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Systemische Sklerose
Viele Therapieziele, kleine Erfolge
In der Therapie der systemischen Sklerose (SSc) fehlen die grossen Durchbrüche, wie sie beispielsweise bei der rheumatoiden Arthritis durch die Biologika-Therapie erzielt wurden. Dennoch haben viele kleine Erfolge ein deutlich effizienteres Management der Komplikationen möglich gemacht und so die Situation der Betroffenen erheblich verbessert.
Durch die Einführung der sogenannten Biologika haben sich die therapeutischen Optionen bei vielen entzündlich rheumatischen Erkrankungen deutlich verbessert. Dies trifft allerdings nicht oder nur in vergleichsweise geringem Mass auf die rheumatischen Bindegewebserkrankungen zu. Insbesondere bei der systemischen Sklerose wurden mit den immunmodulatorischen und immunsuppressiven Biologika bisher lediglich geringe Erfolge erzielt. Dabei gibt die komplexe Pathophysiologie der systemischen Sklerose, so Prof. Yannick Allanore aus Paris (F), durchaus Hoffnung hinsichtlich einer Beeinflussung über mehrere unterschiedliche immunologische Targets. Daten aus rezenten Studien liegen vor für Rituximab, einen chimären monoklonalen Antikörper gegen das Oberflächenantigen CD20 auf B-Lymphozyten, für Abatacept, ein Fusionsprotein, das die Kostimulation der T-Zelle durch eine antigenpräsentierende Zelle unterbindet, sowie für den gegen den Interleukin-6-Rezeptor (IL-6R) gerichteten monoklonalen Antikörper Tocilizumab.
stitielle Lungenerkrankung aufwiesen, war der Effekt besonders deutlich (1). Für Abatacept liegen derzeit nur Daten aus der Phase II vor, die im Hinblick auf die Hautfibrosierung weitgehend den mit Tocilizumab erreichten Resultaten entsprechen (2). Diese Studie sei, so Allanore, auch insofern von Interesse, als sie gezeigt habe, dass es auch in der Plazebogruppe zu spontanen Rückbildungen von Fibrosierung kam, der mRSS also möglicherweise kein guter Endpunkt für SSc-Studien ist. Der semiquantitative Score leide insbesondere unter eingeschränkter Reproduzierbarkeit. Mit Rituximab wurden bisher in der Indikation SSc zwar keine kontrollierten, klinischen Studien durchgeführt, es wurde allerdings kürzlich eine prospektive Analyse der Datenbank EUSTAR (European Scleroderma Trials and Research) vorgestellt, die einen signifikanten Effekt auf die Hautfibrosierung, nicht jedoch auf die Lungenfunktion (gemessen als FVC und DLCO) nahelegt (3).
Tocilizumab stabilisiert die Lungenfunktion
Für Tocilizumab wurde in der Phase II ein Trend in Richtung einer günstigen Beeinflussung der Hautfibrosierung gezeigt, der jedoch die Signifikanz verfehlte. Dennoch wurde eine Phase-III-Studie mit mehr als 200 Patienten mit früher, diffuser SSc initiiert. Primärer Endpunkt der Studie war die Veränderung des modifizierten Rodnan-HautScores (mRSS). Das Ergebnis entsprach jenem der Phase II: Tocilizumab war numerisch überlegen, die Signifikanz wurde jedoch verfehlt. Dennoch scheint man unter SklerodermieExperten Tocilizumab eine Chance geben zu wollen. So weist Allanore darauf hin, dass die gemeinsame Analyse der Phase-II- und -III-Daten sehr wohl eine signifikante Wirkung des Biologikums auf die Hautsymptomatik zeige. Klar signifikant war jedoch in der Phase III die Wirkung auf die Lungenfunktion, gemessen als forcierte Vitalkapazität (FVC). Während die FVC unter der Therapie mit Tocilizumab über 48 Monate stabil blieb, kam es unter Plazebo zu einer signifikanten Abnahme. In der Woche 48 war bei 5,4 Prozent der Verum- und 16,5 Prozent der Plazebopatienten eine Abnahme der VFC um mindestens 10 Prozent zu verzeichnen. Bei Patienten, die bei Einschluss bereits eine inter-
Bewährte Substanzen für das Management des Raynaud-Phänomens
In dieser Situation besteht die evidenzbasierte Therapie der systemischen Sklerose aus dem Management der verschiedenen Komplikationen der Erkrankung. Dieses wurde im Detail in einer vor zwei Jahren publizierten Leitlinie beschrieben (4). Von grosser Bedeutung ist dabei das Management des Raynaud-Phänomens, das bei rund der Hälfte der SSc-Patienten auftritt und zu den schmerzhaften und entstellenden Fingerulzera führen kann. Als wirksam beim Raynaud-Phänomen hätten sich mehrere Substanzgruppen erwiesen, betont Allanore, einer der Autoren der Empfehlungen. Verwendet werden Kalziumkanalblocker, Phosphodiesterase-5-Inhibitoren und Prostanoide. Für den Endothelin-Rezeptorantagonisten Bosentan sowie die PDE5-Inhibitoren wurde eine Reduktion des Auftretens neuer Ulzera gezeigt. Prostanoide können die Heilung von Fingerulzera fördern. Im Management renaler Komplikationen kommen ACE-Inhibitoren zum Einsatz, für die, so Allanore, zwar keine Daten aus kontrollierten Studien, aber reichlich Evidenz aus Registern und offenen Studien vorliegen. Im Hinblick auf die Hautsklerose empfiehlt
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die Leitlinie Methotrexat. Für Patienten mit sehr schweren Verläufen besteht die Option einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation.
Therapien gegen pulmonale Hypertonie sind effektiv
Besonders problematisch und gegenwärtig die häufigste Todesursache von SSc-Patienten sind pulmonale Komplikationen. Die gefürchtete pulmonale Hypertonie im Verlauf der SSc kann mit Medikamenten aus mehreren Substanzklassen (Endothelin-Rezeptorantagonisten, PDE5-Inhibitoren, Guanylatzyklase-Agonisten, Prostanoide) in ihrem Verlauf beeinflusst werden. Allanore wies auf die AMBITION-Studie hin, die in einem Kollektiv von Patienten mit neu diagnostizierter pulmonaler Hypertonie die Kombination des Endothelin-Rezeptorantagonisten Ambrisentan mit dem PDE5-Inhibitor Sildenafil im Vergleich zu einer Monotherapie mit Sildenafil untersuchte. Unter den 500 Studienpatienten fanden sich 187 mit Bindegewebserkrankungen (PAH-CTD), unter ihnen die Mehrheit mit systemischer Sklerose. Für die Patienten mit Bindegewebserkrankungen wurde post hoc eine Subgruppenanalyse durchgeführt, die für die Kombinationstherapie versus Monotherapie eine Risikoreduktion hinsichtlich des klinischen Versagens um mehr als die Hälfte zeigte (HR: 0,43). Patienten mit systemischer Sklerose schnitten nicht schlechter ab als Patienten mit anderen Bindegewebserkrankungen (5). In der GRIPHON-Studie wurde mit Selexipag in Kombination mit einem oder zwei weiteren Vasodilatatoren eine substanzielle zusätzliche Reduktion des Morbiditätsund Mortalitätsrisikos erreicht, die bei SSc-PAH-Patienten mit 44 Prozent beziffert wurde (6).
Wirksame Therapie gegen interstitielle Lungenbeteiligung
Patienten mit systemischer Sklerose entwickeln allerdings auch häufig eine interstitielle Lungenerkrankung (ILD), welche die prognostisch sehr ungünstige Verlaufsform einer UIP (usual interstitial pneumonia) annehmen kann. Für die bei idiopathischer Lungenfibrose (die sich ebenfalls als UIP äussert) eingesetzten Medikamente besteht in der Indikation SSc-ILD derzeit keine Zulassung. Die SENSCIS-Studie zeigt nun allerdings, dass Nintedanib, ein Tyrosinkinase-Inhibitor, der VEGF-Rezeptoren (VEGFR), den Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGF) und den Platelet-derived growth factor (PDGF) hemmt, auch bei SSC-ILD wirksam ist – und das ebenso gut wie bei der IPF, für deren Therapie Nintedanib zugelassen ist. Primärer Endpunkt der Studie war die Abnahme der forcierten Vitalkapazität (FVC) über ein Jahr unter Nintedanib im Vergleich zu Plazebo. Aufgenommen wurden Patienten mit SSc-ILD und einer Fibrosierung von mindestens 10 Prozent in der CT. Mehr als die Hälfte (51,9%) litten unter der prognostisch besonders ungünstigen diffus-kutanen Form der systemischen Sklerose, 48,4 Prozent nahmen bei Einschluss Mycophenolat. Die Hintergrundtherapie wurde während der Studie weitergeführt. Unter Nintedanib verloren die Patienten im Jahr 52,4 ml FVC im Vergleich zu 93,3 ml unter Plazebo; die Differenz war signifikant (7). Damit wurde mit Nintedanib eine relative Reduktion des FVC-Verlustes um 44 Prozent erreicht, was ungefähr jenem Wert entspricht, der auch in der Zulassungsstudie für Ninte-
danib in der Indikation IPF beobachtet wurde. Generell ver-
loren die Patienten in SENSCIS weniger Lungenfunktion als
in der IPF-Studie IMPULSIS (8).
Für die Zukunft setzt Allanore seine Hoffnung auf eine bes-
sere Stratifizierung der Patienten. Die gegenwärtig prakti-
zierte Einteilung der SSc in eine limitierte und eine diffuse
Form sei grob und werde den pathophysiologischen und ge-
netischen Hintergründen nicht gerecht. Eine rationale Defi-
nition von Subtypen könnte dazu führen, dass sich be-
stimmte, in der Gesamtpopulation der SSc-Patienten statis-
tisch nicht wirksame Therapien bei gewissen Formen der
Erkrankung eben doch als wirksam erweisen. Ebenfalls das
Bild verändern könnten Kombinationstherapien. So weist
Allanore auf im Rahmen des EULAR 2019 vorgestellte
Daten aus SENSCIS hin, die bei Patienten mit Mycophenolat
als Hintergrundtherapie einen geringeren Verlust an FVC zei-
gen. Unter der Kombination von Nintedanib und Mycophe-
nolat betrug er lediglich 40,2 ml im Jahr, während Patienten
unter Nintedanib ohne Mycophenolat im Jahr 63,9 ml FVC
verloren (9).
L
Reno Barth
Quelle: WIN (What’s new in) Session: «Systemic sclerosis – innovative treatment
targets or lost in translation?» beim Jahreskongress der European League against
Rheumatism (EULAR) 2019, am 14. Juni 2019 in Madrid.
Referenzen: 1. Khanna D et al.: Preservation of lung function observed in a
phase 3 randomized controlled trial of tocilizumab for the treatment of early SSc. EULAR 2019, Abstract OP0245. 2. Khanna D et al.: Abatacept in early diffuse cutaneous systemic sclerosis – results of a phase 2 investigator-initiated, multicenter, doubleblind randomized placebo-controlled trial. EULAR 2019, Abstract 0068. 3. Elhai M et al.: Outcomes of patients with systemic sclerosis treated with rituximab in contemporary practice: a prospective cohort study. Ann Rheum Dis. 2019; 78(7): 979–987. 4. Kowal-Bielecka O et al.: Update of EULAR recommendations for the treatment of systemic sclerosis. Ann Rheum Dis 2017; 76(8): 1327–1339. 5. Coghlan JG et al.: Initial combination therapy with ambrisentan and tadalafil in connective tissue disease-associated pulmonary arterial hypertension (CTD-PAH): subgroup analysis from the AMBITION trial. Ann Rheum Dis 2017; 76(7): 1219–1227. 6. Gaine S et al.: Selexipag for the treatment of connective tissue disease-associated pulmonary arterial hypertension. Eur Respir J 2017; 50(2). pii: 1602493. 7. Distler O et al.: Nintedanib for Systemic Sclerosis-Associated Interstitial Lung Disease. N Engl J Med 2019; 380(26): 2518–2528. 8. Richeldi L et al.: Efficacy and safety of nintedanib in idiopathic pulmonary fibrosis. N Engl J Med 2014; 370(22): 2071–2082. 9. Distler O et al.: Nintedanib reduced decline in forced vital capacity across subgroups of patients with systemic sclerosis-associated interstitial lung disease: data from the SENSCIS trial. EULAR 2019, Abstract OP0017.
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