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EDITORIAL
In diesem Jahr haben einige US-amerikanische medizinische Fachgesellschaften die fünf überflüssigsten
Tests, Massnahmen oder Therapien ihrer jeweiligen Fachrichtung erkoren (www.choosingwisely.org). Weitere amerikanische Fachgesellschaften haben angekündigt, diesem Beispiel auf Ende Jahr zu folgen. Zu den unnützen «top five» der Hausärzte gehören nach Ansicht der American Academy of Familiy Physicians demnach die Bildgebung bei Kreuzschmerzen ohne Warnsignale, Antibiotika bei leichter bis mittelschwerer Sinusitis, DEXA-Scans bei Frauen unter 65 und Männern unter 70 ohne Risikofaktoren, ein jährliches Routine-EKG sowie PAP-Tests bei Frauen unter 21 Jahren.
sofern sonst keine neurologischen Auffälligkeiten vorliegen. Die Radiologen, sonst anscheinend für jede Bildgebung zu haben, raten doch in einigen Fällen davon ab, beispielsweise bei Kopfschmerzen ohne Risikofaktoren. Die Gastroenterologen warnen vor einer langfristigen Säurehemmung bei GERD, weil man immer versuchen sollte, die Dosis zu senken, um die niedrigst mögliche für die Symptomhemmung zu erreichen. Sie erinnern auf ihrer Hitliste auch daran, dass eine Kolonoskopie zur Krebsprävention nach einem negativen Befund erst nach 10 Jahren erneut durchgeführt werden sollte, und bei kleineren Befunden ohne hochgradige Dysplasie empfehlen sie die nächste Kolonoskopie nicht möglichst bald, sondern erst nach 5 Jahren. Zu guter Letzt noch eine zu vermeidende Medikation, die in der Praxis nicht so selten vorkommt: Dass NSAID den Patienten mit Nierenfunktionsstörungen,
Die unnützen fünf
Sicherlich mag der eine oder andere Kollegen eher Anderes unter die ersten unnützen fünf einordnen, aber die Idee einer Hitliste überflüssiger und gleichwohl weitverbreiteter Massnahmen scheint mir doch hilfreich. Was lässt man nicht alles wider besseres Wissen abklären, um das eigene Gewissen, den Patienten oder seine Angehörigen zu beruhigen? Und welche Therapien verordnet man doch immer wieder einmal, obwohl sie eigentlich nicht angebracht wären? Als Checkliste für Ihre eigenen unnützen fünf hier noch einige Anregungen aus den Hitlisten weiterer Fachgesellschaften: Die American Academy of Allergy, Asthma and Immunology erinnert daran, dass Diagnose und Management bei Asthma nicht ohne Spirometrie laufen sollten, weil die Symptome allein weder für die Diagnose ausreichten noch eine gute Einschätzung der Asthmakontrolle ermöglichten. Die Internisten haben ebenfalls die Bildgebung bei unspezifischen Kreuzschmerzen auf die schwarze Liste gesetzt, zusammen mit dem Belastungs-EKG als Routinescreening sowie der CT- oder MRI-Untersuchung nach einer einfachen Synkope,
Herzinsuffizienz, Hypertonie oder Diabetes nicht verordnet werden sollten, schaffte es unter die unnützen «top five» der Nephrologen. Interessant wäre es gewesen, auch die unnützen fünf der amerikanischen Urologie zu erfahren, aber sie beteiligen sich nicht an dieser Aktion. Ob sie das PSA-Screening hier genannt hätten, bleibt also ungewiss. Die U.S. Preventive Services Task Force (USPSTF) rät jedenfalls davon ab, und das Swiss Medical Board empfahl kürzlich, auf das PSA-Screening zu verzichten. Klare Standpunkte hierzu aus der Praxis in der Schweiz können Sie in dieser Ausgabe auf den Seiten 916 und 925 nachlesen: Während es unstrittig scheint, dass flächendeckendes PSA-Screening mehr Schaden als Nutzen anrichtet, erinnern unsere Kommentatoren daran, dass die PSA-Bestimmung, differenziert eingesetzt, nach wie vor eine unverzichtbare Massnahme für bestimmte Patienten sei.
Renate Bonifer
ARS MEDICI 18 ■ 2012
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