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EAU
Humanes Papillomavirus
Männer konsequenter impfen
Foto: vh
Die HPV-Infektion ist die häufigste Geschlechtskrankheit weltweit. Die Infizierten via Screening zu finden und zu behandeln, ist zwar möglich, weit effizienter ist jedoch die Prävention. Denn über 90 Prozent der durch HPV verursachten Tumoren sind durch Impfung vermeidbar. Nun sollten auch die Männer konsequent geimpft werden, fordern die Experten am EAU-Kongress.
80 Prozent der Erwachsenen werden irgend-
wann in ihrem Leben mit humanen Papilloma-
viren (HPV) infiziert, oft schon bald nach dem
ersten Sexualkontakt. Der häufigste Übertra-
gungsweg ist sexueller Art, entweder genital-
genital, anal-genital, oral-genital, selten auch
manual-genital.
Allein in den USA seien dem HPV jährlich
27 000 neue Krebsfälle zuzuschreiben, davon
Prof. Tommaso Cai
9300 bei Männern, so zitiert Prof. Tommaso Cai, Urologie, Ospedale Regionale Santa Chia-
ra, Trento (I), am EAU-Kongress Daten des amerikanischen
Center for Disease Control CDC (1).
Seit der Einführung der Impfung gegen die HPV-Genotypen,
die Krebserkrankungen und Genitalwarzen induzieren, sank
die Infektionsrate um 71 Prozent.
Gemäss einer Schätzung sind etwa 60 bis 80 Prozent der Be-
völkerung mit HPV infiziert. Eine Infektion kann nach 1 bis
2 Jahren spontan abheilen oder chronifizieren und zu Krebs-
erkrankungen führen. Eine spezifische Behandlung dagegen
gibt es nicht.
Die HPV-Genotypen 16 und 18 stehen im Zusammenhang
mit Gebärmutterhalskrebs, oropharygealen Tumoren, Penis-
krebs und Analtumoren. 40 bis 50 Prozent der invasiven
Peniskrebsfälle und nahezu 100 Prozent der Zervixkar-
zinome seien mit HPV assoziiert, berichtet Prof. Lukasz
Zapala, allgemeine, onkologische und funktionelle Urologie,
Medizinische Universität Warschau (PL). Die HPV-Genoty-
pen 6 und 11 verursachen Kondylome. 90 Prozent der Geni-
talwarzen entstehen durch diese HPV-Genotypen.
Weil die sozialen Folgen einer HPV-Infektion so gross sein
können, sei die Impfung ein Segen für die Gesellschaft, so
Cai. Die HPV-Impfungen Cervarix® und Gardasil® können
vor durch das HPV-Virus induzierten Krebserkrankungen
schützen, Gardasil® zusätzlich vor den meisten Genitalwar-
zen. Kondome verhindern zwar auch eine Virusübertragung,
doch ist dieser Schutz naturgemäss nur lokal begrenzt.
Die Impfempfehlungen weltweit sind bezüglich Alter und
Geschlecht der Impflinge unterschiedlich. In der Schweiz ist
die HPV-Impfung bei Mädchen von 11 und 15 Jahren als Basisimpfung empfohlen und als ergänzende Impfung bei Knaben zwischen 11 und 15 Jahren sowie bei männlichen Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren und jungen Erwachsenen beiden Geschlechts im Alter von 20 bis 26 Jahren (2).
Praktische Fragen ungelöst
Für sexuell aktive junge Männer, die sich nach einem HPVTest erkundigen, ist die Antwort unbefriedigend. Denn für Männer gibt es keinen standardisierten HPV-Test, diesen gibt es nur für Frauen im Zusammenhang mit dem Zervixkarzinomscreening. Wie lautet demnach der Rat bei männlichen Partnern von Frauen mit HPV-Infektion oder -Läsionen wie zum Beispiel Kondylomen? Ein Screening ist für Analkrebs gemäss den Experten nicht routinemässig empfohlen, höchstens bei Risikogruppen. Genitalwarzen können nur via Inspektion gefunden werden, und einen «HPV-Status-Test» gibt es nicht, und er wäre auch nicht aussagekräftig, da die Infektion selbstlimitierend ist, so die Erklärung. Auch für Peniskrebs gibt es keinen Screeningtest, nur eine Inspektion. Das Risiko für eine Infektion mit High-risk-Genotypen sei zwar tief, aber dennoch vorhanden, so Cai. Die karzinogenen High-risk-Genotypen sind fast immer beim Auftreten eines Zervixkarzinoms nachweisbar (HPV 16, 18, 31, 33 und weitere). Zu den Low-risk-Genotypen zählen beispielsweise HPV 6 und 11, sie verursachen hauptsächlich Genitalwarzen. Eine Studie bei 1009 nicht geimpften Männern mit HPVDNA-positiven Partnerinnen untersuchte die Infektionsrate und den Verlauf während 53 Monaten. 105 Männer wurden HPV-DNA-positiv getestet und fortan alle 6 Monate untersucht. Nach durchschnittlich 2 Jahren war bei 67,6 Prozent die Infektion abgeheilt respektive keine HPV mehr nachweisbar. Innerhalb der Genotypen waren jedoch Unterschiede auszumachen: Bei Vorliegen von High-risk-Genotypen war die Abheilrate tiefer als bei Low-risk-Genotypen (3). Das zeigt die Notwendigkeit, auch Männer mit einer Impfung vor einer Infektion und deren Folgen zu schützen. Eine HPV-In-
20 CongressSelection Urologie | Juni 2019
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fektion sei eine systemische Erkrankung, denn auch bei Männern mit «lediglich» Kondylomen sei das Virus im Ejakulat nachweisbar, so Cai. Daher müsse die Infektion auch systemisch bekämpft werden.
Wann impfen?
Auch wenn bereits eine Infektion erfolgt ist, kann ein Mann noch geimpft werden. In einem systematischen Review über 7 Studien mit gesamthaft 5294 Teilnehmern zeigte die Impfung bei bereits erfolgter Infektion Wirksamkeiten zwischen 47 und 88 Prozent gegen anogenitale und anale intraepitheliale Läsionen. Die Wirksamkeit ist aber zweifellos am höchsten bei HPV-naiven Männern (4). Daher sollten gemäss Cai mindestens alle Knaben vor dem ersten Geschlechtsverkehr, alle Geschlechtspartner von HPV-positiven Frauen und Männer mit rezidivierenden Genitalwarzen geimpft werden. Um die Patienten vom Nutzen einer HPV-Impfung zu überzeugen, sollte die Krebsvorsorge in den Mittelpunkt gerückt werden, so der Tipp von Cai. Denn die HPV-Impfung ist die erste Impfung gegen Krebs. Um das Ziel einer Eradikation von High-risk-HPV-Genotypen zu erreichen, ist es notwendig, eine geschlechtsneutrale
Impfabdeckung von > 70 Prozent der jungen Adoleszenten zu
erreichen, so der Experte abschliessend.
L
Valérie Herzog
Quelle: «HPV vaccination in men: to whom and when?» 34. Jahreskongress der European Association of Urology (EAU), 16. bis 19. März 2019 in Barcelona.
Referenzen: 1. https://www.cdc.gov/hpv/hcp/clinician-factsheet.html. Letz-
ter Zugriff: 9.4.19. 2. Bundesamt für Gesundheit und Eidgenössische Kommission für
Impffragen (EKIF): Schweizerischer Impfplan. www.bag.admin. ch/impfplan. Letzter Zugriff: 9.4.19 3. Cai T et al.: The role of asymptomatic bacteriuria in young women with recurrent urinary tract infections: to treat or not to treat? Eur J Clin Microbiol Infect Dis 2016; 35: 463–469. 4. Harder T et al.: Efficacy, effectiveness and safety of vaccination against human papillomavirus in males: a systematic review. BMC Medicine 2018, 16: 110.
Lösung für unfruchtbare Männer?
1 von 6 Paaren in Europa kann keine Kinder zeugen, Hauptgrund für die Nachfrage nach ärztlicher Behandlung ist mittlerweile die männliche Unfruchtbarkeit. Als Hauptursache wird die Beschädigung der Spermien-DNA angesehen. Diese tritt beispielsweise auf dem Weg zwischen Hoden und Ejakulation ein, unter anderem durch oxidativen Stress, wie er beispielsweise durch Rauchen, schlechten Lebenswandel oder sitzende Tätigkeit entstehen kann. Eine Spermienentnahme direkt aus dem Hoden könnte das Problem dagegen lösen. Britische Forscher entnahmen Spermienproben von 59 unfruchtbaren Männern und verglichen sie mit Spermienproben aus dem Ejakulat derselben Männer. Zum Vergleich dienten weitere Spermienproben aus dem Ejakulat von 76 fruchtbaren Männern.
Es zeigte sich, dass bei den unfruchtbaren Männern das Aus-
mass an DNA-Schäden in den Spermien mit 40 Prozent viel
höher lag als bei fruchtbaren Männern (15%). Verglichen die
Forscher jedoch das Sperma, das sie direkt aus dem Hoden
der unfruchtbaren Männer entnommen hatten, zeigte sich
eine vergleichbare Qualität mit dem ejakulierten Sperma von
den fruchtbaren Männern.
Die Erfolgsraten von In-vitro-Fertilisationen oder intrazyto-
plasmatischen Spermainjektionen aufgrund von männlicher
Unfruchtbarkeit könnten mit Sperma, das direkt aus dem
Hoden entnommen wird, erhöht werden.
vh
Vyas L et al.: Evidence that testicular sperm in infertile men has improved DNA integrity compared to ejaculated sperm. Presented at 34. EAU 2019, Barcelona. Abstract #247.
Posterpräsentationen vor interessiertem Publikum. CongressSelection Urologie | Juni 2019
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