Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Infektiologie
Risikogebiete für Zika-Infektionen in Europa
Ende Oktober wurde der erste Fall einer autochthonen Zika-Infektion in Europa bekannt. Im südfranzösischen Hyères, Departement Var, hatte sich eine Frau offenbar über einen Mückenstich vor Ort mit dem Virus infiziert. Sie war bereits im Sommer erkrankt und ist
Abbildung: Gebiete, in denen eine autochthone Übertragung des Zika-Virus durch den Stich einer infizierten Tigermücke möglich ist, da die Temperaturbedingungen geeignet sind (rote Bereiche) und die Tigermücke bereits als vektorkompetente Art vorkommt (schraffierte Bereiche) (Abbildung: Universität Frankfurt).
mittlerweile wieder vollständig genesen. Blutuntersuchungen ergaben im Nachhinein, dass sie eine Zika-Infektion durchgemacht hatte. Das Besondere an diesem Fall war, dass die Patientin nicht im Ausland war und auch keinen Sexualkontakt zu Reiserückkehrern hatte. Kurze Zeit nach der Erstmeldung wurde ein zweiter Fall im Department Var bekannt. Man geht daher davon aus, dass das Virus vor Ort von einer Mücke übertragen wurde. Als Überträger kommt in Europa in erster Linie die Asiatische Tigermücke, Aedes albopictus, infrage. Diese ursprünglich tropische Mückenart hat sich in den letzten Jahren im Mittelmeerraum etabliert, und sie ist bis nach Süddeutschland vorgedrungen. Nun haben Wissenschaftler der Goethe-Universität und der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main eine Europakarte zum Zika-Infektionsrisiko erstellt (s. Abbildung). In Europa ist die Möglichkeit einer Infektion vor allem in den Gebieten am Mittelmeer gegeben, sie besteht jedoch auch im französischen
Inland und der baden-württembergischen Rheinregion. Eine Zika-Infektion ist für Personen ohne Vorerkrankung in der Regel harmlos, oft verläuft sie unbemerkt. Als häufigste Symptome treten leichtes Fieber, Gelenkschmerzen, ein knotigfleckiger Hautausschlag und eine Bindehautentzündung auf; das Guillain-Barré-Syndrom ist eine seltene Komplikation. Infizieren sich Schwangere, besteht für das Ungeborene ein deutlich erhöhtes Risiko für Mikrozephalie. Gegen eine Zika-Infektion gibt es bislang weder eine Impfung noch eine wirksame Therapie.
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Medienmitteilung des Centrums für Reisemedizin vom 24. Oktober 2019. Medienmitteilung der Universität Frankfurt vom 11. November 2019 auf idw-online. Cunze S et al.: Vector distribution and transmission risk of the Zika virus in South and Central America. PeerJ 7:e7920 DOI 10.7717/peerj.7920.
Choosing Wisely
Erste Top-5-Liste von Pflegenden
Die akademische Fachgesellschaft (AFG) Gerontologische Pflege hat als erste nicht ärztliche Organisation eine Top-5-Liste mit fünf Empfehlungen im Umgang mit betagten Menschen erstellt. Im Unterschied zu den bis jetzt publizierten Top-5-Listen liegt der Fokus bei den Handlungsempfehlungen der AFG Gerontologische Pflege nicht auf der Fehl- und Überversorgung, sondern auf der potenziellen Unterversorgung der Patientinnen und Patienten. Für die Umsetzung der Empfehlungen, die gemäss der Herausgeberin auf den ersten Blick selbstverständlich wirken mögen, müssen Verhaltensroutinen durchbrochen werden. Gewünscht wird eine Dis-
kussion der fünf Empfehlungen überall dort, wo alte Menschen Pflege benötigen: 1. Lassen Sie ältere Menschen nicht im
Bett liegen oder nur im Stuhl sitzen. 2. Vermeiden Sie bewegungseinschrän-
kende Massnahmen bei älteren Menschen. 3. Wecken Sie ältere Menschen nachts nicht für routinemässige Pflegehandlungen, solange es weder ihr Gesundheitszustand noch ihr Pflegebedarf zwingend verlangen. 4. Legen oder belassen Sie keinen Urinkatheter ohne spezifische Indikation. 5. Vermeiden Sie die Verabreichung von Reservemedikationen wie Sedativa, Antipsychotika oder Hypnotika bei
einem Delir, ohne die zugrunde liegenden Ursachen zuerst abzuklären, zu eliminieren oder zu behandeln. Details zu den einzelnen Punkten finden sich unter www.smartermedicine.ch sowie als Flyer zum Download unter: https://www.rosenfluh.ch/qr/top5_pflege
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ARS MEDICI 23 | 2019
Chirurgie
Lebertumoren sicher und schonend entfernen
Rückspiegel
Viele Lebertumoren galten lange Zeit als schwierig oder unmöglich zu entfernen. Seit wenigen Jahren ist eine Kombination aus schonender Operationstechnik, Bildgebung in Echtzeit und einem Navigationssystem verfügbar, die diese Situation grundlegend verändert hat. Eine neue Studie belegt nun den Erfolg dieser Technik, die am Inselspital und an der Universität Bern entwickelt wurde. Jährlich erkranken in der Schweiz zirka 1250 Personen an einem hepatozellulären Karzinom mit schwer erkennbaren und schwer zugänglichen Tumoren. Prinzipiell ist die Ablation der Tumoren mit einer Mikrowellensonde, die minimalinvasiv in den Bauchraum eingeführt wird, eine Option. Kritisch ist hierbei jedoch die exakte Steuerung der Sonde, um grosse Blutgefässe und Lungengewebe nicht zu verletzen. Ein interdisziplinäres Team der Universität Bern und des Inselspitals hat dafür vor einigen Jahren ein neuartiges Navigationssystem entwickelt. Das System ermöglicht mit einem technisch aufwendigen Bildgebungsverfahren aus Magentresonanz- und Computertomografie eine exakte Führung der Mikrowellensonde zum Tumor. Da sich die Leber aufgrund der Atmung laufend bewegt, ist die Echtzeitdarstellung für den Erfolg entscheidend. Die Methode wird am Inselspital seit 2015 und mittlerweile auch weltweit eingesetzt. In Bern kommt sie zwei- bis dreimal wöchentlich bei Patienten mit
Leberkrebs oder Lebermetastasen zum Einsatz. In einer Studie wurde nun ausgewertet, wie sicher und wirksam die Methode ist. Die Daten von 174 Ablationen von Leberzellkrebs mit bildgeführter Navigation zwischen 2015 und 2017 wurden dafür herangezogen. Die Genauigkeit der Platzierung der Sonde und der Grad der Tumorentfernung wurden jeweils direkt nach dem Eingriff überprüft. Insgesamt konnten 96,3 Prozent der Tumoren entfernt werden. Die Sonde wich dabei im Schnitt 3,2 Millimeter vom idealen Behandlungsort ab. Das Komplikationsrisiko betrug 5,9 Prozent (davon 0,9% höhergradige Komplikationen). Nach dem minimalinvasiven Eingriff konnten die Patienten das Spital bereits am Folgetag verlassen. «Wir können belegen, dass die bildgeführte Mikrowellenablation Lebertumoren sicher, gewebeschonend und effizient entfernt. Dabei erkennen wir mit dem neuen System sogar Tumoren, die mit konventioneller Bildgebung unsichtbar sind, und können nun auch an bisher unzugänglichen Orten behandeln», so die Erstautorin der Studie, PD Dr. med. Anja Lachenmayer. Inselspital/RBO s
Medienmitteilung der Insel Gruppe AG vom 31. Oktober 2019. Lachenmayer A et al.: Stereotactic image-guided microwave ablation of hepatocellular carcinoma using a computer-assisted navigation system. Liver Int 2019; 39(10): 1975-1985.
Neurologie
Mikrobiom und Multiple Sklerose
Wenn die essenzielle Aminosäure Tryptophan in der Nahrung fehlt, schützt dies bestimmte Mäuse vor den Symptomen einer experimentell erzeugten Multiplen Sklerose (MS). Das Team der Christian-Albrechts-Universität Kiel und des Deutschen Krebsforschungszentrums führte Tierversuche durch, bei denen Mäuse eine modellhafte MS entwickeln. Die Tiere werden dabei gegen ein Glykoprotein des Myelins sensibilisiert, sodass autoreaktive T-Zellen entstehen, die ins ZNS einwandern und MS-typische Symptome verursachen. Tiere, die tryptophanfrei gefüttert wurden, entwickelten diese MS-Symptome jedoch nicht. Bei ihnen waren die autoreaktiven T-Zellen nicht ins Rückenmark eingewandert.
Bei steril aufgewachsenen Tieren mit der modellhaften MS-Erkrankung waren die Symptome durch den Entzug von Tryptophan jedoch nicht zu verhindern. Daraus schliessen die Forscher, dass eine durch das Fehlen von Tryptophan bewirkte Veränderung des Mikrobioms den schützenden Effekt bewirkt haben muss. Das Weglassen anderer Aminosäuren hatte keinen Effekt auf die MS-Symptomatik. RBO s
Medienmitteilung des Exzellenzclusters Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen auf idw-online am 12. November 2019. Sonner JK et al.: Dietary tryptophan links encephalogenicity of autoreactive T cells with gut microbial ecology. Nature communications 2019; 25; 10(1): 4877.
Vor 10 Jahren
Pap-Abstrich oder Liquidzytologie?
In einer dänischen Studie erweisen sich beide Methoden als ebenbürtig, um Zervixneoplasien oder -läsionen zu entdecken. Das bestätigt eine frühere Studie aus Italien, in der sich zusätzlich gezeigt hatte, dass die Dünnschichtzytologie (LBC: liquid base cytology) mehr falsch positive Resultate liefern kann. Der Vorteil der LBC ist, dass mit demselben Material mehrere Tests durchgeführt werden können, etwa auf HPV.
Vor 50 Jahren
Erstes Bakteriengen isoliert
In der Zeitschrift «Nature» publizieren Jonathan Beckwith und sein Team an der Harvard Medical School in Boston am 22. November 1969 das erste isoliere Bakteriengen. Es handelt sich um das Gen, das den Laktosestoffwechsel von E.-coli-Bakterien steuert. Die regulatorischen Einheiten und die «Blaupause» zur Synthese des laktoseabbauenden Enzyms Beta-Galaktosidase befinden sich hier sequenziell auf einem DNA-Strang, dem sogenannten lac-Operon. Anhand des lac-Operons werden in der Folge grundlegende Mechanismen der Genregulation aufgeklärt.
Vor 100 Jahren
Hilflos bei Pertussis
Noch kennt man den Erreger des Keuchhustens nicht, auch Antibiotika harren noch ihrer (Wieder-)Entdeckung, die noch fast zehn Jahre auf sich warten lassen wird. Als therapeutische Optionen werden das Aufpinseln von Silbernitrat im Rachen, ein Kombinationspräparat aus Chinin und Barbital, Codein, ein Mittel unbekannter Zusammensetzung namens Thymipin oder die Verdampfung eines Naphthen-Eukalyptus-Kampher-Gemisches im Krankenzimmer empfohlen.
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ARS MEDICI 23 | 2019