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Arsenicum: Gratulation eines einfachen FMH-Mitglieds
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Dass es sich bei der FMH um ein demokratisches Gebilde handelt, in dem es Meinungsverschiedenheiten gibt, die offen ausgetragen werden und zu Kurswechseln führen, spricht für die Vereinigung und bedeutet nicht «Ärzteknatsch». Für ihre Exponenten im ZV spricht, und dafür sollte man dankbar sein, dass sie gute Demokraten sind und den Willen der Mitglieder respektieren. Jaques de Haller und Ignazio Cassis haben mit Grandeur und Grandezza akzeptiert, dass ihre Vorstellungen nicht immer von der Mehrheit der FMH-Mitglieder getragen wurden.
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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Gratulation eines einfachen FMH-Mitglieds

Dass es sich bei der FMH um ein demokratisches Gebilde handelt, in dem es Meinungsverschiedenheiten gibt, die offen ausgetragen werden und zu Kurswechseln führen, spricht für die Vereinigung und bedeutet nicht «Ärzteknatsch». Für ihre Exponenten im ZV spricht, und dafür sollte man dankbar sein, dass sie gute Demokraten sind und den Willen der Mitglieder respektieren. Jaques de Haller und Ignazio Cassis haben mit Grandeur und Grandezza akzeptiert, dass ihre Vorstellungen nicht immer von der Mehrheit der FMH-Mitglieder getragen wurden. Beide Charismatiker scheiden aus dem ZV. Ein Verlust. De Haller, von Bernern als «zu sehr Romand» geschmäht und von den Genfern als «trop bernois» verunglimpft, war in Wirklichkeit eine verlässliche Brücke über den Röstigraben, der beide Seelen in seiner Brust hatte. Acht Jahre lang hat er ausgezeichnete Arbeit als FMH-Präsident geleistet. Durchaus auch mal autokratisch, eigenwillig, provozierend, was dem altehrwürdigen Verein guttat. Ein Mann mit vielen Facetten, dem sein SP-Engagement von vielen Mitgliedern übel genommen wurde. Einer, der glänzend repräsentieren und debattieren konnte, ein Workaholic für die Interessen der Ärzteschaft. Er konnte auch exzellent zuhören, seine Meinung revidieren, wenn ihn die Argumente der anderen überzeugten, was nichts mit «Zick-Zack-Kurs» zu tun hatte. Wie er 2009 in seinem Editorial zur Mitgliederbefragung schrieb, sind ÄrztInnen komplexe Menschen, ist die FMH zur Gratwanderung zwischen der «Standespolitik» einerseits und der «Gesundheitspolitik» andererseits gezwungen. Er konnte es nicht immer allen recht machen – wer kann das schon? – aber er hat sehr vieles recht gemacht. Ein riesengrosses Merci hat er sich verdient. Mille Grazie gebührt auch dem scheidenden FMH-Vize, Nationalrat Ignazio Cassis, für den leider kein/e Tessiner/in im ZV nachrückt. Für manche ist der kluge Charmeur manchmal zu schnell unterwegs, sie können ihm dann nicht folgen. Doch der gewiefte (Standes-)Politiker hat dem manchmal trägen Karren FMH viel Power, Know-how und Glamour gegeben. Auch ihn werden wir sehr vermissen. Da er aber vermutlich Bundesrat werden wird, kann er die gewonnene Zeit dafür nutzbringend einsetzen. Auch JdH, der herausfordernde berufliche Pläne, eine faszinierende Ehefrau und viele Hobbys hat, wird die Lücken in seiner Agenda schnell füllen.

Ein grosser Gewinn ist der neue Präsident, der nicht antrat, um es zu werden, aber den alle wollten. Mit guten Gründen. 1. Kollege Jürg Schlup ist ein durch und durch integerer Mensch. Zyniker mögen einwenden, dass dies mit (standes-)politischer Tätigkeit unvereinbar ist. Aber das ärztliche Ethos gebietet es. 2. Er ist «freisinnig» im wahrsten Sinne des Wortes, liberal und sozial eingestellt, kein Dogmatiker, kein Ideologe, sondern einer, der nachdenkt. 3. Konflikte löst er kompetent auf Berner Art: bedächtig, sorgfältig, mediatorisch vermittelnd, fair. Statt «schnell» geht es «gleitig». 4. Er ist einer, der Win-win-Situationen schaffen will und dies meist auch schafft. 5. Ob Notfalldienst im Grauholz, ob Geschicke der Berner Ärztegesellschaft, ob Konflikte mit Krankenversicherern, Behandlung von seinen PatientInnen oder liebevolle Ausbildung von jungen HausarztkollegInnen – der Zollikofer meisterte das alles perfekt und mit ruhiger Hand. 6. Er ist ein Meister des Understatements, grundbescheiden und bodenständig, mit einer weitgefächerten Weiterbildung, die nicht nur verschiedenste medizinische Disziplinen, sondern auch Arbeit bei Behörden, betriebswirtschaftliche Studien und einen Auslandsaufenthalt einschliesst. Kollege Urs Stoffel, der Zürcher, der bestens weiss, wie man eine scharfe Klinge erfolgreich führt, ist ein guter Turbopartner, den die Ärztekammer im ZV wollte – Danke! Leider sind wieder nur zwei Frauen im neunköpfigen Gremium, was angesichts der Feminisierung der Medizin nicht repräsentativ für die FMH-Mitglieder ist. Zwar ein bisschen sehr bürgerlich ist der ZV (Anm. des Layouters: Das wird unser Verleger gut finden!), aber der Hauch von Zauberformel wird der Konkordanz nützen. Und es hat genug Aufmüpfige, damit nicht alles geschluckt wird, was man der Ärzteschaft zumutet. Im Schreibtischsessel meiner Praxis sitzend, standespolitisch nur rudimentär aktiv, realisiere ich Hausarzt doch, wie gross und komplex die Probleme für die FMH und den ZV sind und wie viel Einsatz und Können es zu ihrer Lösung braucht. Den KollegInnen wünsche ich viel Glück und Erfolg, danke ihnen für ihre Bereitschaft und der Ärztekammer für die gute Wahl.

ARSENICUM

600

ARS MEDICI 12 ■ 2012