prozent der Patienten klinische «Responder». Betrachtet man aber nur die subjektiven Kriterien Juckreiz und Schlaflosigkeit, welche die Patienten selbst mithilfe einer visuellen Analogskala angaben, so zeigte sich keine statistisch signifikante Wirksamkeit des Nachtkerzenöls. Peter A. Eng führte diesen Widerspruch zwischen objektiv wirksamer Therapie und subjektiv mangelndem Erfolgserlebnis auf die Erwartungshaltung der Patienten zurück: «Neurodermitispatienten verlangen Heilung. Sie wollen absolut beschwerdefrei sein, aber wir haben diesen Zauberstab leider nicht.»
Anwendungstipps
Auf Nachfrage bestätigte Eng, dass
man die Kapseln öffnen und das Öl
auch vermischt mit Brei oder einem
Getränk verabreichen darf. Von einer
Unterdosierung riet er ausdrücklich ab:
«Man muss hoch dosieren und das
Spektrum der empfohlenen Dosierung
nutzen.»
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Renate Bonifer
1062 ARS MEDICI 20 ■ 2012