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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Onkologie
Rheuma ist häufige Nebenwirkung von Checkpoint-Inhibitoren
Checkpoint-Inhibitoren wie Ipilimumab, Nivolumab, Pembrolizumab, Atezolizumab, Durvalumab und Avelumab verstärken die körpereigene Immunabwehr gegen den Tumor, indem sie auf unterschiedlichen Wegen verhindern, dass sich Krebszellen der Abwehr durch T-Lymphozyten entziehen können. «Die Angriffsbereitschaft der T-Zellen wird gesteigert, und das Immunsystem des Körpers drängt vormals unheilbare Krebserkrankungen, wie Melanom und Lungenkrebs, zurück», erläutert Prof. Dr. med. Hendrik Schulze-Koops, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), die Wirkung der neuen Onkologika. Die Angriffslust der T-Zellen ist jedoch nicht auf die Tumoren beschränkt. Sie können auch gesunde körpereigene Zellen angreifen und sind wichtige Akteure bei Auto-
immunerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis. Gelenkbeschwerden gehören deshalb zu häufigen Nebenwirkungen der Checkpoint-Inhibitoren. Bis zu 70 Prozent der Patienten erleiden während einer Therapie beispielweise Muskel- oder Gelenkschmerzen oder auch Entzündungen der Tränen- oder Speicheldrüsen, wodurch es zu einer Trockenheit der Schleimhäute kommt. In Einzelfällen werden auch die Blutgefässe angegriffen, oder es kommt zu Autoimmunerkrankungen. Da die Antikrebswirkung der Checkpoint-Inhibitoren von der Aktivierung der T-Zellen abhängt, sind auch die immunologischen Nebenwirkungen umso stärker, je besser die Medikamente wirken. «Etwa zwei Drittel der Patienten, bei denen sich der Tumor teilweise oder ganz zurückbildet, leiden
unter den Immunnebenwirkungen», so
Schulze-Koops. Starke Gelenkbe-
schwerden oder andere Autoimmun-
phänomene seien deshalb im Prinzip
ein gutes Zeichen für die Patienten.
Um diese Nebenwirkungen zu lindern,
erhalten die Patienten bei Bedarf die glei-
chen Basismedikamente, die auch bei
Rheuma zum Einsatz kommen. Schwere
Schübe werden mit Kortison abgefan-
gen, danach erhalten die Patienten Me-
thotrexat. Es sei deshalb entscheidend,
dass im Rahmen einer Therapie mit
Checkpoint-Inhibitoren rechtzeitig ein
Rheumatologe hinzugezogen werde, so
die DGRh.
DGRh/RBO s
Medienmitteilung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) vom 11. September 2019.
Kardiologie
Wie rasch sinkt das kardiovaskuläre Risiko nach dem Rauchstopp?
Wer mit dem Rauchen aufhört, vermindert sein kardiovaskuläres Risiko bereits in den ersten fünf Jahren nach dem Rauchstopp erheblich. Bis das Risikoniveau von lebenslangen Nichtrauchern erreicht werde, dauere es jedoch wesentlich länger, zumindest für schwere Raucher, so die Autoren einer kürzlich publizierten Studie. Sie beziffern das Intervall für ehemals schwere Raucher auf durchschnittlich 10 bis 15 Jahre; es könnten aber auch 25 Jahre sein. Als schwere Raucher wurden Personen mit mindestens 20 Packungsjahren definiert. Diesen Wert erreichen beispielsweise Personen, die 10 Jahre lang 2 Schachteln Zigaretten pro Tag rauchen oder 20 Jahre lang 1 Schachtel pro Tag (Anzahl Packungsjahre = pro Tag gerauchte Packungen × Anzahl Raucherjahre). Die Daten stammen von Teilnehmern der Framingham-Herz-Studie. In dieser Kohortenstudie werden seit 1948 Einwohner der Stadt Framingham, USA, regelmässig untersucht, um kardiovaskuläre Risikofaktoren zu identifizieren.
In der aktuellen Auswertung wurde die Inzidenz kardiovaskulärer Diagnosen (CVD: Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz oder kardiovaskulär bedingter Tod) und der kontinuierliche Raucherstatus der ersten und zweiten Generationskohorte der Framingham-Studie miteinander korreliert. Diese Personen wurden von 1948 bis 1952 beziehungsweise von 1971 bis 1975 in das Framingham-Kollektiv aufgenommen. Das Follow-up betrug im Durchschnitt rund 26 Jahre. Andere kardiovaskuläre Risikofaktoren neben dem Rauchen wurden statistisch berücksichtigt. Die CVD-Inzidenz betrug gemäss den gepoolten Daten beider Generationen für lebenslange Nichtraucher 5,09 pro 1000 Personenjahre. Für schwere, aktive Raucher waren es 11,15 pro 1000 Personenjahre. 5 Jahre nach dem Rauchstopp waren es 6,94 pro 1000 Personenjahre für ehemals schwere Raucher. Anders ausgedrückt und mit Angabe der statistischen Streuung
(95%-Konfidenzintervall) bedeutet das Folgendes: Innert 10 Jahren trat eine CVD ein bei s 4 bis 6 von 100 lebenslangen Nicht-
rauchern, s 10 bis 13 von 100 schweren Rau-
chern s 6 bis 9 von 100 seit 5 Jahren absti-
nenten Ex-Rauchern s 4 bis 8 von 100 seit 10 bis 15 Jahren
abstinenten Exrauchern Die Resultate der beiden Generationen unterscheiden sich jedoch erheblich, sodass es auch länger dauern könnte. Während das Intervall bis zum Erreichen des Nichtraucherrisikos in der ersten Generationenkohorte nur 5 bis 10 Jahre betrug, waren es in der zweiten Generation mindestens 25 Jahre. Zum Risikorückgang bei Ex-Rauchern mit weniger als 20 Packungsjahren machen die Studienautoren keine Angaben.
RBO s
Duncan MS et al.: Association of smoking cessation with subsequent risk of cardiovascular disease. JAMA 2019; 322(7): 642–650.
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ARS MEDICI 19 | 2019
Chirurgie
Aortenprothese für ein Kind
Rückspiegel
Bei einem Neunjährigen wagte ein Ärzteteam am Universitätsspital Zürich wegen einer Aortendissektion den Ersatz von Teilen der Aorta durch eine Prothese. Es war weltweit und notfallmässig eine der ersten Operationen dieser Art bei einem Kind. Das Kind leidet am Loeys-Dietz-Syndrom (LDS), einer angeborenen Bindegewebserkrankung. Die Krankheit manifestiert sich vor allem als Aortenaneurysma. Betroffene leiden unter anderem aber auch an Gefässveränderungen im gesamten Körper, Gesichtsauffälligkeiten und überbeweglichen Gelenken, die zu einer generellen Körperinstabilität führen können. Meistens geht mit LDS auch ein angeborener Herzfehler einher. Die Krankheit ist extrem selten, in der Schweiz gibt es nur wenige betroffene Personen. Der Neunjährige wurde an der Klinik für Gefässchirurgie am Universitätsspital Zürich von Prof. Alexander Zimmermann, USZ, und Prof. René Prêtre, CHUV, operiert. Die geschädigte Aorta wurde bis auf einen nicht von der Dissektion betroffenen Gefässanteil auf einer Länge von zirka 40 cm vollständig durch eine Gefässprothese ersetzt. Der Patient überstand die beiden dafür nötigen Eingriffe sehr gut und erholte sich rasch. Falls der verbliebene natürliche Teil der Aorta ausreicht, um das zu erwartende Grössenwachstum aus-
zugleichen, werden keine weiteren Operatio-
nen nötig sein.
Weltweit sind nur drei Fälle von LDS-Patien-
ten bekannt, bei denen schon im Kindesalter
der Ersatz der Aorta aufgrund einer Aorten-
dissektion nötig war.
USZ/RBO s
Medienmitteilung des Universitätsspitals Zürich vom 17. September 2019.
Prof. Alexander Zimmermann und Prof. René Prêtre im OP (Foto: Michael Hofmann, USZ)
Labor
Handlicher Methanolnachweis
An der ETH in Zürich hat das Team von Dr. Andreas Güntner gemeinsam mit Forschern am Universitätsspital Zürich ein tragbares und günstiges Messgerät entwickelt, mit dem man Methanol von Ethanol rasch unterscheiden kann. Damit wird es möglich, gepantschte und verunreinigte Alkoholika sowie Methanol in der Atemluft bei Vergiftungen einfach und innert zwei Minuten zu diagnostizieren. Schon wenig Methanol kann zu Erblindung oder unbehandelt zum Tod führen. Mit Methanol verunreinigte alkoholische Getränke führen immer wieder zu Vergiftungsfällen, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern. Bisher konnte Methanol nur in einem chemischen Analyselabor von Ethanol unterschieden werden.
Der Alkoholsensor besteht aus Nanoparti-
keln aus Zinnoxid, das mit Palladium versetzt
ist. Der Clou: Die Proben gelangen nicht di-
rekt auf den Sensor, sondern die beiden Alko-
hole werden auf dem Weg zum Sensor bei der
Passage durch ein Röhrchen mit einem porö-
sen Polymer getrennt. Methanol passiert das
Polymerröhrchen aufgrund seiner kleineren
Molekülgrösse nämlich schneller als Ethanol.
Die Forscher meldeten ihre neue Messme-
thode zum Patent an und arbeiten nun an der
Entwicklung eines Messgeräts für den Einsatz
in der Praxis.
ETH/RBO s
Medienmitteilung der ETH vom 16. September 2019.
Vor 10 Jahren
Unerlaubte Werbung
In den USA zahlt das Pharmaunternehmen Pfizer mit 2,3 Milliarden Dollar die bis anhin höchste Summe, um einen Rechtsstreit mit dem US-Justizministerium im Rahmen eines Vergleichs beizulegen. Das Unternehmen hatte für verschreibungspflichtige Mittel in einer in den USA unzulässigen Weise geworben. Pfizer ist kein Einzelfall, auch andere Pharmaunternehmen geraten wegen ähnlicher Vergehen ins Visier der Justizbehörden.
Vor 50 Jahren
EKG-Elektroden im Test
Nach und nach setzen sich Einmal-Elektroden für das EKG durch. Im «British Medical Journal» erscheint ein ausführlicher Testbericht. Sowohl teure als auch preiswerte Modelle schneiden dabei gut ab.
Vor 100 Jahren
Auswandern für Ärzte
Ein Kollege aus Wien informiert in ARS MEDICI über die Chancen für europäische Ärzte in Nord- und Südamerika. Die Aussichten seien in den USA nicht schlecht, weil die Bevölkerung dort wachse und immer wohlhabender werde, sodass mehr Ärzte ihr Auskommen finden könnten. Die soziale Stellung des Arztes sei jedoch nicht mit derjenigen in Europa zu vergleichen, da in den USA niemand eine Respektperson sei, sondern der Status von der gesellschaftlichen Schicht des Einzelnen abhänge. Ganz anders sehe das in Südamerika aus, wo der Arzt per se zur Oberschicht gehöre. Im Gegensatz zu den USA herrsche in Südamerika aber kein Ärztemangel, und die Einwanderung sei schwieriger. Es sei eine komplizierte Prüfung zu bestehen, in der «pedantische Bücherweisheit wie in allen Ländern romanischer Kultur» abgefragt werde. Sein Tipp: «Beziehungen zu dortigen Universitätskreisen dürften mildernd auf die Rigorosität der Prüfung einwirken.»
RBO s
ARS MEDICI 19 | 2019