Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Die, die früher die «Bravo» lasen und Rat bei Dr. Sommer suchten (der übrigens kürzlich sein 50-Jahr-Jubiläum feierte – Gratulation!), lesen heute den «Drogistenstern» oder einen Apothekenratgeber und suchen Rat beim Kollegen Urologe oder beim Kollegen Rheumatologe.
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Ein deutscher Kollege, ziemlich erschöpft vom Lesen deutscher Zeitungen und vom Anschauen und Anhören deutscher Talkshows: «Wenn man bedenkt, was für Leute in Deutschland Politik betreiben, muss man froh sein, dass ‹der Wendler› nur Musik macht.» (Sie kennen Michael Wendler, oder? Schlagersänger vom Typ «Sie liebt den DJ».)
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Und ein anderer: Was in Deutschland bleibt, ist rabenschwarzer Humor. Denn der, der sagte: «Man kann doch nicht einfach eine Mehrheit entscheiden lassen, wenn eine moralisch höherwertige Minderheit anderer Meinung ist», meinte es ernst.
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Deutschland 2020 ist es die Forderung der Extremen, sich als liberale Bürger der Mitte endlich einer Seite zuzuordnen.
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Immerhin, auch in Deutschland gilt: Es ist egal, ob die Katze weiss ist oder schwarz – Hauptsache, sie fängt Mäuse.
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Neuester Trick zum Abnehmen: Man muss den Körper verblüffen. Austricksen, überrumpeln, verwirren. Wie? Indem man ihn jeden Morgen mit einer neuen Diät überrascht. Der Körper soll nie wissen, ob er heute was zu essen bekommt und falls ja, was. Begründung: Das war in der Steinzeit auch so. Mal gab’s Murmeltierbraten, mal nichts. Der Körper sei schlau, argumentieren die Verwirr-Diätetiker. Wenn wir regelmässig ässen, stelle sich der Körper – schlau wie er ist – darauf ein und verwerte die Nahrung optimal. Ein jeden Tag neu verdatterter Stoffwechsel hingegen fange an zu stottern und baue aus den zugeführten Kalorien weniger Fett auf. Ob das stimmt und Erfolg hat? Keine Ahnung. Bücher darüber lassen sich jedenfalls erfolgreich verkaufen.
(«There’s no crime of passion worth a crime of fashion»), sang die US-Countrysängerin Brandy Clark (2013). Weil, so singt sie, man nicht gut aussehe in der typisch amerikanischen Gefängniskluft: entweder oranger Overall (kennt man z. B. aus Guantanamo) oder Querstreifen: «I don’t look good in orange and I hate stripes.»
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Gute Frage eines Nachbarn: Wenn es universelle Menschenrechte gibt, gibt es dann auch universelle Menschenpflichten? (Anmerkung: Die gibt’s tatsächlich, sie interessieren – aus verständlichen Gründen – einfach niemanden. Immerhin hat Helmut Schmidt [ja, DER Helmut Schmidt] 1997 bei Piper ein Büchlein herausgegeben mit dem Titel «Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten. Ein Vorschlag».)
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Und das meint Walti: Man sollte mit Hunden besser nicht um Fundstücke streiten. Sie wissen es immer besser.
Richard Altorfer
Aber es geht noch zynischer! Noch ein deutscher Kollege, sinngemäss: «Auswandern ist der verzweifelte Selbstheilungsversuch der Insassen einer Freiluft-Irrenanstalt namens Deutschland. Leider sorgt die Klinikleitung selbst für anhaltenden Nachschub an Selbstheilungsbedürftigen.»
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Einige Europäer haben den Brexit nicht verwunden. Auch ein paar Bayern nicht. Sie fordern per Petition, der berühmte «Englische Garten» in München solle umbenannt werden in «Europäischer Garten». Na ja, bald ist 1. April.
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Und die Publizistin Annabel Schunke meint: «Haltung zeigen» sollte eigentlich der Schlachtruf der bürgerlichen Zi-
vilgesellschaft sein, sich den Extremen
aller Couleur entgegenzustellen. Im
Haben Sie etwas übrig für Countrymusik? Man mag es nicht denken, aber die können durchaus humorvoll sein.
Beispiel: Kein Verbrechen aus Leiden-
schaft sei ein Modeverbrechen wert
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ARS MEDICI 5 | 2020