Transkript
BERICHT
Rheumatoide Arthritis und Kinderwunsch
Geplante Schwangerschaft senkt Risiko
Rheuma Top Symposium für die Praxis 23./24. August in Pfäffikon
Junge Frauen mit rheumatoider Arthritis (RA) sind oft unsicher, wie sie die Familienplanung in Angriff nehmen sollen. Was gilt es zu beachten, welche Basistherapeutika sind erlaubt, wie wirken sich Biologika aus, und – ganz entscheidend – wie kann man das Ungeborene vor Schäden bewahren? Beim Rheuma Top 2012 lieferte Prof. Dr. Monika Oestensen, Farsund (Norwegen), wichtige Hintergrundinformationen zur «Schwangerschaft trotz RA», und Prof. Dr. Diego Kyburz, Rheumaklinik, USZ, ergänzte die Thematik anhand einer Kasuistik aus seiner Praxis.
RENATE WEBER
In der Altersgruppe der Frauen zwischen 20 und 45 Jahren entwickelt sich bei etwa 3 Prozent eine entzündliche
rheumatische Erkrankung. In Mitteleuropa dominieren zahlenmässig die RA, die ankylosierende Spondylitis und der systemische Lupus erythematodes, erklärte Prof. Oestensen. Sie erwähnte eine Reihe von Parametern, die für den Verlauf der Schwangerschaft von Bedeutung sind. Dazu zählen neben den Gelenksymptomen vor allem das Ausmass der Organbeteiligung, der Nachweis von Autoantikörpern und die Art der Therapie. Bei hoher Krankheitsaktivität während der Schwangerschaft und progredientem Organschaden besteht ein erhebliches Risiko für die Mutter und das Kind.
Vergleichsweise günstiger Schwangerschaftsverlauf bei RA Bei rheumatischen Erkrankungen, die sich weitgehend auf die Gelenke beschränken und bei denen keine Autoantikörper (oder nur in geringen Mengen) vorkommen, kann ein weitgehend komplikationsloser Schwangerschaftsverlauf ohne Risiken für Mutter und Kind erwartet werden, erklärte die Expertin. De facto berichten zwischen 50 und 75 Prozent der RA-Patientinnen über eine deutliche Besserung der Krankheit während der Schwangerschaft. Allerdings muss postpartal mit einem Krankheitsschub gerechnet werden, weshalb in dieser Phase ein
engmaschiges Monitoring empfohlen wird. Hinsichtlich der während der Schwangerschaft erlaubten Medikamente waren sich die beiden Experten einig. Während der Schwangerschaft erlaubt sind die folgenden Wirkstoffe: ❖ Hydroxychloroquin ❖ Sulfasalazin ❖ Azathioprin ❖ Cyclosporin ❖ Prednison ❖ NSAR (bis zum Ende des 2. Trime-
nons).
Alle anderen Basismedikamente müssen abgesetzt werden. Zu den TNFHemmern liegen Expertenmeinungen vor, so Prof. Kyburz, die eine Einnahme bis zum positiven Schwangerschaftstest für vertretbar halten.
Schwangerschaft mit RA – eine Kasuistik Prof. Kyburz schilderte den Fall einer RA-Patientin mit Kinderwunsch (Kasten) und verwies auf die während der Schwangerschaft häufig verminderte entzündliche Aktivität der RA – häufig folgt ein postpartales Rezidiv. Ist während der Schwangerschaft eine Basistherapie erforderlich, sollten Medikamente eingesetzt werden, für die eine ausreichende Datenlage besteht.
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Kasten:
Patientin, 30-jährig, mit RA seit 01/2010
❖ RF-negativ, Anti-CCP-positiv ❖ Basistherapie mit MTX seit
11/2010 ❖ Hydroxychloroquin seit 01/2011 ❖ Sulfasalazin seit 03/2011 ❖ Es besteht Kinderwunsch,
daher wird MTX abgesetzt (12/2011)
Erstkonsultation bei Prof. Kyburz 03/2012 Die Patientin klagt über Schmerzen in beiden Handgelenken sowie über Nackenschmerzen, die seit Januar 2012 bestehen. Es zeigen sich eine Synovitis im Handgelenk rechts und eine beidseitige Druckdolenz. Ausserdem gibt die Patientin Endphasenschmerzen bei HWS-Bewegungen an. Das CRP ist erhöht, bei einer BSR von 12 mm/h. Es stellt sich die Frage: Wie kann man diese Patientin mit zunehmenden Gelenkbeschwerden – trotz SSZ und HCQ – und neu aufgetretenem entzündlichem HWS-Befall (im MRI nachgewiesen) vor dem Hintergrund des Kinderwunsches weiterbehandeln? Dr. Kyburz wies darauf hin, dass die Datenlage zur Basistherapie während der Schwangerschaft ungenügend ist. Heute hat man folgende Erkenntnisse im Hinblick auf den Einsatz von Rheumamedikamenten in der Schwangerschaft: ❖ Hydroxychloroquin: Bei einer Dosis
bis 400 mg/Tag bestehen keine Hinweise für ein maternales oder fötales Risiko. ❖ Sulfasalazin: Eine Dosis von 2 g/Tag sollte nicht überschritten werden; da es sich bei SSZ um einen Folsäureantagonisten handelt, ist auf eine entsprechende Supplementierung der werdenden Mutter zu achten.
❖ Steroide: Prednison ist als das einzige rasch wirkende Medikament in der Schwangerschaft erlaubt, wobei die Dosierung dem Schweregrad der Erkrankung angepasst wird. Da im ersten Trimester das Risiko für die Entwicklung einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte geringfügig erhöht ist, sollte die Dosierung in den ersten 3 Monaten 15 mg/Tag möglichst nicht überschreiten.
❖ NSAR sind ab der 32. Schwangerschaftswoche kontraindiziert; es besteht das Risiko für eine Konstriktion des Ductus arteriosus und für fötale Nierenfunktionsstörungen.
❖ Azathioprin gilt als nicht teratogen, wenn eine maximale Dosis von 2 mg/ kg/Tag nicht überschritten wird; bei höherer Dosis sind Hämatopoesestörungen möglich.
❖ Cyclosporin wird als nicht teratogen eingestuft und kommt in einer Dosis von 2,5 bis 5 mg/kg/Tag infrage, erklärte Prof. Kyburz.
❖ MTX und Leflunomid sind bei Schwangeren absolut kontraindiziert, wobei die Teratogenität von Leflunomid bisher nur tierexperimentell nachgewiesen wurde. Aufgrund der extrem langen Halbwertszeit von Leflunomid wird es bei geplanter Schwangerschaft abgesetzt; empfohlen wird eine Auswaschtherapie mit Colestyramin (3-mal 8 g/Tag über 11 Tage).
Biologika während der Schwangerschaft? Bei TNF-Blockern muss nach der 16. Woche mit einer transplazentaren Passage gerechnet werden, daher empfiehlt das «Kompendium» ein Absetzen bereits bei geplanter Schwangerschaft. Die Expertenmeinung ist weniger restriktiv: TNF-Blocker sollten bei positivem Schwangerschaftstest nicht weiter eingenommen werden. Wie sieht der Erfahrungshintergrund mit Biologika aus?
Insgesamt wurde über mehr als 750 Schwangerschaften unter Therapie mit TNF-Blockern berichtet. Es wurde keine erhöhte Rate an Missbildungen bei den Kindern gefunden. Die monoklonalen Antikörper Infliximab, Adalimumab und Golimumab sowie der lösliche TNF-Rezeptor Etanercept sollten nach der 30. Schwangerschaftswoche nicht mehr gegeben werden, da ein aktiver Transport zum Kind stattfindet. Dies kann das Infektionsrisiko beim Neugeborenen erhöhen. Rituximab kann im 2. und 3. Trimenon zu einer B-Zell-Depletion beim Föten führen. Für Tocilizumab liegen keine Daten zum Einsatz während einer Schwangerschaft vor; im Tierexperiment zeigte sich kein teratogener Effekt. Abatacept sollte 3 Monate vor der Konzeption abgesetzt werden, da im Tierversuch eine gestörte neonatale Immunantwort beobachtet wurde.
Fazit von Prof. Kyburz für die Praxis:
❖ Man sollte versuchen, bereits vor Be-
ginn der Schwangerschaft eine mög-
lichst gute Suppression der entzünd-
lichen Aktivität zu erreichen.
❖ Die erwähnten Basistherapeutika
können eingesetzt werden.
❖ Bei ungenügender Krankheitskon-
trolle unter der konventionellen Ba-
sismedikation kann man einen TNF-
Hemmer bis zum Nachweis der
Schwangerschaft geben.
❖ Während der Schwangerschaft kann
Prednison gegeben werden; die Do-
sierung orientiert sich an der Krank-
heitsaktivität.
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Renate Weber
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