Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
In einer (linken) Tageszeitung gelesen: «Was wir brauchen, ist eine Epistokratie der Jugend: das Wahlalter herabsenken und das Wahlrecht nach oben begrenzen. Zugespitzt hiesse das, Unschuldige vor einer in fundamentalen Fragen inkompetenten Wählerklientel zu schützen. Das kann man jetzt demokratiefeindlich finden, ich finde es nur vernünftig, sich darüber zumindest mal Gedanken zu machen.» (Frei übersetzt ist eine Epistokratie die Herrschaft von Leuten, die «druus chömed», wobei jene, die solches fordern, sich in der Regel zu eben jenen, die «druus chömed», zählen, ist ja logisch.) Diesen ernst gemeinten Text muss man sich zu schreiben erst mal trauen. Und als Leser oder Leserin muss man den Schreck kurz mal aushalten. Was meint die Schreiberin? Dass Sie, der/die Sie vermutlich über Dreissig, ja sogar über Sechzig sind, aus genau diesem Grund zum Wählen zu inkompetent sind. Das gilt konsequenterweise sogar dann, wenn Sie sich als typischer älterer wohlhabender ElektroSUV fahrender Grünenwähler geben. Ihr Wohlstand, sorry, wird Sie leider kaum davor bewahren, zu den ersten Opfern des neuen linksgrünen jugendlichen Faschismus zu gehören, der sich zwar anders nennt, aber für Uneinsichtige ebenso tödlich ist.
LLL
Schon mal vom Film «Soylent Green» aus dem Jahr 1973 gehört? Er spielt im Jahr 2022 – die Science Fiction wird schon bald Realität (nicht wegen der Nahrungsknappheit, aber wegen der «Altersüberschüsse»).
LLL
Die meisten der FFF-Demokids sind keine kritischen Denker. Eher das Gegenteil: Mitläufer. Nicht weil sie nicht recht haben – vielleicht haben sie ja recht! – sondern weil sie keine Sekunde daran zweifeln, dass sie recht haben. Man kann da nur an Lehrer und Eltern appellieren:
Bitte, bitte, haltet die Kinder zu kritischem Denken an! Und sagt ihnen, was kritisch denken heisst. Es bedeutet nicht, kritisch zu urteilen über jene, die anders denken, sondern immer und ausschliesslich: die eigene Meinung hinterfragen. Und sagt ihnen, dass «kritisch» «zweifelnd» bedeutet. Kinder zu kritischem Denken anhalten heisst, sie lehren an all dem zu zweifeln, von dem sie überzeugt sind und von dem ihre Kameraden, ihre Lehrer, ihre Eltern überzeugt sind. Und auch am Gegenteil davon. Denn: kritisches Denken hört nicht auf! Auch nicht, wo man glaubt, ein Problem zu Ende gedacht zu haben. Kritisches Denken ist ein 24/7-Zustand. Es kennt keine Grenzen und keine Tabus. Und wenn der Einwand kommt, dann könne man ja gar nicht mehr entscheiden, dann sagen Sie Ihren Kindern: Kritisch denken verhindert keineswegs klare Entscheide. Man muss nur eines wissen: Nach einem Entscheid ist vor einem Entscheid.
LLL
2 Millionen kostet eine einzige Spritze gegen einen seltenen Gendefekt, der zum Tod oder lebenslanger Hilfsbedürftigkeit führt. Ist der Preis anständig? Klar, meint Novartis, ohne die Behandlung sterben die Kinder oder kosten aufs Leben gerechnet das Doppelte. Das stimmt, nur: Antibiotika retten auch Leben, und andere Medikamente verhindern auch Pflegebedürftigkeit und trotzdem kosten sie viel weniger. Novartis argumentiert nach dem Ronaldo-/ Messi-/Neymar-Prinzip: Die tragen dem Verein hunderte Millionen ein und sind deshalb ebensoviel wert. Was heisst: Der Nutzen bestimmt den Peis. Ob dieses Prinzip auch da Anwendung finden sollte, wo’s um Gesundheit geht? Diskutabel.
LLL
«Wir nehmen die Herausforderung an.» Schlimmer kann man das Eingeständnis einer politischen Niederlage nicht formulieren.
LLL
Die wenigen Irren sind nicht das Problem. Sie können an Masernautismus, an den Weltuntergang, an Dämonen im Atom, an Quoten, an Chemtrails, an e-Mobilität, an eine friedliche Islamisierung, an Regierende, an Kryokonservierung, an Tod durch Genfood, an CO2-Zertifikate oder schlicht an Alternativlosigkeit glauben. Macht nichts. Das Problem sind die Vielen, die den Irren nach dem Mund reden und sie ernst nehmen.
LLL
Alain Delon, eine der Ikonen des Films, wurde dieses Jahr in Cannes fur sein Lebenswerk ausgezeichnet. Der Mann hat’s verdient, sollte man meinen. Frauenschwarm, benieden von den Männern, in seinen Filmen von sanft und romantisch bis cool und tough. Aber leider ist er – wie viele von uns – ein Sozialfossil. Was gestern noch üblich war: der alltägliche, über tausende von Jahren gängige Machismo, ist heute Grund für einen Shitstorm. Neumodische Frauen aus Hollywood fanden, der alt-backene 83-jährige Delon sei «rassistisch, homophob und frauenfeindlich» – also das Übliche, das man 95 Prozent der Männer vorwerfen kann, die irgendwann pubertär, im Militärdienst oder jung und giggerig waren. Zum Glück stehen den 25 000 Unterzeichnerinnen der Anti-Delon-Petition ein paar hundert Millionen Fans gegenüber. So bleiben die richtigen Relationen gewahrt.
LLL
Und das meint Walti: Wer sehr viel meint und wenig weiss, der glaubt am Ende jeden … Mumpitz.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 12 | 2019
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