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Thema
Patienten mit chronischen Wunden
Vorsicht: Kontaktekzeme!
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Bei Patienten mit nicht heilenden chronischen Wunden lohnt es sich, nach Kontaktsensibilisierungen zu fahnden.
Von Dorothee Busch und Cornelia Erfurt-Berge
periphere arterielle Verschlusskrankheit (Ulcus cruris arteriosum) oder Diabetes mellitus (diabetisches Fusssyndrom). Der häufigste Vertre-
Diese Hautreaktionen sind meist durch
ter: Ulcus cruris venosum.
eine lange Krankheitsdauer, häufigen Wechsel von
Der Hausarzt hat einen grossen Stellenwert bei Patienten mit
Lokaltherapeutika und eine vorgeschädigte Haut-
chronischen Wunden – er ist meist die erste Anlaufstelle.
barriere bedingt. Bei Hautekzemen im Wundbereich
Wundpatienten werden zudem oft erst im späteren Krank-
und passender Anamnese hilft oft eine Epikutantes-
heitsverlauf in spezialisierten Wundzentren vorstellig (1). Da
tung weiter.
es sich dabei vorwiegend um ältere Patienten handelt, ist
Kasuistik
Cornelia Erfurt-Berge
von steigenden Fallzahlen – bedingt durch den demografischen Wandel – auszugehen. Treten in der Wundumgebung ekzematöse Hautveränderungen auf, kann es sich um eine
Der Patient W. stellt sich mit
ekzematösen, feinlamellär
schuppenden, teils erosiven
Hautveränderungen an beiden
Unterschenkeln in unserer
dermatologischen Ambulanz
vor (Abbildung. 1). Eine chro-
nisch venöse Insuffizienz
beidseits mit Zustand nach Ul-
cus cruris venosum links ist
bei ihm bekannt.
Kompressionsstrümpfe trägt
der Patient nur ungern, da die
Haut darunter juckt. Er verwen-
det zur Hautpflege verschie-
dene Externa aus dem Super-
markt. Zuletzt probierte er eine Melkfettmischung aus, die ihm der Nachbar empfohlen hatte. Seit einigen Wochen wurde es
Abbildung 1: Feinlamellär schuppende, teils erosive Ekzemherde an den Unterschenkeln eines Patienten mit chronisch venöser Insuffizienz.
zunehmend schlimmer mit dem Foto: © Hautklinik, Universitätsklinikum Juckreiz und der Schuppung Erlangen, S. Schnetz
an beiden Beinen.
Die allergologische Testung ergibt positive Reaktionen auf Duftstoffmix
I und II, Cetylstearylalkohol und Amerchol L-101. Der Patient erhält zur
Lokaltherapie eine Individualrezeptur mit Mometasonfuroat 0,1% in
wollwachsalkoholfreier Basissalbe. Die positiv getesteten Substanzen
muss er künftig vermeiden. Die Kompressionstherapie soll der Patient
nun regelmässig anwenden.
Kontaktallergie handeln.
Patienten mit chronischen Wunden Kontaktsensibilisierungen sind ein häufiges Problem bei Patienten mit chronischen Wunden. Bei Ulcus cruris venosum oder venös bedingter Stauungsdermatitis wurden Sensibilisierungsraten von um die 60 Prozent beschrieben (5, 10). Ursächlich für die oft auftretenden Sensibilisierungen sind unter anderem eine lange Erkrankungsdauer, der häufige Wechsel verschiedener Wundauflagen und Externa sowie eine oft vorgeschädigte Hautbarriere. Weitere Risikofaktoren sind das entzündliche Wundmilieu und eine verstärkte Penetration der Substanzen durch okklusive Verbände und fettige Salbengrundlagen (6). Viele Patienten versuchen zudem zunächst eine Eigenbehandlung der Wunde mit «Hausmitteln», die häufig auf pflanzlichen Inhaltsstoffen basieren und so ein hohes Sensibilisierungspotenzial aufweisen.
Spezifisches Allergenspektrum Mehrere Studien konnten zeigen, dass sich gerade bei Patienten mit venösem Ulkus andere häufige Kontaktallergene finden als bei Vergleichsgruppen ohne diese Erkrankungen (2, 7).
Potenzielle Allergenquellen bei Patienten mit chronischen
Schätzungen zufolge leidet in der Schweiz rund 1 Prozent der
Wunden sind unter anderem Konservierungsmittel, Duft-
Bevölkerung an chronischen Wunden wie zum Beispiel «of-
stoffe, Bestandteile von Salbengrundlagen, Emulgatoren
fenen Beinen». Diese zeigen auch nach acht Wochen keine
oder topische Antibiotika.
Heilungstendenz, und oft liegt schon eine Erkrankung vor,
In einer grossen Datenauswertung von 2003 bis 2013 aus
wie chronisch venöse Insuffizienz (Ulcus cruris venosum),
mehr als 50 deutschsprachigen Kliniken fanden sich Duft-
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Abbildung 2: Vorbereitete Testkammern (Finn Chambers) für die Epikutantestung am Rücken. Es können standardisierte Substanzen in entsprechendem Träger (meist Vaseline) getestet werden oder auch die patienteneigenen Wundauflagen (linke Reihe oben). Foto: © Hautklinik, Universitätsklinikum Erlangen, S. Schnetz
stoffe, Wollwachsalkohole (Lanolin), Cetylstearylalkohol, Kolophonium oder Konservierungsmittel wie tertiäres Butylhydrochinon unter den häufigsten Allergenen der Patienten mit Ulcus cruris venosum beziehungsweise Stauungsdermatitis (2). In der Kontrollgruppe waren typische Allergene wie Nickel-(II)-Sulfat bedeutsam (8). Typ-I-Reaktionen im Sinne von akuten allergischen Reaktionen wie Urtikaria oder Quincke-Ödem sind im Zusammenhang mit Wundtherapeutika selten. Relevant sind hier vor allem Latexbestandteile, wie etwa in Handschuhen. Auch Sensibilisierungen gegen sogenannte «moderne Wundauflagen» müssen in Betracht gezogen werden, da in den wenigen Studien zu diesem Thema teils über sehr hohe Sensibilisierungsraten berichtet wurde. Zu prüfen bleibt bei allen nachgewiesenen Sensibilisierungen die klinische Relevanz (3, 10). Die fehlende Deklarierungspflicht von Medizinprodukten und damit von Wundauflagen erschwert die Kenntnis der genauen Produktbestandteile.
Planung und Durchführung einer Epikutantestung bei Verdacht auf Kontaktallergie
• Testung standardisierter Blöcke, zum Beispiel Externa-Inhaltsstoffe, Konservierungsmittel und so weiter
• Testung patienteneigener Substanzen • Ablesung nach 48 und 72 Stunden • 6 Wochen vor Testung keine Sonnenexposition am Rücken • Zur Testung keine Kortikosteroide, keine Antihistaminika • Positive Reaktion weist eine Typ-IV-Sensibilisierung nach • Passende Anamnese und positive Reaktion weisen eine Typ-IV-
Allergie nach
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Wundumgebung und Kontaktekzem Als Teil des Wundassessments ist auch die Beurteilung der Wundumgebung bedeutsam. Deren Zustand kann beispielsweise durch chronisch entzündliche Prozesse, wie sie im Laufe der chronischen Ulzeration auftreten, beeinträchtigt sein. Unter einem Ekzem versteht man zunächst die typische Morphe mit Rötung, Schuppung, Bläschen, Erosionen mit Nässen oder tiefere Hauteinrisse (Rhagaden). Am häufigsten tritt ein sebostatisches Ekzem im Rahmen der chronisch-venösen Insuffizienz auf. Bei neu erkennbaren ekzematösen Hautveränderungen ist es für den Arzt wichtig, zwischen toxisch-irritativer Genese, zum Beispiel durch unzureichendes Exsudatmanagement, und kontaktallergischer Genese im Sinne einer Typ-IV-Spätreaktion (T-Zell-vermittelt) zu unterscheiden (7). In der Praxis sind diese jedoch nicht immer eindeutig zu differenzieren. Allergische Ekzeme können auch auf Grundlage von toxisch-irritativen Läsionen entstehen (sog. Pfropfallergie). Ein fehlerhaftes Exsudatmanagement ist jedoch deutlich häufiger Ursache akuter ekzematöser Veränderungen. Diese können dann durch Optimierung der lokalen Wundversorgung rasch effektiv behandelt werden. Daneben müssen differenzialdiagnostisch Hinweise auf spezifische zugrunde liegende Dermatosen in der Wundumgebung, wie Vaskulitiden, kutane Tumoren oder Pyoderma gangraenosum, klar abgegrenzt werden.
Weiterführende Diagnostik Bei Verdacht auf ein kontaktallergisches Geschehen stehen eine gezielte Anamnese bezüglich der verwendeten Produkte, der Beginn und die Dauer der Anwendung sowie das Ausmass und die Dynamik der Reaktion an erster Stelle. Kontaktallergisch bedingte Ekzeme sind durch Juckreiz, unscharfe Begrenzung und Streuherde ausserhalb des Allergenkontakts gekennzeichnet. Mithilfe der anamnestischen Angaben kann der Arzt zur weiteren Diagnostik den Epikutantest planen. Hierfür lassen sich – nach Empfehlung der Deutschen KontaktallergieGruppe (der auch die Schweiz angeschlossen ist) – vorgegebene Substanzen verwenden. Zudem kann man der Anamnese entsprechend patienteneigene, verdächtige Substanzen wie Wundauflagen oder Externa aufbereiten und im Epikutantest prüfen (3, 9). Die Testsubstanzen werden in kleinen Kammern aus Aluminium mit Pflastern auf dem Rücken des Patienten angebracht (Abbildung 2) und nach zwei Tagen wieder entfernt. Abgelesen und beurteilt wird der Test nach 48 und 72 Stunden. Ein positives Testergebnis liegt bei Hautrötung, Infiltration und/oder Papeln oder Bläschen vor und weist eine Kontakt-
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sensibilisierung nach. Eine Zunahme der Reaktion ist im zeitlichen Verlauf zu erwarten. Durch Nachweis des Zusammenhangs zwischen dem positiv getesteten Allergen und dem Auftreten ekzematöser Hautveränderungen nach dessen Anwendung auf der Haut kann der Arzt die Diagnose einer Kontaktallergie stellen. Eindeutig identifizierte Kontaktallergene sind in der weiteren (Wund-)Behandlung selbstverständlich zu vermeiden. Dies kann in der Praxis für Therapeut und Patient aber zur Herausforderung werden.
Prävention und Therapie bei Ekzemen
Essenziell zur Prävention irritativer Ekzeme sind ein adä-
quates Exsudatmanagement und der Schutz von Wundrand
und -umgebung, um eine Pfropfsensibilisierung auf vorge-
schädigter Haut zu verhindern. Ekzeme sind mithilfe von
basistherapeutischer Hautpflege und Rückfettung frühzeitig
zu behandeln. Hierzu zählt auch das im Rahmen chronisch
venöser Insuffizienz auftretende sebostatische Ekzem.
Die empfohlene Galenik hängt vom Zustand der Wunde und
ihrer Umgebung ab. Während nässende, erosive Areale
durch hydrophile Externa ausgetrocknet werden, sollte man
trockene oder schuppende Läsionen mit fetthaltigen Grund-
lagen versorgen. Bei akut entzündlichen Veränderungen ist
eine glukokortikoidhaltige Lokaltherapie eine Behandlungs-
option für die Wundumgebung. Superinfizierte oder koloni-
sierte Wunden werden mit Antiseptika behandelt. Der Ein-
satz topischer Antibiotika sollte aufgrund des erhöhten
Allergiepotenzials vermieden werden und vor allem kein Ein-
satz direkt in der Wunde erfolgen.
Für die Hautpflege von Patienten mit chronischen Wunden,
aber auch mit chronisch venöser Insuffizienz, sollte der Arzt
aufgrund des beschriebenen Allergenspektrums Produkte
ohne Duftstoffe, Parabene, Wollwachsalkohole und tertiäres
Butylhydrochinon bevorzugen (4).
x
Korrespondenz: Dorothee Busch, cand. med. PD Dr. med. Cornelia Erfurt-Berge Hautklinik Universitätsklinikum D-91054 Erlangen
Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.
Dieser Artikel erschienen zuerst in «Der Allgemeinarzt», 2019; 41 (2) Seite 60–64. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung.
Literatur: 1. Weindorf M, Dissemond J: Ulcus cruris: Seit Jahren immer wieder offene Beine. MMW Fortschr. Med. 2011; 153: 39–40. 2. Erfurt-Berge C, Geier J, Mahler V: The current spectrum of contact sensitization in patients with chronic leg ulcers or stasis dermatitis - new data from the Information Network of Departments of Dermatology (IVDK). Contact Dermatitis 2017; 77: 151–158. 3. Erfurt-Berge C, Mahler V: Contact Sensitization in patients with lower leg dermatitis, chronic venous insufficiency and/or chronic leg ulcer: Assessment oft he clinical relevance of contact allergens. J Investig Allergol Clin Immunol 2017; 27 (6): 378–380. 4. Geier J, Erfurt-Berge C, Mahler V: Hautpflege bei chronisch venöser Insuffizienz – Was ist aus allergologischer Sicht zu berücksichtigen? Phlebologie 2018; 02: 50–104. 5. John SM, Geier J: Unterschenkelekzem bei chronisch-venöser Insuffizienz – Aktuelle allergologische Aspekte. Allergenspektrum beim «Beinpatienten» im IVDK 1994–1995. Zeitschrift für Dermatologie 1998; 184: 16–23. 6. Lehnen M, Kohaus S, Korber A, Hillen U, Grabbe S, Dissemond J: Kontaktsensibilisierungen von Patienten mit chronischen Wunden: Resultate einer Untersuchung im Zeitraum 1999-2004. Hautarzt 2006; 57: 303–306, 308. 7. Mahler V: Kontaktekzeme. Aktuelle Dermatologie 2014; 40: 95–107. 8. Mahler V, Geier J, Schnuch A: Current trends in patch testing - new data from the German Contact Dermatitis Research Group (DKG) and the Information Network of Departments of Dermatology (IVDK). Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft 2014; 12: 583–592. 9. Schnurch A, Aberer W, Agathos M, Becker D, Brasch J, Elsnar P et al.: Performing patch testing with contact allergens. Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft 2008; 6: 770–775. 10. Valois A, Waton J, Avenel-Audran M, Truchetet F, Collet E, Raison-Peyron N, Cony FC, Bethune B, Schmutz JL, Barbaud A: Contact sensitization to modern dressings: a multicentre study on 354 patients with chronic leg ulcers. Contact Dermatitis 2015; 72: 90–96.
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