Transkript
STUDIE REFERIERT
Statine auch langfristig sicher
Aus der Heart Protection Study geht nach einer Gesamtbeobachtungszeit von elf Jahren hervor, dass die Senkung des LDL-Cholesterins mit Statinen auch langfristig mit keinem erhöhten Risiko für Malignizitäten und andere nichtvaskuläre Erkrankungen verbunden ist.
LANCET
Die Ergebnisse der Heart Protection Study (HPS) und anderer grosser randomisierter Studien zeigen konsistent, dass eine Senkung des LDL-Cholesterins mit Statinen um etwa 1 mmol/l die vaskuläre Mortalität und Morbidität in einem Behandlungszeitraum von 5 Jahren um etwa ein Viertel reduziert, ohne das Risiko für die nichtvaskuläre Mortalität und Morbidität zu erhöhen (1). In epidemiologischen Beobachtungsstudien mit einem längeren Follow-up waren niedrige Cholesterinwerte jedoch mit höheren Raten an bestimmten Krebsarten und anderen nichtvaskulären Morbiditäten und Mortalitäten assoziiert. Daraus wurde die Hypothese postuliert, dass sich erhöhte Krebsraten und andere unerwünschte Ereignisse im Zusammenhang mit Statinen möglicherweise erst nach einem Behandlungszeitraum von 5 Jahren zeigen könnten. Die Heart Protection Colla-
Merksätze
❖ Mit Simvastatin wird über die Senkung des LDL-Cholesterins eine signifikante Reduzierung der vaskulären Morbidität und Mortalität erreicht.
❖ Die Langzeitanwendung ist nicht mit einem erhöhten Risiko für bestimmte Krebsarten oder andere nichtvaskuläre Erkrankungen verbunden.
borative Group untersuchte deshalb nach Beendigung ihrer 5-jährigen Hauptstudie die Auswirkungen der Cholesterinsenkung auf die ursachenspezifische Mortalität und die wichtigsten Morbiditäten in einem verlängerten Beobachtungszeitraum von weiteren 6 Jahren.
Ergebnisse In der Heart Protection Study hatten 20 536 Patienten im Alter von 40 bis 80 Jahren mit einem erhöhten vaskulären Risiko täglich 40 mg Simvastatin (Zocor® und Generika) oder Plazebo erhalten. Das durchschnittliche Follow-up betrug 5,3 (SD 1,2) Jahre. Der Gesamtbeobachtungszeitraum (Hauptstudie plus Verlängerung) lag im Durchschnitt bei insgesamt 11,0 Jahren (SD 0,6). Als primärer Endpunkt wurde das erste schwere vaskuläre Ereignis (nichttödlicher Herzinfarkt, Herztod, tödlicher oder nichttödlicher Schlaganfall, koronare oder nichtkoronare Revaskularisierung) nach der Randomisierung in der Intentionto-treat-Population definiert. Zu Beginn des Nachbeobachtungszeitraums umfasste die Studienpopulation 17 519 Patienten. Von diesen erhielten 8863 Simvastatin und 8656 Plazebo. Während der 5-jährigen Heart Protection Study war Simvastatin mit einer durchschnittlichen Senkung des LDLCholesterins um 1,0 mmol/l und einer Reduzierung schwerer vaskulärer Ereignisse um 23 Prozent (p = 0,0001) im Vergleich zu Plazebo verbunden. Bereits im ersten Behandlungsjahr zeigte sich ein Unterschied zwischen den Ereignisraten beider Gruppen. In den weiteren Behandlungsjahren wurde dann ein signifikanter Unterschied der Ereignisraten beobachtet. Im Nachbeobachtungszeitraum war der Anteil der Statinanwender vergleichbar, was eine Angleichung der Lipidkonzentrationen zur Folge hatte. Der kumulative Anteil der Teilnehmer mit schweren vaskulären Ereignissen divergierte in der Hauptstudie zwi-
schen den Gruppen. Dieser Unterschied blieb auch während des Nachbeobachtungszeitraums nahezu unverändert bestehen, obwohl inzwischen etwa gleich viele Teilnehmer Statine einnahmen und vergleichbarer Lipidwerte aufwiesen. Die Ereignisraten drifteten jedoch im Nachbeobachtungszeitraum aufgrund der Gruppenangleichung nicht weiter auseinander. Ein ähnliches Verteilungsmuster wurde auch für jedes einzelne schwere vaskuläre Ereignis beobachtet. Der kardiovaskuläre Nutzen von Simvastatin zeigte sich unabhängig vom Alter oder den Lipidprofilen vor Beginn der Behandlung. Im Gesamtbeobachtungszeitraum (Studienzeitraum plus Verlängerung) wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen bezüglich der gesamten Krebsinzidenz, der Inzidenz einzelner Krebsarten und der krebsbedingten Mortalität beobachtet. Die nichtvaskuläre Mortalität beider Gruppen war ebenfalls vergleichbar. Auch bei Personen über 70 Jahre oder Teilnehmern mit unterdurchschnittlichen Cholesterinwerten zu Behandlungsbeginn (< 5 mmol/l) wurden unter Simvastatin keine unerwünschten Wirkungen im Hinblick auf Krebserkrankungen oder die nichtvaskuläre Mortalität beobachtet. Diskussion Die Ergebnisse zeigen, dass die signifikante Reduzierung der vaskulären Mortalität und Morbidität, die durch die Senkung des LDL-Cholesterins mit Simvastatin während durchschnittlich 5 Jahren erzielt wurde, auch während der 6 Jahre des verlängerten Beobachtungszeitraums nahezu unverändert bestehen blieb. Zudem ergaben sich keine Hinweise auf unerwünschte Wirkungen bezüglich der nichtvaskulären Mortalität oder im Hinblick auf bedeutende nichtvaskuläre Morbiditäten im Rahmen des verlängerten Beobachtungszeitraums. Die Ergebnisse der Heart Protection Study sind konsistent mit den Ergebnissen anderer grosser randomisierter Studien mit mehr als 1000 Teilnehmern. In der Heart Protection Study wurden im ersten Jahr unter Simvastatin weniger vaskuläre Ereignisse beobachtet als unter Plazebo. In jedem weiteren Jahr wurde anschliessend eine signifikante 804 ARS MEDICI 15 ■ 2012 STUDIE REFERIERT Reduzierung um etwa ein Viertel erreicht. Dies weist darauf hin, dass der absolute Nutzen einer Statinbehandlung möglicherweise noch viel ausgeprägter sein könnte, als in begrenzten Studienzeiträumen zu beobachten ist. Ausserdem dauerte der Nutzen von Simvastatin über mehrere Jahre weiter an, auch wenn die Behandlung bereits während der Heart Protection Study abgebrochen wurde. Die Ergebnisse stützen nach Ansicht der Autoren bei Patienten mit erhöhtem vaskulärem Risiko einen frühzeitigen Behandlungsbeginn und eine langfristige Therapie mit Statinen. Kommentar In einem Kommentar führten Payal Kohli und Christopher P Cannon von der TIMI Study Group des Brigham and Women’s Hospital in Boston aus, dass die Hypothese eines möglicherweise erhöhten Krebsrisikos nach einem Behandlungszeitraum von 5 Jahren auch andere Arbeitsgruppen, die Studien mit Statinen durchführten, zu verlängerten Beobachtungszeiträumen veranlasste (2). In der West Scotland Coronary Prevention Study (WOSCOPS) erhielten 5695 Männer mit erhöhten Cholesterinwerten ohne vorherigen Herzinfarkt 40 mg Pravastatin (Selipran® und Generika) oder Plazebo über einen Zeitraum von 5 Jahren. Anschliessend wurden die Teilnehmer weitere 10 Jahre lang beobachtet, sodass sich eine Gesamtbeobachtungszeit von 15 Jahren ergab. Hier wurde während der Hauptstudie unter Pravastatin eine signifikante Reduzierung kardiovaskulärer Ereignisse im Vergleich zu Plazebo beobachtet, die sich im Verlängerungszeitraum fortsetzte. Ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krebsarten oder andere nicht kardiovaskuläre Morbiditäten und Mortalitäten wurde – analog zur Heart Protection Study – im Gesamtbeobachtungszeitraum nicht festgestellt. Die Studie Anglo-Scandinavian Cardiac Outcomes Trial-Lipid Lowering Arm (ASCOT-LLA), in der Hypertoniepatienten 10 mg Atorvastatin (Sortis® oder Generikum) oder Plazebo zur Primärprävention erhielten, wurde aufgrund des überzeugenden Nutzens der aktiven Medikation vorzeitig abgebrochen. In einem verlängerten Followup (3,3 Jahre Studienzeitraum plus etwa 8 Jahre zusätzlicher Beobachtungszeitraum) kam das Studienteam auch im Zusammenhang mit diesem Statin zu dem Ergebnis, dass kein erhöhtes Risiko für die Inzidenz von Krebs, Infektionen oder Atemwegserkrankungen bestand. Abschliessend machten die Kommentatoren nochmals darauf aufmerksam, dass die Bedenken zur Sicherheit der Statine ursprünglich aus nicht rando- misierten Beobachtungsstudien abge- leitet wurden und daher möglicher- weise auf erheblichen Verzerrungen beruhten. Ihrer Ansicht nach geht aus der Heart Protection Study und den weiteren Studien eindeutig hervor, dass die Langzeitanwendung der Statine wirksam und sicher ist und zudem einen langfristigen Nutzen aufweist, der sich sogar nach Abbruch einer Sta- tinbehandlung fortsetzt. Die Diskus- sion sollte daher beendet werden, so dass Ärzte Patienten mit erhöhtem kar- diovaskulärem Risiko diese Medika- mente weiterhin guten Gewissens ver- schreiben können. ❖ Petra Stölting Quellen: 1. Heart Protection Study Group: Effects on 11-year mor- tality and morbidity of lowering LDL cholesterol with simvastatin for about 5 years in 20 536 high-risk individuals: a randomised controlled trial, Lancet 2011; 378: 2013–2020. 2. Kohli Payal, Cannon Christopher P: Statins and safety: can we finally be reassured? Lancet 2011; 378: 1980–1981. Interessenkonflikte: 1.: Keine deklariert. 2.: P Kohli deklariert keine Interessenskonflikte. Christopher P Cannon hat Forschungsgelder und Honorare von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten. ARS MEDICI 15 ■ 2012 805