Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Gesundes Selbstbewusstsein, unbändiges Vertrauen in die Zukunft oder einfach Humor? Der Fotograf, der Churchill zum 80. Geburtstag fotografierte, war ein höflicher Mensch. Und so äusserte er die Hoffnung, Herrn Churchill auch zum Hundertsten nochmals fotografieren zu dürfen. Churchill schaute den Fotografen an und meinte: «Warum nicht, junger Mann, Sie sehen doch noch ganz gesund aus.»
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Mögen Sie ihn auch, den Stucki Christian? 1,98 m, 140 kg Lebendgewicht, 128 Kränze, gelernter Forstwart, zur Zeit Chauffeur: unser neuer Schwingerkönig. Apropos: Haben Sie das Schwingfest in Zug am TV verfolgt? Schon erstaunlich, der Imagewandel dieses Sports. Heute begeistern sich sogar die urbanen Intellektuellen für das archaische Kräftemessen. 2 Stunden Formel 1? Öde und langweilig, verglichen mit zwei Tagen voller «Schlungg» und «Wyberhaken», «Münger Murks» und «Kreuzgriff», «Beinschere» und «Brienzer vor- oder rückwärts», «Hüfter», «Gammen», «Grittelen», «Fussstich», «Kniekehlengriff» oder «Sempach Spezial».
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Wir werden immer garstiger miteinander, in den Social Media genau wie im richtigen Leben. Die Statistik zeigt, dass immer mehr Menschen andere immer häufiger aus immer dürftigeren Gründen verklagen. Bellt der Hund, kackt die Katze oder quengelt das Kind, heisst’s rasch: «Ich verklag Sie, wenn Sie nid …» Es sei der Dichtestress, meinen Soziologen. Zu viele Menschen auf zu engem Raum also. Na ja, hat was.
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Raphael Samuel aus Indien sieht das vermutlich ähnlich: Er möchte seine Eltern verklagen, weil sie ihn ohne seine Zustimmung gezeugt und in die Welt gesetzt haben. Stimmt natürlich: Das Leben ist zwar ein Geschenk, aber was, wenn man das Geschenk gar nicht will? Samuel ist Antinatalist, Anhänger einer Philosophie, die aus ethischen Gründen keine neuen Menschen hervorbringen will. Sie finden das irre? Tja, mag sein, obschon … die wachsende Zahl von Menschen auf unserm Planeten spielt bei der aktuell so bedrohlich empfundenen Umweltproblematik vermutlich eine Hauptrolle. Und wenn dem so ist? Politisch korrekt schweigen? China hatte weniger Hemmungen. Es verordnete 1980 eine Ein-Kind-Politik. In der Schweiz stimmten wir 2012 über die Ecopop-Initiative ab, die eine strenge Familienplanung, vor allem in Entwicklungsländern, verlangte. 2012 war uns das nicht geheuer, und wir lehnten die Initiative ab. Aber damals waren Energieverbrauch, CO2-Ausstoss und Klimawandel ja auch noch kaum Thema. Wer weiss, vielleicht kommen uns Samuel und der Antinatalismus in wenigen Jahren gar nicht mehr so absurd vor.
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Die frivole Gisela zum aufgeregten Geburtstagskind: So schlimm ist das nicht mit dem Geburtstag. Es kommen ein paar Leute vorbei. Wenn du Glück hast, nur die, die du auch eingeladen hast. Sie sagen, du sähest toll aus, und grinsen dabei. Die Ehrlichen schweigen. Natürlich musst du so tun, als ob du dich über die Geschenke freust. Aber das kriegst du hin. Wenn die Leute satt sind und keinen Wein mehr trinken, weil sie noch Auto fahren müssen, gehen sie wieder. Vor den meisten hast du dann wieder ein Jahr Ruhe. Also, sieh das Ganze locker!
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Es ist besser, reich zu sein als weise, denn dem Weisen tut seine Armut weh, dem Reichen aber nicht sein Mangel an Weisheit.
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Bald sind wieder Wahlen. Da fühlen sich die Texter der Marketingabteilungen der Parteien dann wieder aufgerufen, die Wähler mit möglichst sinnfreien, trostlosen, belanglosen, angeberischen Bullshit-Slogans zu beglücken, so in der Art: «Die Schweiz will.» – «Aus Liebe zur Schweiz.» – «Gemeinsam weiterkommen.» – «Ich will’s. Ich wähl’s.» – «Frei und sicher.» – «Für alle statt für wenige.» – «Mit Mut und Verstand.» – «Die neue Kraft.» – «Ohne uns keine Schweiz.» – «Das Wir entscheidet.» – «Es ist Zeit.» – «Ja aus Überzeugung.» International genauso: «Yes, we can.» Oder: «Wir schaffen das.»
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Prentice Mulford: «Es ist heilsam, sich mit farbigen Dingen zu umgeben. Was das Auge freut, erfrischt den Geist, und was den Geist erfreut, erfrischt den Körper.» Ein Hoch also auf farbige Wände, rote Haare und bunte Schuhe!
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Und das meint Walti: Stimmt, viele ältere Frauen sind nichts anderes als coole Mädchen, die schon lange leben.
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 18 | 2019