Transkript
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
Interpellation vom 20.6.2019
Sind GDI-Benziner noch gefährlicher als Dieselfahrzeuge?
Martin Bäumle
Nationalrat Grünliberale Kanton Zürich
Der Bundesrat wird gebeten, folgende Fragen zu beantworten: 1. Seit wann hat der Bundesrat Kenntnis der neuen
Risiken für die Gesundheit aus der EMPA-Studie GasOMeP, die von Benzinautos mit Direkteinspritzung (GDI-Motoren) ausgehen? 2. Wie viele Fahrzeuge in der Schweiz sind davon betroffen und wie viele waren bei der Zulassungskontrolle ohne und wie viele mit einem wirksamen GDI-Partikelfilter (Abscheidung ca. 98%) ausgestattet? 3. Wäre es aufgrund der gemäss Studie grossen gesundheitlichen Risiken, die von den GDI-Fahrzeugen ohne Partikelfilter ausgehen, nicht sinnvoll, auch bestehende GDI-Benzinfahrzeuge mit einem wirksamen Partikelfilter nachzurüsten?
4. Was gedenkt der Bundesrat zu unternehmen, dass Neuzulassungen dem technisch möglichen Stand entsprechen?
5. Muss nicht davon ausgegangen werden, dass die Hersteller seit Jahren von diesen massiven neuen gesundheitsschädigen Wirkung wissen mussten und dies (wieder) bewusst verschwiegen?
6. Wäre aus den bisherigen Skandalen mit zu viel CO2, zu viel NOX und immer wieder zu viele Partikel im Realbetrieb nicht abzuleiten, dass die Automobilbranche wegen bewusstem, mehrfachem und schweren Verletzen von Umweltrecht und Gesundheitsschutz haftbar gemacht werden sollte und auf Schadenersatz einzuklagen wäre?
BEGRÜNDUNG
Direkteinspritzer, welche seit Jahren in Verkehr gelangten, stossen im Durchschnitt 63-Mal so viele ultrafeine Russpartikel aus wie ein sechs Jahre altes Dieselauto mit Partikelfilter, maximal sogar bis zu 1000-Mal mehr Partikel. Auf diesen
Russpartikeln haften 6- bis 38-mal mehr krebserregende Substanzen als auf den Russemissionen von Dieselautos. Diese Russpartikel transportieren diese krebserzeugenden Substanzen, die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK), via Lunge in die Blutbahn des menschlichen Körpers. Einmal eingeatmet, bleiben solch kleine Partikel gemäss Empa-Forscher Norbert Heeb faktisch für immer im Körper. Das Krebspotenzial dieser Abgase lag gemäss der interdisziplinären GasOMeP-Studie bis zu 17-mal höher als beim untersuchten Diesel-Fahrzeug mit Partikelfilter. Zudem lagen bei den an der Empa gemessenen Autos das krebserzeugende Benzo(a)pyren bis zu 1700-fach über dem Grenzwert der EU-Richtliniegsluft. Erst seit dem 1. September 2018 müssen neu zugelassene Fahrzeuge mit GDI-Motoren die gleichen Partikelgrenzwerte einhalten wie Dieselmotoren.
STELLUNGNAHME DES BUNDESRATES VOM 28.08.2019
1. Das zwischen 2013 und 2017 durchgeführte interinstitutionelle Forschungsprojekt Gasomep wurde vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) und vom Bundesamt für Energie (BFE) finanziell unterstützt. Unabhängig vom Forschungsprojekt Gasomep ist schon lange bekannt, dass GDI-Motoren Russpartikel ausstossen. Mit der Abgasnorm Euro 5 wurde deshalb schon ab 2009 die Partikelmasse begrenzt. 2014 wurde dann mit der neuen Euro6-Norm zusätzlich ein Partikelanzahl-Grenzwert eingeführt und später noch verschärft, so dass seit September 2018 Neufahrzeuge nur noch mit Partikelfilter zugelassen werden können.
2. Ende 1. Quartal 2019 sind rund 980 000 benzinbetriebene Personenwagen mit Direkteinspritzung in Verkehr gestanden. Davon sind 5,6 Prozent mit einem Partikelfilter ausgerüstet. Bei den Neuzulassungen zeigen jedoch die verschärften Vorschriften Wirkung: Während im Jahr 2018 erst rund 18 Prozent der erstmals immatrikulierten Fahrzeuge mit einem Filter ausgerüstet waren, sind es im laufenden Jahr bereits 74 Prozent.
3. Die Nachrüstung einer modernen Abgasanlage eines Personenwagens mit dauerhaft wirksamen Komponenten ist aus technischer Sicht kaum möglich. Daher existieren für GDI-Motoren keine international gültigen
Standards für Nachrüst-Filter. Solche sind angesichts der inzwischen verschärften Abgasvorschriften für Neuzulassungen und der fortschreitenden Erneuerung der Fahrzeugflotte (siehe Antwort 2) kaum zu erwarten. 4. Die von der Europäischen Union kontinuierlich verschärften Abgasvorschriften werden von der Schweiz zeitgleich übernommen. 5. Zu umweltrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten hat sich Bundesrat bereits in seiner Antwort auf die Interpellation Thorens Goumaz «Volkswagen-Affäre. Vereinfachtes Verfahren für Konsumentinnen und Konsumenten, Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften und Beachtung des Vorsorgeprinzips», geäussert. Die entsprechenden Ausführungen in Antwort 2 sind nach wie vor gültig.
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ARS MEDICI 22 | 2019
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
Interpellation vom 20.6.2019
China: Organentnahme bei Gesinnungshäftlingen. Was macht der Bundesrat?
Carlo Sommaruga
Nationalrat SP Kanton Zürich
Wie die internationale Presse am 18. Juni berichtete, ist das «China Tribunal» mit Sitz in London in einem Bericht zum Schluss gekommen, dass in China bei Gesinnungshäftlingen Organentnahmen durchgeführt werden. Das China Tribunal, unter dem Präsidium von Sir Geoffrey Nice, der als früherer Ankläger am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien die Strafverfolgung gegen den Ex-Präsidenten von Serbien Slobodan Milosevic leitete, hat ausgeführt, dass inhaftierte Anhängerinnen und Anhänger der spirituellen Bewegung Falun Gong eine der Hauptquellen für die Beschaffung von Organen sind. Das China Tribunal kam zudem zum Schluss, dass an Anhängerinnen und Anhängern von Falun Gong ohne Zweifel Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden.
Falun Gong leidet nun schon seit 20 Jahren unter einer grausamen Repression, und die Anhänger werden auf brutale und unmenschliche Weise verfolgt. Das China Tribunal hebt hervor, dass die Regierungen und internationalen Gremien gegenüber einem Regime, das Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat, «ihre Pflicht erfüllen müssen». Es fügt hinzu, dass jene, die befugt sind, Untersuchungen und Verfahren vor internationalen Gerichtshöfen oder vor der UNO einzuleiten, dazu verpflichtet sind abzuklären, ob ein Völkermord begangen wurde. Schliesslich hält das Gericht fest, dass die Regierungen und all jene, die mit dem Regime Chinas verkehren, nun einsehen sollten, dass sie - gemäss der im Bericht getroffenen Einschätzung - mit einem kriminellen Staat verkehren. Im Zusammenhang mit dem Dialog des Bundesrates mit China über die Menschenrechte und im Lichte der vom China Tribunal aufgezeigten Tatsachen stelle ich dem Bundesrat folgende Fragen:
1. Hat er Kenntnis davon, dass in China Gesinnungshäftlingen ohne deren Zustimmung Organe entnommen werden?
2. Falls er davon keine Kenntnis hat: Ist er dazu bereit, sich mit Sir Geoffrey Nice zu treffen, dem Präsidenten des China Tribunal, um über die neuesten Erkenntnisse zu dieser Praxis der chinesischen Behörden informiert zu werden?
3. Falls er davon Kenntnis hat: Was hat er bis heute diesbezüglich unternommen im Rahmen seines Dialogs mit China über die Menschenrechte?
4. Was gedenkt er in Anbetracht der Schlussfolgerungen des China Tribunals zu unternehmen, damit die Verantwortlichen für diese Menschenrechtsverletzungen verurteilt werden?
5. Ist er nicht der Meinung, dass er all jenen, die im Rahmen der Befehlskette für diese Handlungen verantwortlich sind, die Einreise in die Schweiz verbieten und ihre Konten sperren sollte?
STELLUNGNAHME DES BUNDESRATES VOM 28.08.2019
Fragen 1 bis 3
Gemäss offiziellen Angaben der chinesischen Behörden ist die Entnahme von Organen bei hingerichteten Häftlingen seit 1. Januar 2015 verboten. Die Schweiz teilt jedoch die Besorgnis der Interpellanten in Bezug auf die am 18. Juni 2019 von Sir Geoffrey Nice vorgelegten Schlussfolgerungen des China Tribunal. Die kritisierte Praxis wäre in der Tat eine besonders schwere Verletzung der Menschenrechte in China, namentlich des Grundrechts auf Leben und des Verbots von Folter. Die Schweiz führt mit China einen bilateralen Menschenrechtsdialog, bei dem das Thema Todesstrafe regelmässig angesprochen wird. Ausserdem thematisiert die Schweiz sowohl auf bilateraler Ebene als auch im UNO-Menschenrechtsrat die Rechte der ethnischen und religiösen Minderheiten in China. Namentlich
im Rahmen der dritten allgemeinen regelmässigen Überprüfung (UPR) Chinas im November 2018 legte die Schweiz dem Land nahe, sämtliche im Bericht des China Tribunal erwähnten Umerziehungslager in den uigurischen Gebieten zu schliessen. Im Rahmen des Menschenrechtsdialogs zwischen der Schweiz und China werden regelmässig Fragen und Bedenken in Bezug auf das Justizsystem und den Strafvollzug, einschliesslich der Todesstrafe, erörtert. Auch die Organentnahmen ohne die Zustimmung der Betroffenen wurden angesprochen. Anlässlich eines jährlichen Expertenaustauschs mit dem chinesischen Justizministerium wurden mehrere Strafvollzugsanstalten in der Schweiz und in China besucht. Diese Treffen sind eine Gelegenheit, die chinesischen Behörden auf spezifische Themen wie die Behandlung von Häftlingen und die Bekämpfung von Folter anzusprechen.
Das EDA arbeitet eng mit den entsprechenden NGOs zusammen, um eine Verbesserung der konkreten Achtung der Menschenrechte zu bewirken. In diesem Rahmen könnte ein Treffen mit Sir Geoffrey Nice über die Schlussfolgerungen des China Tribunal zu den Organentnahmen bei hingerichteten Häftlingen stattfinden.
Fragen 4 und 5
Die Schweiz wird den Menschenrechtsdialog mit den chinesischen Behörden fortführen, insbesondere im Hinblick auf eine Verbesserung der Situation von Häftlingen. Sie wird sich ausserdem auf multilateraler Ebene für diese Themen stark machen. Es ist allerdings schwierig, Zugang zu unterschiedlichen und zuverlässigen Quellen über die Organentnahme bei hingerichteten Gesinnungshäftlingen zu erhalten, weil die Daten zu Hinrichtungen unter das Staatsgeheimnis fallen.
ARS MEDICI 22 | 2019
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