Transkript
Rheumatologie/Orthopädie
Kardiale Komplikation der rheumatoiden Arthritis
Bei Rheumatikern ans Herz denken
Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis lohnt sich die Suche nach kardialen Komorbiditäten, die im Rahmen dieser rheumatischen Erkrankung entstehen können. Wie das Herz geschädigt wird und welche Massnahmen die kardiovaskuläre Prognose beeinflussen können, erklärte PD Dr. Stefano Muzzarelli, Cardiocentro Ticino, Lugano, am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie (SGK) in Interlaken.
Etwa 1 Prozent der Bevölkerung wird im Laufe ihres Lebens eine rheumatoide Arthritis entwickeln. Die Erkrankung manifestiert sich meist bei Personen ab 40 Jahren und betrifft doppelt so häufig Frauen. Eine rheumatoide Arthritis zeigt sich bei Krankheitsbeginn klinisch durch Gelenkschwellungen und -schmerzen an mindestens drei Gelenken während mehr als sechs Wochen, Schwäche und Gelenksteifigkeit, Fatigue, Malaise oder Fieber (1). Diese Erkrankung befällt aber nicht nur Gelenke, 40 Prozent der Betroffenen entwickeln extraartikuläre Manifestationen (Kasten), die die Morbidität wie auch die Mortalität des Patienten erhöhen. Als Risikofaktoren gelten zunehmendes Alter, positiver Rheumafaktor, frühzeitige Invalidität und Rauchen. Zu den betroffenen Organen gehört unter anderem auch das Herz. Kleinere Perikardergüsse sind relativ häufig (10–30%), eine aktive beziehungsweise symptomatische Perikarditis tritt bei 10 Prozent der Patienten im Lauf ihrer rheumatoiden Arthritis auf. Das Myokard kann ebenfalls betroffen sein. Eine akut verlaufende Myokarditis kann auftreten, ist aber selten. Viel häufiger (bis 46%) kommt es zu einer subklinischen Myokardfibrosierung (2, 3), was gemäss Muzzarelli der Entwicklung einer Herzinsuffizienz oder einer diastolischen Dysfunktion Vorschub leistet. Des Weiteren können
KURZ & BÜNDIG
� Rheumatoide Arthritis kann kardiovaskuläre Komplikationen hervorrufen.
� Das Risiko steigt mit zunehmender Krankheitsschwere an.
� Patienten mit rheumatoider Arthritis haben ein gleich grosses Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Typ-2-Diabetiker.
� Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis soll aktiv nach Zeichen für kardiovaskuläre Erkrankungen gesucht und deren Risikofaktoren behandelt werden.
auch die Herzklappen betroffen sein: Entzündung, Rheumaknoten, valvuläre Dysfunktion und eine daraus entstehende Embolie können zum Problem werden (4). Rheumaknoten im Myokard können auch einen AV-Block provozieren (5). Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis ist die Inzidenz von Vorhofflimmern um 40 Prozent höher als in der Gesamtbevölkerung, und die Hirnschlaginzidenz ist um 30 Prozent erhöht, wie eine dänische Kohortenstudie zeigte (6). Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis sterben, verglichen mit der Gesamtbevölkerung, doppelt so häufig an einer koronaren Herzerkrankung (KHK). Das zeigte eine Metaanalyse über 24 Beobachtungsstudien (n = 111 758) (7). Patienten mit rheumatoider Arthritis haben auch ein höheres Risiko für KHK-Risikofaktoren beziehungsweise für eine Atherosklerose. Entzündung sowie die Einnahme von nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) und Kortikosteroiden verstärkten das Risiko zusätzlich, so Muzzarelli. Mit zunehmender Krankheitsschwere nimmt auch die Koronarverkalkung zu (8).
Kardiovaskulärer Risikoscore für Rheumatiker ungenügend
Deshalb sollte bei Patienten mit rheumatoider Arthritis der kardiovaskuläre Risikoscore wie die Framingham- oder die SCORE-Charts zur kardiovaskulären Risikostratifizierung nicht angewendet werden, denn die Aussagekraft sei bei ihnen schwach, so Muzzarelli. Eine prospektive, drei Jahre dauernde Studie verglich die Inzidenz von kardiovaskulären Erkrankungen von gesunden Personen mit Patienten mit Typ-2-Diabetes und mit Patienten mit rheumatoider Arthritis. Es zeigte sich, dass das Risiko für die Entwicklung einer kardiovaskulären Erkrankung für die Rheumatiker etwa in gleichem Mass erhöht war wie für Diabetiker (Hazard Ratio: 2,16 bzw. 2,04) (9). Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis ist es deshalb angebracht, aktiv nach kardiovaskulären Risikofaktoren oder Erkrankungen zu suchen. Hinweise für eine hohe kardiorelevante Krankheitsschwere der rheumatoiden Arthritis sind ein CDAI-Score (Clinical Disease Activity Index) > 10,
10 ARS MEDICI DOSSIER VII | 2019
Rheumatologie/Orthopädie
Kasten:
Extraartikuläre Manifestationen der rheumatoiden Arthritis
• Herz: Erguss und Fibrosierung in Perikard und Myokard, Klappenerkrankung, Arrhythmien, koronare Herzerkrankung
• Augenbeteiligung • Muskelschwäche • Osteopenie • Hauterkrankungen: Rheumaknoten, Ulzera • Nervensystem • Lungenerkrankung: Fibrose, Knoten, Pleuraerguss • Niere: Glomerulonephritis, Typ-AA-Amyloidosis
ein M-HAQ-DI (Modified Health Assessment Questionnaire Disability Index) > 0,5, ein täglicher Prednisonverbrauch sowie eine Krankheitsdauer > 10 Jahre (10).
Massnahmen zur Prognoseverbesserung
Mit der Behandlung der rheumatoiden Arthritis lässt sich die
Prognose hinsichtlich einer Entwicklung von kardiovasku-
läre Ereignissen verbessern: Mit TNF-a-Hemmern und Me-
thotrexat verbessert sich die Prognose, während Kortikoste-
roide und NSAR diese verschlechtern, wie ein systematisches
Review über diesbezügliche Therapiestudien nahelegt (11).
Einen weiteren Beitrag zur Prognoseverbesserung kann mit
der Behandlung der Risikofaktoren geleistet werden wie
auch mit der Restriktion von NSAR, COX-2-Hemmern und
Kortikosteroiden. Aus diesem Grund sei eine enge Zusam-
menarbeit mit dem Rheumatologen von Vorteil, so Muzza-
relli abschliessend.
s
Quelle: «Impact of Rheumatoid Arthritis on cardiovascular disease», gemeinsa-
mer Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie (SGK) und
der Schweizerischen Gesellschaft für Herzchirurgie (SSCS), 19. bis 21. Juni 2019 in
Interlaken.
Referenzen: 1. Lee DM et al.: Rheumatoid arthritis. Lancet 2001; 358: 903–911. 2. Wislowska M et al.: Echocardiographic findings and 24-h elec-
trocardiographic Holter monitoring in patients with nodular and non-nodular rheumatoid arthritis. Rheumatol Int 1999; 18: 163–169. 3. Ntusi NAB et al.: Diffuse myocardial fibrosis and inflammation in rheumatoid arthritis: insights from CMR T1 mapping. JACC Cardiovasc Imaging 2015; 8: 526–536. 4. Kang H et al.: Embolic complications of a mitral valve rheumatoid nodule. J Rheumatol 2004: 31: 1001–1003. 5. Ahern M et al.: Complete heart block in rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis 1983; 42: 389–397. 6. Lindhardsen J et al.: Risk of atrial fibrillation and stroke in rheumatoid arthritis: Danish nationwide cohort study. BMJ 2012; 344: e1257. 7. Avina-Zubieta JA et al.: Risk of cardiovascular mortality in patients with rheumatoid arthritis: a meta-analysis of observational studies. Arthritis Rheum 2008; 59: 1690–1697. 8. Chung CP et al.: Increased coronary-artery atherosclerosis in rheumatoid arthritis: relationship to disease duration and cardiovascular risk factors. Arthritis Rheumatism 2005; 52: 3045– 3053. 9. Peters MJ et al.: Does rheumatoid arthritis equal diabetes mellitus as an independent risk factor for cardiovascular disease? A prospective study. Arthritis Rheumatism 2009: 61: 1571–1579 10. Solomon DH et al.: Derivation and internal validation of an expanded cardiovascular risk prediction score for rheumatoid arthritis: a consortium of rheumatology researchers of North America registry study. Arthritis Rheumatism 2015: 67: 1995–2003. 11. Roubille C et al.: The effects of tumour necrosis factor inhibitors, methotrexate, non-steroidal anti-inflammatory drugs and corticosteroids on cardiovascular events in rheumatoid arthritis, psoriasis and psoriatic arthritis: a systematic review and meta-analysis. Ann Rheum Dis 2015; 74: 480–489.
Valérie Herzog
Foto: mue
11 ARS MEDICI DOSSIER VII | 2019