Transkript
EDITORIAL
Schwerpunkt: Vorsorge in der Frauenarztpraxis
D ie Früherkennung einer (Karzinom-)Erkrankung liegt im Interesse der Patientin, zumal bei zeitlich vorverlegter Diagnose eine Krankheit gewöhnlich erfolgreicher therapiert werden kann und die Belastung für die Betroffene weniger ausgeprägt ist als bei einer Diagnose im fortgeschrittenen Stadium. Eine häufige Krankheit, welche durch einen progredienten Verlauf mit schwerwiegenden Folgen charakterisiert ist, eignet sich für ein Screening – sofern dazu ein geeignetes Verfahren besteht. Effektivität und Wirksamkeit, Nachteile und Kosten sowie zahlreiche andere Kriterien definieren, ob ein Screeningverfahren als sinnvoll erachtet werden kann oder nicht. Beratung und Durchführung von Vorsorgeuntersuchungen kennzeichnen den Alltag in der Frauenarztpraxis.
Screening in der Frauenarztpraxis
Zervixscreening ist bestes Beispiel für Effizienz Am Beispiel der Zervixkarzinomvorsorge lässt sich aufzeigen, dass dieser Aufwand mehr als gerechtfertigt ist: In der Tat kann keine andere Karzinomerkrankung durch eine Vorsorgeuntersuchung so effektiv verhindert werden wie das Zervixkarzinom. Durch die Einführung des zytologischen Zervixscreenings und der Therapie höhergradiger Dysplasien konnten die Inzidenz, die Morbidität und die Mortalität dieser Neoplasie stark reduziert werden. Die Inzidenz in der Schweiz ist dank der greifenden Vorsorge eine der tiefsten weltweit. Wie im Artikel von Dr. med. Gian-Piero Ghisu beschrieben, bietet sich die genauere Untersuchung der benachbarten Regionen im Anogenitalbereich im Rahmen der gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung an. Ein Analkarzinomscreening dürfte sich gerade im Hochrisikokollektiv bewähren, obschon ein klassisches Screening für diese Region auch für diese Personengruppe nicht etabliert ist.
Screening auf einige andere Neoplasien nur für Risikopersonen In grossen Studien wurde die Wirksamkeit des Screenings auf Ovarial- und Endometriumkarzinom in Bezug auf eine Reduktion der Mortalität mittels
Bestimmung des Tumormarkers CA125 und transvaginalen Ultraschalls untersucht. Im Artikel von Frau Dr. med. Janna Pape wird dargelegt, dass der Nachweis eines Überlebensvorteils in der Normalpopulation nicht erbracht werden konnte. Im Gegensatz dazu scheint bei BRCA1/2-mutierten Patientinnen das Screening möglicherweise vorteilhaft zu sein. Ähnliche Überlegungen gelten für das während vieler Jahre übliche Mikrohämaturiescreening mittels Urinstix. Wie PD Dr. med. Cornelia Betschart in ihrem Artikel schreibt, ist ein solches Screening aufgrund der tiefen Inzidenz urothelialer Karzinome und des hohen Anteils an falsch positiven Urinstix-Befunden nicht gerechtfertigt. Hingegen sollte ein Screening bei erhöhtem Risiko für ein Urothelkarzinom durchgeführt werden.
Diskussion um Brustkrebsscreening bleibt wohl Auch Dr. med. Julia Talimi-Schnabel hält in ihrer Übersicht über die derzeitigen MammakarzinomScreeningempfehlungen in der Schweiz fest, dass eine differenzierte, risikoadaptierte Vorgehensweise wohl zielführender ist. Dadurch könnte dem derzeit rege diskutierten Problem der Überdiagnostik Einhalt geboten werden.
Wir hoffen, Sie mit dieser Auswahl im Praxisalltag zu unterstützen, und wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen dieser Ausgabe.
Prof. Dr. med. Daniel Fink Direktor Klinik für Gynäkologie
Universitätsspital Zürich
GYNÄKOLOGIE 1/2020
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