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ASCO 2019
55th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology, Chicago, 31. Mai bis 4. Juni 2019
Fortgeschrittenes nichtkleinzelliges Lungenkarzinom (NSCLC)
Therapieoptimierung mit PD-1-/L1-Hemmern für schwer behandelbare Gruppen
Das NSCLC ist eine «Vorreiter-Entität» für die personalisierte Therapie bezüglich histologischer und molekularbiologischer Ausprägung der Tumoren. Die Geschwindigkeit, mit der in der klinischen Forschung vorangeschritten wird, ist im klinischen Alltag dagegen kaum standzuhalten. Bei der diesjährigen Jahresversammlung der ASCO wurden jüngst etablierte Regime bestätigt, Therapien mit Kombinationen verbessert, einige aber auch komplett neu eingeführt.
Überlebensverlängerung durch Durvalumab für Patienten im Stadium III
Ungefähr 30% der Patienten, die mit einem NSCLC diagnostiziert werden, sind im Stadium III, und häufig ist der Tumor nicht resektabel. Der PD-L1-Inhibitor Durvalumab bewirkte in der Phase-IIIStudie PACIFIC bei dieser Patientenkohorte eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) gegenüber Plazebo. Beim ASCO 2019 wurde mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 33,3 Monaten auch für den koprimären Endpunkt Gesamtüberleben (OS) ein signifikanter Therapievorteil bestätigt (1).
Phase-III-Studie PACIFIC mit 713 Patienten Insgesamt 713 Patienten mit nicht resezierbarem NSCLC im Stadium III erhielten im Verhältnis 2:1 randomisiert bis zu 12 Monate Durvalumab in einer Dosierung von 10 mg/kg, (q2w) oder Plazebo. Der letzte eingeschlossene Patient beendete die Studientherapie im Mai 2017. Zur Zeit der präsentierten Auswertung im Januar 2019 waren 48,2% der Studienteilnehmer verstorben, 44,1% im Durvalumab-Arm und 56,5% im Plazebo-Arm. Das mediane OS war im DurvalumabArm noch nicht erreicht und betrug 29,1 Monate im Plazebo-Arm. Nach 12 Monaten lebten 83,1% unter Durvalumab versus 74,6% unter Plazebo, nach 24 Monaten waren es 66,3% (vs. 55,3%) und nach 36 Monaten 57,0% (vs. 43,5%). Nach Abbruch der Studienmedikation erhielten 43,3% (vs. 57,8%) der Patienten im Durvalumab- (bzw. Plazebo-)Arm eine weitere Antitumortherapie, davon 9,7%
(bzw. 26,6%) eine Immuntherapie. Die mediane Zeit bis zur ersten nachfolgenden Therapie oder bis zum Versterben war mit 21,2 (vs. 10,4) Monaten deutlich länger unter Durvalumab verglichen mit Plazebo (HR = 0,58; 95%-KI: 0,47–0,71). Die Zeit bis zur zweiten nachfolgenden Therapie oder bis zum Versterben war ebenfalls, mit einem Median von 30,2 gegenüber 17,8 Monaten, bei Patienten des Durvalumab-Arms gegenüber jenen der Plazebo-Gruppe relevant verlängert (HR = 0,61; 95%-KI: 0,49–0,75). Damit bietet sich die zeitlich begrenzte PD-L1Checkpoint-Hemmung für die Therapie bei Patienten mit nicht resezierbarem NSCLC im Stadium III als neuer Standard an.
5-Jahres-Überlebensdaten für Pembrolizumab
Für die Checkpoint-Inhibition mit dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab wurde bereits eine andauernde Tumoraktivität bei Patienten mit fortgeschrittenem, PD-L1exprimierendem (TPS ≥ 50%) NSCLC berichtet. Die jetzt präsentierten Ergebnisse der Phase-Ib-Studie KEYNOTE-001 zum OS mit 5 Jahren Nachbeobachtungszeit bestätigen die langfristige Wirksamkeit (1). Diese sind die bisher längsten Wirksamkeitsdaten für Pembrolizumab beim fortgeschrittenen/metastasierten NSCLC.
KEYNOTE-001-Studie mit 550 Patienten In die Studie wurden 550 Patienten, davon 101 therapienaive und 449 vortherapierte Patienten, eingeschlossen. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 60,0 Monaten waren 82% der Pati-
enten verstorben. Die 5-Jahres-OS-Rate betrug 23,2% für therapienaive und 15,5% für vorbehandelte Patienten. Ein Ansprechen wurde bei 42% der therapienaiven und bei 23% der vortherapierten Patienten beobachte – mit einer medianen Dauer der Remissionen von 16,8 (bzw. 38,9) Monaten. Immunvermittelte Nebenwirkungen waren innerhalb der 5-jährigen Nachbeobachtungszeit bei 17% der Patienten aufgetreten, unverändert mit den bereits nach 3 Jahren Nachbeobachtung berichteten Inzidenzen.
Quadrupeltherapie mit Atezolizumab bei Lebermetastasierung effektiv
Die Fülle von Behandlungsoptionen erfordert Subgruppenauswertungen zur besseren Patientenselektion. In der IMpower150-Studie konnte gezeigt werden, dass mit der 4er-Kombination Atezolizumab/Bevacizumab/Carboplatin/Paclitaxel (ABCP) das PFS und das OS bei chemotherapienaiven Patienten mit NSCLC gegenüber Bevacizumab/Carboplatin/Paclitaxel (BCP) verlängert werden kann. Subgruppenanalysen wiesen bereits auf einen Vorteil bei Patienten mit Lebermetastasierung hin. Nun wurden weitere Analysen zur Charakteristik des Ansprechens bei NSCLC-Patienten mit Lebermetastasierung präsentiert (3).
IMpower150-Studie mit 1202 Patienten In der dreiarmigen Studie erhielten 1202 Patienten randomisiert die Regime ABCP, ACP (Atezolizumab/Carboplatin/Paclitaxel) oder BCP. 162 der Patienten wiesen bei Studieneinschluss Lebermetastasen auf. Das PFS wurde bei diesem Patientenkollektiv durch die zusätzliche Gabe von Atezolizumab zu BCP von median 5,4 auf 8,2 Monate verlängert (HR = 0,41; 95%-KI: 0,26–0,62), das OS von median 9,4 auf 13,3 Monate (HR = 0,52; 95%-KI: 0,33–0,82). Ein Ansprechen wurde bei 60,8% der Patienten im ABCP-Arm versus 41,1% der Patien-
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ten unter BCP, mit einer medianen Dauer von 10,7 (bzw. 4,6) Monaten, beobachtet. Therapieassoziierte Nebenwirkungen traten bei 52,1% (ABCP), 36,5% (ACP) und 54,5% (BCP) der Patienten auf. Die Kombination von Atezolizumab, Bevacizumab und Chemotherapie ist somit eine wichtige neue Therapieoption für NSCLC-Patienten mit Lebermetastasen, so die Schlussfolgerung der Autoren.
Erlotinib plus Ramucirumab bei EGFR-mutierten Patienten
EGFR-mutierte Tumoren werden mit EGFR-gerichteten Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) behandelt. Häufig entwickeln Patienten innerhalb kurzer Zeit eine Resistenz gegen die Erstlinientherapie. In der Phase-III-Studie RELAY wurde randomisiert und plazebokontrolliert untersucht, ob die Kombination des EGFRInhibitors Erlotinib mit dem VEGFR2Antagonisten Ramucirumab die Resistenzen gegen eine TKI-Therapie hinauszögern kann (4).
Phase-III-Studie RELAY mit knapp 450 Patienten Es wurden 449 Patienten mit EGFR-mutierter Erkrankung im Stadium IV eingeschlossen. Die Patienten waren im Median 64 bis 65 Jahre alt, überwiegend Frauen (63%), zu 60 bis 62% Nie-Raucher und zu 52 bis 53% mit sehr gutem Allgemeinzustand (ECOG-PS 0). 54 bis 55% der Patienten wiesen eine Exon-19-Deletion auf, 45 bis 46% eine L858R-Mutation. Die zusätzliche Gabe von Ramucirumab zu Erlotinib verbesserte die Wirksamkeit der Erlotinib-Monotherapie signifikant. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 20,7 Monaten betrug das mediane PFS 19,4 versus 12,4 Monate (HR = 0,591; 95%-KI: 0,461–0,760; p < 0,0001). Nach 1 Jahr betrugen die PFS-Raten für die beiden Studienarme 71,9% gegenüber 50,7%. Dieser Vorteil wurde für alle untersuchten Subgruppen bestätigt. Ein Ansprechen auf die Therapie zeigte ein ähnlich hoher Anteil der Patienten in beiden Studienarmen 76% (vs. 75%), allerdings unterschied sich die Dauer des Ansprechens mit median 18,0 gegenüber 11,1 Monaten signifikant zugunsten der Kombinationstherapie (HR = 0,62; 95%KI: 0,48–0,81). Der Anteil an EGFRT790M-Mutationen bei Progress war in
Tabelle:
Therapieassoziierte Nebenwirkungen (TEAE) unter Ramucirumab (RAM) plus Erlotinib (ERL) versus Plazebo plus Erlotinib (mod. nach [4]).
Ereignisse (%) Grad ≥ 3 TEAE Klinisch relevante TEAE Therapieabbruch aufgrund von TEAE Therapieabbruch aufgrund von schweren Nebenwirkungen Dosisanpassungen aufgrund von TEAE Todesfälle aufgrund von TEAE (unter Studienmedikation)
RAM + ERL n = 221 72 29 13 5 85 1
PBO + ERL n = 225 54 21 11 4 71 0
beiden Studienarmen mit 42% (vs. 47%) vergleichbar. Wie zu erwarten, wurden im Kombinationsarm häufiger Toxizitäten beobachtet; die Abbruchrate aufgrund von (schweren) Nebenwirkungen war aber in den Studienarmen vergleichbar (Tabelle).
Pemetrexed/Carboplatin zusätzlich zu Gefitinib verlängern OS
In einer indischen Studie wurden EGFRmutierte Patienten aufgrund der Resistenzproblematik randomisiert mit Gefitinib oder zusätzlich Pemetrexed und Carboplatin behandelt (5). Die Patienten waren zwischen 54 und 56 Jahre alt, hälftig Männer und in 83 bis 85% der Fälle NieRaucher. Die Mehrzahl der Patienten zeigte einen guten Allgemeinzustand (ECOG-PS 1), aber zu 21 bis 22% wiesen sie einen ECOG-PS 2 auf. Bei 17 bis 19% der Patienten wurden Hirnmetastasen festgestellt. Die Exon-19-Deletion war mit 62% die häufigste EGFR-Mutation, die Mutationen von L858R oder L861Q im Exon 21 mit 34 bis 35% waren nur halb so häufig. Primärer Studienendpunkt war das PFS, die mediane Nachbeobachtungszeit der präsentierten Auswertung betrug 17 Monate.
Verdoppeltes PFS – Daten wie unter Osimertinib (in FLAURA) Ein Ansprechen wurde bei 75,3% (Gefitinib plus Chemotherapie) versus 62,5% (Gefitinib) der Patienten beobachtet, dabei war das Ansprechen unter Gefitinib plus Chemotherapie zudem tiefer als unter alleinigem Gefitinib (–56,4% versus –43,5%). Durch die zusätzliche Chemotherapie wurde das PFS von median 8 auf 16 Monate signifikant verdoppelt (HR = 0,51; 95%-KI: 0,39–0,66; p < 0,0001).
Der PFS-Vorteil wurde für alle untersuch-
ten Subgruppen bestätigt.
Der Median bezüglich des OS war im
Chemotherapie-Arm noch nicht erreicht
und betrug 17 Monate unter Gefitinib
(HR = 0,45; 95%-KI: 0,31–0,65; p < 0,0001).
Toxizitäten Grad ≥ 3 wurden signifikant
häufiger im chemotherapiehaltigen Arm
gesehen (75% vs. 49,4%; p < 0,001),
ebenso klinisch relevante Toxizitäten
Grad ≥ 3 (50,6% vs. 25,3%; p < 0,001).
16,7% der Patienten im Kombinations-
arm brachen Pemetrexed, nicht aber Ge-
fitinib ab.
Die Autoren bemerkten, dass mit 17 Mo-
naten das PFS-Ergebnis von Gefitinib
plus Chemotherapie vergleichbar war
mit dem unter Osimertinib in der
FLAURA-Studie, obwohl in die Gefitinib-
Studie auch Patienten mit ECOG-PS 2
eingeschlossen waren. Um den grössten
Erfolg bezüglich des Gesamtüberlebens
zu erzielen, sei die Sequenz von effekti-
ven Therapien wichtig, so das Fazit der
Autoren. Da Osimertinib bei T790M-Mu-
tationen wirksam ist, würden die Autoren
diese Option in die zweite Therapielinie
schieben.
I
Ine Schmale
Quelle: Jahrestagung der American Society on Clinical Oncology (ASCO), Chicago 31. Mai bis 4. Juni 2019.
Referenzen: 1. Gray JE et al.: Three-year overall survival update from the PACIFIC trial. ASCO 2019, Abstr. #8526. 2. Garon EB et al.: Five-year long-term overall survival for patients with advanced NSCLC treated with pembrolizumab: Results from KEYNOTE-001. ASCO 2019, Abstr. #LBA 9015. 3. Socinski MA et al.: IMpower150: Analysis of efficacy in patients with liver metastases. ASCO 2019, Abstr. #9012. 4. Nakagawa K et al.: RELAY: A multinational, double-blind, randomized phase 3 study of erlotinib in combination with ramucirumab or placebo in previously untreated patients with epidermal growth factor receptor mutation-positive (EGFRm) metastatic non-small cell lung cancer (NSCLC). ASCO 2019, Abstr. #9000. 5. Noronha V et al.: Phase III randomized trial comparing gefitinib to gefitinib with pemetrexed-carboplatin chemotherapy in patients with advanced untreated EGFR mutant non-small cell lung cancer. ASCO 2019, Abstr. #9001.
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