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KONGRESSBERICHT
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Psoriasis-Update 2019
Mehr als nur silbrige Schuppen – Psoriasis als Systemerkrankung
Die Sicht auf die Psoriasis hat sich in den letzten Jahren gewandelt: Ihre Bedeutung als belastende, chronische Erkrankung wird heute auch offiziell von der WHO anerkannt, und ihre Auswirkungen auf den gesamten Organismus über die systemischen immunologischen Mechanismen stehen heute mehr denn je im Fokus der Forschung und der Patientenversorgung. Diese aktuelle Sichtweise und die therapeutischen Möglichkeiten fasste Jonathan Barker aus London (GB) auf dem Dermatologie-Weltkongress in Mailand zusammen.
In der entsprechenden Resolution (Nr. WHA67.9) aus dem Jahre 2014 stellte die WHO fest: Psoriasis ist eine chronische, schmerzhafte, stigmatisierende, körperlich behindernde, nicht ansteckende Erkrankung, für die es keine endgültige Heilung gibt (1). Weltweit sind etwa 125 Millionen Menschen betroffen, für sie hat die Erkrankung sowohl körperliche als auch psychosoziale und sozioökonomische Konsequenzen. Häufig ist sie zudem mit der Psoriasis-Arthritis sowie mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Komorbiditäten assoziiert. Infolge eines ungenügenden Zugangs zu medizinischer Versorgung kann sie auch zu einem immensen Leidensdruck der Betroffenen führen.
Neues aus der Ursachenforschung
Die immunologischen Signalwege, die an der Pathogenese der Psoriasis beteiligt seien, seien komplex, betonte Barker, mit vielen Rückkopplungen und Aktivierungskreisen. «Es ist nicht ganz klar, wo die Schleifen beginnen und wo sie enden», betonte der Experte. Genetische Untersuchungen bei Erkrankungen wie der Psoriasis ermöglichen es, einige der beteiligten Signalwege sowie die zugrunde liegende Biologie zu identifizieren. Anhand solcher Forschungen sind auch die Stratifizierung von Subtypen sowie die Entwicklung von personalisierten Therapiestrategien möglich. Darüber hinaus werden auch die Einflüsse von Umgebungsfaktoren immer besser verstanden – als wichtiges Beispiel nannte Barker die Interaktion von genetischen Prädispositionsfaktoren mit dem Hautmikrobiom, dessen wichtige Rolle inzwischen auch bei der Psoriasis zunehmend deutlich wird.
Genetik der Psoriasis
Bezüglich der genetischen Komponente sind mittlerweile über 60 Genloci bekannt, die mit der Psoriasis assoziiert sind; diese erklären etwa 30 Prozent der erblichen Komponente (2). Obwohl die meisten Genloci einen sehr kleinen genetischen Effekt haben, ermöglichen sie doch einen gewissen Einblick in die Pathogenese der Erkrankung. Es gibt eine starke
Korrelation zwischen dem Risiko und dem Erstmanifestationsalter. Die wichtigste genetische Determinante ist HLA-Cw6, dieses Gen beeinflusst die Antigenpräsentation für CD8-positive Zellen und für natürliche Killerzellen des T-Zell-Systems. Für die Träger dieses Gens erhöht sich das Psoriasis-Risiko um den Faktor 4 bis 5, der genetische Effekt dieses Gens ist somit stärker als der aller anderen bekannten Genloci zusammen. Dieser Genfaktor ist bis jetzt keiner therapeutischen Intervention zugänglich. Insgesamt stellte Barker fest, dass die erbliche Disposition bei Weitem der grösste Einflussfaktor sei bei der Frage, wer eine Psoriasis bekomme und wer nicht. Wenn man die genetische und die immunologische Forschung zusammen betrachtet, dann ergibt sich ein recht klares und detailliertes Bild, welche primären pathophysiologischen Mechanismen bei der Psoriasis wirken. Daraus ergeben sich wiederum mögliche Zielstrukturen für die Entwicklung neuer Medikamente. Aufgrund solcher Erkenntnisse seien in der jüngsten Vergangenheit bereits Pharmakotherapien mit einem grossen Benefit für die Patienten entwickelt worden, betonte Barker.
Bedeutung von Mutationen bei Psoriasis-Subtypen
Ein Aspekt, der eine Stratifizierung sinnvoll macht, ist die Betrachtung von klinischen Subtypen der Psoriasis. Als Beispiel nannte Barker die generalisierte pustulöse Psoriasis (GPP): «Es wird zunehmend klar, dass die generalisierte pustulöse Psoriasis einen ganz anderen genetischen Hintergrund hat als die klassische Psoriasis.» So ist die GPP mit Funktionsverlustmutationen im IL-36-RN-Gen assoziiert, das für den IL-36-Rezeptor-Antagonist kodiert. Menschen mit dieser Mutation haben ein stark erhöhtes Risiko für eine sehr früh einsetzende und schwere Psoriasis-Erkrankung. Diese Erkenntnisse konnten mittlerweile auch therapeutisch genutzt werden, indem ein IL-36-Inhibitor entwickelt wurde. Diese neue biologische Therapie führte in einer ersten Proof-ofconcept-Studie bei 7 von 8 Patienten zu einer deutlichen Besserung der Psoriasis nach nur einer Injektion
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(3). «Das ist ein grosser therapeutischer Fortschritt, der durch die genetische und die kausal-biologische Forschung ermöglicht wurde», wie Barker hervorhob.
Adipositas als kausaler Faktor
Grosse Beachtung erfahren mittlerweile auch die besonders häufigen Komorbiditäten der Psoriasis. Neben der Psoriasis-Arthritis und den charakteristischen psychologischen Konstellationen sei dies insbesondere das metabolische Syndrom, wie Barker hervorhob. Diese Komorbiditäten seien nicht nur als beeinträchtigende Krankheiten selbst von Bedeutung, sondern auch deshalb, weil sie die Ergebnisse der Psoriasistherapie verschlechtern könnten. Insbesondere der Body-Mass-Index (BMI) wirkt sich nachweislich negativ auf das Ergebnis einer Psoriasistherapie aus. «Fettleibigkeit ist bei einer Psoriasis ausserordentlich wichtig», betonte Barker und untermauerte dies durch entsprechende Studienergebnisse: In einer Auswertung der Nurses‘ Health Study wurde gezeigt, dass das relative Risiko, eine Psoriasis zu entwickeln, bei jungen erwachsenen Frauen mit dem BMI korreliert: Im Vergleich zu Frauen mit einem BMI von 21,0 bis 22,9 haben Frauen mit einem tieferen BMI ein leicht erniedrigtes Risiko und Frauen mit einem BMI von 35 oder mehr ein fast um den Faktor 3 erhöhtes Risiko (siehe Abbildung a) (4). In einer anderen Studie wiesen Kinder mit Psoriasis ein um den Faktor 4,3 höheres Risiko für Fettleibigkeit auf; bei der Subgruppe mit schwerer Psoriasis lag die Risikoerhöhung sogar bei 4,9, bei derjenigen mit leichter Psoriasis bei 3,6 (Abbildung b) (5). Allerdings bedeutet eine Assoziation nicht zwingend auch eine Kausalität. Deshalb wurde weiter nach den kausalen Zusammenhängen zwischen Psoriasis und Adipositas geforscht. Inzwischen wurde gezeigt, dass ein
höherer BMI tatsächlich das Risiko erhöht, in der Folge auch eine Psoriasis zu entwickeln; dagegen erhöht eine bestehende Psoriasis aber nicht das Risiko für die Entwicklung eines höheren BMI (6). Da die Adipositas gleichzeitig auch ein Marker für ein metabolisches Syndrom sei, lasse sich über diese Assoziation auch die häufige Korrelation zwischen Psoriasis und kardiovaskulären Erkrankungen erklären, so Barker weiter.
Als Take-Home-Messages zur Adipositas hob Barker hervor: s Eine Gewichtserhöhung um 10 kg steigert das Pso-
riasis-Risiko in einem relevanten Ausmass. s Etwa 25 Prozent der Belastung durch Psoriasis ist
auf Adipositas zurückzuführen. s Adipöse Patienten haben eine um 50 Prozent
geringere Wahrscheinlichkeit, auf eine Biologikatherapie anzusprechen. s Durch eine Gewichtsabnahme kann der Langzeitverlauf einer Psoriasis verbessert werden.
Fazit Die bei der Psoriasis häufig beobachteten Komorbiditäten lassen den Schluss zu, dass es sich hier um verschiedene Ausprägungen einer gemeinsamen systemischen Ausgangsstörung handelt, die verschiedene Organsysteme betreffen kann. Psoriasis ist vermutlich nicht die auslösende Erkrankung, sondern eine dieser verschiedenen Ausprägungen. s
Adela Žatecky
Quelle: Plenary-Vortrag von Jonathan Barker, «Psoriasis in 2019», am 24. Weltkongress für Dermatologie, 13. Juni 2019 in Mailand.
Abbildung:
Adipositas und Psoriasis
a) Junge Frauen
3
2,7
2
1,4 1,5
1,2
1
1 0,8
6 4 3,6 2
b) Kinder
4,9 4,3
Relatives Risiko für Psoriasis
< 21,0 21,0–22,9 23,0–24,9 25,0–29,9 30,0–34,9
≥ 35,0
Odds Ratio für Fettleibigkeit*
0
Body-Mass-Index (BMI) Datenbasis: Nurses‘ Health Study (n = 880 Frauen) (4)
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leicht
schwer gesamt
Ausprägung der Psoriasis
Datenbasis: 409 Kinder aus 9 Ländern (5)
*Fettleibigkeit definiert als BMI ≥ 85. Perzentile der Altersgruppe
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Referenzen: 1. WHO: Global Report on Psoriasis. WHO 2016, https://apps.who.
int/iris/bitstream/handle/10665/204417/9789241565189_eng.pdf 2. Tsoi LC et al.: Large scale meta-analysis characterizes genetic ar-
chitecture for common psoriasis associated variants. Nat Comm 2017; 8: 15382. 3. Bachelez H et al.: Inhibition of the Interleukin-36 Pathway for the Treatment of Generalized Pustular Psoriasis. N Engl J Med 2019; 380(10): 981–983. 4. Setty AR et al.: Obesity, waist circumference, weight change, and the risk of psoriasis in women: Nurses, Health Study II. Arch Intern Med 2007; 167: 1670-1675. 5. Paller AS et al.: Association of Pediatric Psoriasis Severity With Excess and Central Adiposity. An International Cross-Sectional Study. JAMA Dermatol 2013; 149(2): 166–176. 6. Ogawa et al.: A Transethnic Mendelian Randomization Study Identifies Causality of Obesity on Risk of Psoriasis. J Invest Dermatol 2019; 139(6): 1397–1400.
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