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STUDIE REFERIERT
Neuer Cochrane-Review zur Hormontherapie bei Frauen
Mit einer Hormontherapie können menopausale Beschwerden gelindert werden. Sie ist jedoch mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, Schlaganfälle, venöse Thromboembolien, Gallenblasenerkrankungen und Brustkrebs verbunden. Der einzige klinische Nutzen besteht in der Senkung des Frakturrisikos.
THE COCHRANE LIBRARY
Bei den meisten Frauen erfolgt der Übergang aus der mehrjährigen Perimenopause in die Menopause im Alter von Anfang 50. Die Menopause gilt als eingetreten, wenn die Menstruation zwölf Monate lang ausgeblieben ist. Viele perimenopausale und postmenopausale Frauen klagen über Beschwerden wie Hitzewallungen und Scheidentrockenheit, die vermutlich auf die absinkenden Östrogenspiegel zurückzuführen sind. Die Symptome schwanken in ihrer Schwere und variieren erheblich zwischen den einzelnen Frauen. Die Dauer der Hitzewallungen ist sehr unterschiedlich. Die meisten Frauen geben 2 Monate bis 2 Jahre an, aus Longitudinalstudien geht jedoch her-
Merksätze
❖ Die Hormontherapie (HT) dient der Kontrolle menopausaler Beschwerden.
❖ Zum Management oder zur Prävention anderer Erkrankungen ist die HT nicht geeignet.
❖ Eine Senkung des Frakturrisikos ist der einzige klinische Nutzen.
vor, dass die Zeitspanne vom Auftreten bis zum Ende der Hitzewallungen oft beträchtlich länger ist. Eine Hormontherapie (HT) dient vor allem der Kontrolle menopausaler Symptome. Bei älteren Frauen wurde sie jedoch auch für das Management und zur Prävention chronischer Krankheiten wie kardiovaskulären Erkrankungen, Osteoporose oder Demenz eingesetzt. In einem aktualisierten Cochrane-Review wurden jetzt die Auswirkungen einer ein- oder mehrjährigen HT auf Mortalität, kardiovaskuläre Outcomes, Krebserkrankungen, Gallenblasenerkrankungen und Frakturen sowie auf Kognition und Lebensqualität bei peri- und postmenopausalen Frauen während und nach Beendigung einer HT evaluiert. Die HT wird entweder mit Östrogen allein oder in Kombination mit Progesteron durchgeführt. Entsprechende Präparate stehen in einer grossen Bandbreite von Zusammensetzungen und Dosierungen zur Verfügung und können oral, vaginal oder intranasal sowie als Implantat, Hautpflaster, Creme oder Gel appliziert werden. Die klinischen Auswirkungen variieren entsprechend der Art und der Dauert der HT.
Ergebnisse In den Cochrane-Review wurden 23 Studien mit insgesamt 42 830 Frauen eingeschlossen. Die evaluierten Daten stammen jedoch zu 70 Prozent aus zwei Studien. Dabei handelt es sich um die WHI-Studie (Women’s Health Initiative) von 1998 und die HERS (Heart and Estrogen/Progestin Replacement Study), die ebenfalls aus dem Jahr 1998 stammt. Die meisten Teilnehmerinnen waren weisse Amerikanerinnen mit Komorbiditäten und einem durchschnittlichen Alter von über 60 Jahren. Keine der Studien konzentrierte sich auf perimenopausale Frauen.
Die kombinierte HT erhöhte bei relativ gesunden Frauen (guter Allgemeinzustand, keine offensichtlichen Erkrankungszeichen) signifikant das Risiko (AR = absolutes Risiko) für ❖ koronare Ereignisse nach 1 Jahr:
AR = 4/1000, 95%-KI: 3–7 ❖ venöse Thromboembolien
nach 1 Jahr: AR = 7/1000, 95%-KI: 4–11 ❖ Schlaganfall nach 3 Jahren: AR = 18/1000, 95%-KI: 14–23 ❖ Brustkrebs nach 5,6 Jahren: AR = 23/1000, 95%-KI: 19–29 ❖ Gallenerkrankungen nach 5,6 Jahren: AR = 27/1000, 95%-KI: 21–34 ❖ Tod aufgrund einer Lungenkrebserkrankung nach 5,6 Jahren plus 2,4 zusätzlichen Jahren Follow-up: AR = 9/1000, 95%-KI: 6–13. Die Östrogenmonotherapie erhöhte signifikant das Risiko für ❖ venöse Thromboembolien nach 1 bis 2 Jahren: AR = 5/1000, 95%-KI: 2–10 ❖ venöse Thromboembolien nach 7 Jahren: AR = 21/1000, 95%-KI: 16–28 ❖ Schlaganfall nach 7 Jahren: AR = 32/1000, 95%-KI: 25–40 ❖ Gallenblasenerkrankungen nach 7 Jahren: AR = 45/1000, 95%-KI: 36–57.
Die Östrogenmonotherapie war jedoch nicht mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko verbunden. Bei relativ gesunden Frauen über 65 Jahren erhöhte die kombinierte HT nach 4 Behandlungsjahren signifikant die Inzidenz der Demenz. Bei Frauen mit kardiovaskulärer Erkrankung führte die kombinierte HT zu einem signifikant erhöhten Risiko für venösen Thromboembolismus. Unter allen Formen der HT wurde eine signifikant reduzierte Inzidenz an Frakturen beobachtet (nach 5,6 Jahren kombinierter HT: AR = 86/1000, 95%KI 79–84; nach 7,1 Jahren Östrogenmonotherapie: AR = 102/1000, 95%KI 91–112). Das Frakturrisiko war somit das einzige Outcome mit ausgeprägter Evidenz für einen klinischen Nutzen der HT. Im Hinblick auf das Darmkrebsrisiko lag keine ausreichende Evidenz zur Beurteilung der Auswirkungen einer HT vor. In einer plazebokontrollierten Studie wurde eine Untergruppe relativ gesun-
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der Frauen im Alter zwischen 50 und 59 Jahren analysiert, von denen 2839 eine kombinierte HT und 1637 eine Östrogenmonotherapie erhalten hatten. In dieser Altersgruppe war das Risiko für venöse Thromboembolien als einziges signifikant erhöht. Allerdings war das absolute Risiko mit 1/5000 gering. Weitere Risikodifferenzen können nicht ausgeschlossen werden, waren jedoch im Rahmen dieser Studie nicht ermittelbar.
Fazit der Autoren Insgesamt kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Hormonersatz-
therapie weder zur Primär- oder Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen oder Demenz noch zur Prävention der Abnahme kognitiver Funktionen bei postmenopausalen Frauen geeignet ist. Obwohl die HT als wirksam zur Prävention der postmenopausalen Osteoporose erachtet wird, wird sie meist nur als Option für Frauen mit signifikantem Osteoporoserisiko empfohlen, für die andere Behandlungsoptionen nicht geeignet sind. Zur Evaluierung des Risikos einer langfristigen HT bei postmenopausalen Frauen unter 50 Jahren liegen keine ausreichenden Daten vor.
Die HT ist zwar mit einer Reduzierung des Frakturrisikos verbunden, allerdings erst nach einer Behandlungsdauer von 5 bis 6 Jahren. Das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse ist unter der kombinierten HT jedoch bereits im ersten Behandlungsjahr am höchsten.❖
Petra Stölting
Quelle: Jane Marjorikans et al.: Long term hormone therapy for perimenopausal and postmenopausal women. Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, Issue 7. Art. No.: CD004143, DOI:10.1002/14651858.CD004143. pub4.
Interessenkonflikte: keine deklariert
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