Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Gesundheitspolitik
Ein Drittel lehnt jede Sparmassnahme ab
Das Online-Vergleichsportal bonus.ch hat unter rund 3000 Schweizerinnen und Schweizern eine Umfrage durchgeführt, mit welcher Massnahme sie einverstanden wären, um die Krankenkassenprämien senken zu können. Die Befragten konnten sich unter den folgenden Optionen nur für eine einzige entscheiden:
s weniger Leistungen in der Grundversicherung
s Schliessung von Spitälern s obligatorisch zuerst immer einen
Allgemeinmediziner anstelle eines Spezialisten aufsuchen s obligatorisch zuerst immer einen Apotheker fragen (dieser Apotheker wäre autorisiert für Konsultationen) s eine höhere Minimalfranchise als 300 Franken akzeptieren s Selbstbehalt pro Jahr über 700 Franken erhöhen s keine dieser Massnahmen.
Ein Drittel der Befragten wählten das Hausarztmodell (32%), fast genauso viele stimmten keiner der genannten Massnahmen zu (30%). Für die anderen Vorschläge fanden sich folgende Zustimmungsraten: Apotheker zuerst
(12%), Spitalschliessungen (9%), Franchisenerhöhung (9%), weniger Leistungen (5%), Selbstbehalt erhöhen (3%). Die grössten regionalen Unterschiede gab es bei der Schliessung gewisser Spitäler. Dieser Massnahme stimmten 17 Prozent der Befragten in der Deutschschweiz und 14 Prozent im Tessin zu, aber nur 4 Prozent in der Romandie. Die Ablehnung jeglicher Sparmassnahmen kam bei den befragten Frauen häufiger vor als bei den Männern (35% vs. 25%). Regional war die Ablehnung im Tessin (31%) und in der Romandie (32%) höher als in der Deutschschweiz (24%).RBO s
Medienmitteilung und Umfrageergebnisse von bonus.ch vom 9. Oktober 2019.
Foto: MangoStar_Studio
Neurologie
Neuer Risikomarker für Alzheimer-Demenz
Der Nachweis einer fehlerhaften Faltung des Proteins Amyloid-β im Blut zeigte bei noch symptomfreien Menschen, die später tatsächlich Alzheimer entwickelten, ein deutlich erhöhtes Erkrankungsrisiko an – bis zu 14 Jahre vor der klinischen Diagnose der Demenz. Die Amyloid-β-Faltung erwies sich anderen untersuchten Risikomarkern als überlegen. Dies zeigte ein Team von Wissenschaftlern um Prof. Klaus Gerwert, Ruhr-Universität Bochum, und Prof. Hermann Brenner, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg, in einer kürzlich publizierten Studie. Die fehlerhafte Faltung der Amyloid-βProteine, die sich letztlich als Amyloidplaques im Gehirn ablagern, beginnt bereits 15 bis 20 Jahre vor dem Auftreten der ersten Symptome. In einer früheren Forschungsarbeit hatten Gerwert und Brenner bereits nachgewiesen, dass der Nachweis von fehlgefaltetem Amyloid im Blut mit der Plaquebildung im Gehirn korreliert.
Um die Bedeutung von Amyloid-β im Blut als Risikomarker für die Alzheimer-Demenz abzuklären, griffen die Forscher auf Blutproben einer seit dem Jahr 2000 laufenden Kohortenstudie zurück, in die Personen ohne Demenzsymptome aufgenommen wurden. Im Lauf der 14 Follow-up-Jahre wurde bei 150 Personen eine Demenz diagnostiziert. Ihre Eingangsblutproben wurden mit den Blutproben von 620 Kohortenteilnehmern ohne bekannte Demenzdiagnose verglichen, die den Erkrankten in Alter, Geschlecht und Bildungsniveau entsprachen. Bei denjenigen, die später tatsächlich Alzheimer entwickelten, zeigte die Amyloidbestimmung ein gegenüber der Kontrollgruppe bis zu 23-fach erhöhtes Erkrankungsrisiko an. Bei anderen Demenzformen lieferte die Untersuchung keine Hinweise auf erhöhte Risiken, sie ist also spezifisch für die Alzheimer-Demenz. Für die Risikovorhersage spielte es keine wesentliche Rolle, ob zwischen
Entnahme der Blutprobe und dem Be-
ginn der klinisch manifesten Demenz 0
bis 8 oder 8 bis 14 Jahre lagen.
Als Werkzeug zur Ermittlung des indi-
viduellen Alzheimer-Risikos wollen die
Forscher ihre Entdeckung jedoch nicht
verstanden wissen. Sie wollten vielmehr
prüfen, ob dieser Laborwert für eine
Risikostratifizierung grösserer Bevölke-
rungsgruppen geeignet sei, so Hannah
Stocker, Erstautorin der Publikation.
Um die Eignung des Laborverfahrens
zur Ermittlung des individuellen Alz-
heimer-Risikos bei beschwerdefreien
Menschen zu prüfen, seien weitere Stu-
dien erforderlich.
dkfz/RBO s
Medienmitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums (dkfz) auf idw-online.de am 14. Oktober 2019. Stocker H et al.: Prediction of Alzheimer’s disease diagnosis within 14 years through Aβ misfolding in blood plasma compared to APOE4 status, and other risk factors. Alzheimer & Dementia 2019; online first 11 Oct 2019.
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ARS MEDICI 21 | 2019
Infektiologie
Tierfutter mit Rohfleisch als Gesundheitsrisiko
Rückspiegel
In jedem zweiten Hundefutter mit rohem Fleisch finden sich multiresistente Bakterien. Das zeigt eine Untersuchung der Universität Zürich von 51 Rohfutterproben verschiedener Anbieter sogenannter «Barf»-Produkte (biologically appropriate raw food). Diese Produkte enthalten unter anderem rohes Fleisch, Schlachtnebenprodukte und Knochen. «Uns hatte aufgeschreckt, dass multiresistente Keime bei Hunden und Katzen so häufig nachgewiesen werden können», so Prof. Roger Stephan, Universität Zürich. Als einen möglichen Übertragungsweg vermutete man die Verfütterung von rohem Fleisch. Tatsächlich fanden sich in 61 Prozent der Futterproben Bakterien, die Beta-Laktamasen mit einem breiten Wirkungspektrum produzieren (ESBL). Diese Enzyme machen auch Breitspektrumantibiotika wirkungslos. Bei 73 Prozent der Futterproben
wurde der Richtwert für Enterobakterien über-
schritten. Zweimal wurden Salmonellen und
zweimal Escherichia coli mit dem Colistin-Re-
sistenzgen mcr-1 entdeckt. Dieses Resistenzgen
setzt das Reserveantibiotikum Colistin ausser
Kraft, ein Resistenzmechanismus, der kürzlich
erstmals in China nachgewiesen wurde.
«Barfen» sei aus Sicht der Forschenden da-
rum ein bedeutender Risikofaktor für die
Übertragung antibiotikaresistenter Bakte-
rien.
UZH/RBO s
Medienmitteilung der Universität Zürich am 16. Oktober 2019. Nüesch-Inderbinen M et al.: Raw meat-based diets for companion animals: a potential source of transmission of pathogenic and antimicrobial-resistant Enterobacteriaceae. Royal Society Open Science 6: 191170. DOI: 10.1098/rsos.191170
Orthopädie
Schulterschmerzen haben nicht nur orthopädische Ursachen
Schulterschmerzen sind nach Rücken- und Knieschmerzen die dritthäufigste Erkrankung des Bewegungs- und Halteapparats. Die Ursache können Muskelverspannungen, Erkrankungen von Knochen und Gelenken, Haltungsschäden, Muskel- und Bandverletzungen, aber auch Tumoren sein. Doch nicht immer rührt der Schulterschmerz aus dem Schultergelenk selbst. So kann einseitiger akut auftretender Schulterschmerz während sportlicher Aktivität auch ein Hinweis auf einen Herzinfarkt sein. Vielen sei nicht bewusst, dass auch die Bereiche Arm, Nacken und Wirbelsäule oder Erkrankungen der inneren Organe eine Rolle bei Schmerzen in der Schulter spielen könnten, heisst es in einer Medienmitteilung anlässlich des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DOKU) in Berlin. Ebenso können eine Funktionsstörung der Schilddrüse, Diabetes mellitus und rheumatische Erkrankungen mit chronischem Schmerz in der Schulter assoziiert sein. So erkranken Patienten mit Diabetes und Schilddrüsenerkrankungen häufiger an «frozen shoulder», und jeder fünfte Diabetespatient leidet unter Schulterschmerzen und Bewegungseinschrän-
kungen. Die Ursachen hierfür sind bislang noch nicht geklärt, im Fokus der Untersuchungen stehen Entzündungsprozesse, Durchblutungsstörungen und Zuckeranhaftungen an Bindegewebsfasern. Funktionelle Therapiemassnahmen wie Physiotherapie und eine medikamentöse Behandlung helfen vielen Schulterschmerzpatienten. Ist eine konservative Therapie erfolglos, helfe häufig auch die Arthroskopie: «Wir haben in der Arthroskopie erhebliche Fortschritte gemacht», betont Professor Markus Scheibel, Chefarzt für Schulter- und Ellenbogenchirurgie an der Schulthess Klinik in Zürich. Selbst komplexe rekonstruktive Eingriffe seien mittlerweile per Gelenkspiegelung mit deutlich weniger Risiken möglich. Insbesondere bei Schulterinstabilitäten, bei denen durch Unfälle oder anatomische Fehlstellungen das Schultergelenk instabil wird, sei die Arthroskopie inzwischen einer offenen Operation vorzuziehen, so Scheibel. DOKU/RBO s
Medienmitteilung anlässlich des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DOKU) in Berlin vom 14. Oktober 2019.
Vor 10 Jahren
Impfstoff in den Müll
Für die Schweiz werden 13 Millionen Impfdosen gegen die Schweinegrippe bestellt, um 80 Prozent der Bevölkerung zweimal impfen zu können. Weil sich später herausstellte, dass eine Dosis eigentlich gereicht hätte und die Impfbereitschaft gering war, blieben am Ende gut 10 Millionen Impfdosen übrig. Davon wurden im Folgejahr 1,8 Millionen ins Ausland verkauft, verschenkt oder an die WHO gespendet. Die weitaus meisten Impfdosen wurden im Lauf der Zeit wegen Ablauf des Verfalldatums entsorgt.
Vor 50 Jahren
Süssstoff als Krebsrisiko
In den USA gerät der synthetische Süssstoff Zyklamat in die Schlagzeilen, weil er in Tierversuchen das Krebsrisiko erhöhte. Wie übertragbar diese Resultate auf den Menschen sind, ist bis heute umstritten. In den USA ist Zyklamat seit 1970 verboten. In Europa und der Schweiz ist der Süssstoff mit der Abkürzung E952 erlaubt. Als Höchstgrenze setzt die EU einen täglichen Konsum von maximal 7 mg/kg Körpergewicht an, gemäss WHO dürfen es 11 mg/kg Körpergewicht sein.
Vor 100 Jahren
Parlamentswahl nach dem Proporzprinzip
Erstmals wird das Schweizer Parlament nach dem Porporzprinzip gewählt. Während zuvor das Majorzwahlprinzip galt (the winner takes it all), werden die Sitze nun nach dem Verhältnis der Stimmen verteilt, die eine Partei erhält. Die Schweizer Stimmbürger hatten sich 1918 mit Zweidrittelmehrheit dafür ausgeprochen, zum Verhältniswahlrecht zu wechseln. Turnusgemäss hätte die Wahl erst 1920 stattfinden sollen, wurde jedoch angesichts der krisenhaftenSituation,dieineinemGeneralstreik Ende 1918 gipfelte, um ein Jahr vorgezogen.
RBO s
ARS MEDICI 21 | 2019