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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Pneumologie
ICS helfen eher Asthmapatienten mit erhöhtem Eosinophilenanteil im Sputum
Niedrig dosierte, inhalative Steroide (ICS) werden zur Asthmakontrolle bei mildem, persistierendem Asthma empfohlen (s. auch Seite 411 in diesem Heft). Es sprechen aber bei Weitem nicht alle Patienten gut darauf an. Dabei spielen auch mangelnde Adhärenz und Anwendungsfehler beim Gebrauch der Inhalatoren eine Rolle. Eine neue Studie charakterisiert nun eine Gruppe von Patienten mit leichtem, persistierendem Asthma, bei denen ein Erfolg mittels ICS eher erwarten werden darf. Aufgenommen in die Studie wurden nur Patienten, bei denen nicht nur ein gemäss Lungenfunktionstest diagnostiziertes, leichtes, persistierendes Asthma vorlag, sondern es mussten auch jeweils mindestens zwei gute Sputumproben zur Auszählung der eosinophilen Granulozyten
verfügbar sein. Als erhöhte Eosinophilenzahl im Sputum galt ein Anteil von ≥ 2 Prozent eosinophilen Granulozyten. Der Anteil dieser Patienten war in dem Studienkollektiv mit 27 Prozent wesentlich geringer als erwartet. Alle 295 Studienteilnehmer, 74 davon mit einem hohen Eosinophilenanteil im Sputum, erhielten in der Studie nacheinander für jeweils zwölf Wochen: Mometason (2 × tgl. 200–220 µg) oder Plazebo, Tiotropium (2 × tgl. 5 µg) oder Plazebo sowie alle Plazebo. Das Ausmass der Asthmakontrolle wurde anhand der Parameter Therapieversagen, Tage mit Asthmakontrolle und der FEV1 bestimmt. Die Patienten mit leichtem, persistierendem Asthma und wenig Eosinophilen im Sputum reagierten etwa gleich gut auf Mometason oder Tiotropium. Hier war
das Verum für etwa 60 Prozent der Pa-
tienten am besten, bei etwa 40 Prozent
wirkte das Plazebo besser.
Anders verhielt es sich in der Gruppe der
Asthmatiker mit hohem Eosinophilen-
anteil im Sputum: Hier war Mometason
im Vergleich mit Plazebo eindeutig besser
(74% vs. 26%). Die Wirkung des Tiotropi-
ums im Vergleich mit Plazebo bewegte
sich hingegen im gleichen Rahmen wie in
der Gruppe ohne Eosinophile im Sputum.
Die Studienautoren fordern nun neue,
grosse Studien, um die Guidelines für die
Behandlung von Patienten mit leichtem
Asthma im Licht dieser neuen Erkennt-
nisse zu optimieren.
RBOL
Lazarus SC et al.: Mometasone or tiotropium in mild asthma with a low sputum eosinophil level. N Engl J Med 2019; published online May 19, 2019.
Foto: USZ
Radiologie
Weltweit erste Anwendung einer neuen Therapie bei lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen
«Mit diesem Linearbeschleu-
niger können wir vor und
während der Bestrahlung
durch MR-Bildgebung jedes
Ziel im Körper eines Pa-
tienten verfolgen und die
Bestrahlung in Echtzeit steu-
ern und anpassen», so Dr.
Stephanie Tanadini-Lang,
Leitende Physikerin der Kli-
nik für Radio-Onkologie.
Die Bestrahlung kann damit
Unter MRI-Bildgebung wurde der betroffene Anteil des Herzmuskels (in Farbe) gezielt bestrahlt.
noch präziser erfolgen. Die Technologie wurde für
die Onkologie entwickelt,
Weltweit erstmals ist es am Universi- nun aber erstmals auch in der Kardio-
tätsspital Zürich gelungen, einen Patien- logie zur Radioablation eingesetzt, um
ten mit lebensbedrohlichen Herzrhyth- das für die Rhythmusstörung verant-
musstörungen mit einer Radioablation wortliche Areal des Herzmuskels ge-
unter MRI-Kontrolle erfolgreich zu zielt zu bestrahlen. Andere Therapiever-
behandeln. Verwendet wurde hierfür suche, darunter auch minimalinvasive
ein erst seit April verfügbares, neues und chirurgische Ablationen, waren
Gerät der Klinik für Radio-Onkologie: zuvor fehlgeschlagen.
Der Patient konnte inzwischen ohne
Rhythmusstörungen nach Hause ent-
lassen werden. Eine Routineanwen-
dung wird das neue Verfahren trotz-
dem in absehbarer Zeit noch nicht
sein. Es handele sich um ein experi-
mentelles Verfahren, das nun in grösse-
ren klinischen Studien auch in Bezug
auf seine langfristige Wirksamkeit wei-
ter untersucht werden müsse, heisst es
in einer Medienmitteilung des Univer-
sitätsspitals Zürich.
USZ/RBO L
Medienmitteilung USZ vom 9. Mai 2019.
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ARS MEDICI 11 | 2019
Kopfschmerz
Wird Rotwein als Auslöser von Migräneattacken überbewertet?
Gemäss einer aktuellen Studie (1) soll Rotwein nur bei knapp 9 Prozent der Migräniker immer eine Attacke auslösen. Die Studienautoren zweifelten daher an, dass Alkohol und Rotwein eigenständige Migränetrigger seien. 2197 Migränepatienten wurden online zu ihrem Trinkverhalten und ihren Kopfschmerztriggern befragt. Von den Befragten erklärten insgesamt 35,6 Prozent, dass Alkohol bei ihnen Kopfschmerzattacken auslöse. Unter den 1547 Befragten, die angaben, gelegentlich Alkohol zu trinken, war der Anteil mit 42,5 Prozent noch höher. Es wurde auch untersucht, welche alkoholischen Getränke besonders häufig zu Migräneattacken führten. Am häufigsten wurde Wein, insbesondere Rotwein, genannt. Es wird vermutet, dass bestimmte in Rotwein enthaltene Inhaltsstoffe wie Histamin, Tyramin oder Phenylethylamin diesen Effekt verursachen könnten. Die Befragten gaben an, dass bereits zwei Standardgläser ausreichten, um bei ihnen einen Migräneanfall zu provozieren; nur bei 8,8 Prozent der Studienteilnehmer hatte Rotwein immer und ausnahmslos diese Wirkung. Wurde die migräneauslösende Wirkung von Rotwein bislang also überschätzt? DGN-Pressesprecher
Professor Dr. Hans-Christoph Diener, Essen,
glaubt das nicht: «Alkohol, insbesondere
Rotwein, ist ein Migränetrigger, nicht geklärt
ist nur, wie gross sein Einfluss tatsächlich ist.»
Migränepatienten seien immer gut beraten,
jeden vermeidbaren Auslöser einer Migräne-
attacke zu umgehen (2).
DGN/RBO L
1. Onderwater GLJ et al.: Alcoholic beverages as trigger factor and the effect on alcohol consumption behavior in patients with migraine. Eur J Neurol 2019; 26(4): 588-595.
2. Mitteilung der DGN vom 5. April 2019.
Waldrebell, pixabay.com
Neurologie
LATE: Definition einer neuen Demenzform
Dass hinter dem klinischen Bild einer Alzheimer-Demenz unterschiedliche Demenzursachen stecken, nehmen Neurologen schon seit längerer Zeit an. Auch diverse gescheiterte Studien mit Medikamenten, die sich gegen die für Alzheimer typischen Beta-Amyloide oder TauProteine richteten, könnten ähnlich interpretiert werden: Möglicherweise waren die Patientenkolletive bezüglich ihrer Demenzursache zu heterogen. Nun wurde eine neue Demenzform definiert, die sich klinisch nicht von einer Alzheimer-Demenz unterscheiden lässt, jedoch andere Ursachen zu haben scheint. LATE ist die Abkürzung für «limbic-predominant age related TDP-43 encephalopathy». Charakteristisch sind Ablagerungen des Proteins TDP-43, die mit dem Fortschreiten von LATE zunächst in den Amygdala, dann zusätzlich im Hippocampus und spä-
ter auch noch im mittleren frontalen Gyrus auf-
treten. LATE-typische Veränderungen sollen
sich gemäss Hochrechnungen aus Autopsiestu-
dien bei über 20 bis zu 50 Prozent der über
80-Jährigen finden. Alzheimer-Demenz und
LATE kämen häufig auch gleichzeitig bei dem-
selben Patienten vor, schreiben Prof. Peter T.
Nelson von der Universität Kentucky, Lexington
(USA), und seine Co-Autoren. Praktische Kon-
sequenzen hat die Definition der neuen De-
menzform vorderhand nicht, weil es keine Bio-
marker für LATE gibt. Sie ist aber der erste
Schritt für eine Intensivierung der Forschung zu
dieser Demenzform, die nach Ansicht der Auto-
ren mindestens genauso bedeutend sei wie die
Alzheimer-Demenz.
RBOL
Nelson PT et al.: Limbic-predominant age-related TDP43 encephalopathy (LATE): consensus working group report. Brain 2019; published online April 30, 2019.
Rückspiegel
Vor 10 Jahren
Psychotherapie via Internet
Psychotherapien, bei denen Therapeut und Klient nicht mehr von Angesicht zu Angesicht, sondern über das Internet verbunden sind, etablieren sich. Die Anzahl publizierter Studien und von Metaanalysen zur Wirksamkeit dieser Therapieform steigt steil an. Für die Schweiz ist das Ganze nichts Neues: In Zürich hatte man bereits Jahre zuvor mit der Entwicklung und Anwendung webbasierter Psychotherapien begonnen.
Vor 50 Jahren
Rötelnimpfung
In den USA und Europa werden erstmals Impfstoffe gegen Röteln offiziell zugelassen. Es handelt sich dabei um Lebendimpstoffe mit attenuierten, nach mehrfachen Passagen in Gewebekulturen nicht mehr infektiöse Virenstämme.
Vor 100 Jahren
Flöhe in der Praxis
Äther empfiehlt der Zürcher Arzt Louis Merlan zum Schutz vor Flöhen. Er trage immer eine kleine Flasche mit sich, besonders bei Gelegenheiten, bei denen er in Kontakt mit vielen Menschen komme, berichtet er in ARS MEDICI. Dann tropfe er auf Kragen, Ärmel und in die Schuhe ein paar Äthertropfen, was ihm die lästigen Insekten in der Regel vom Leib halte. Falls nicht, rät der Mediziner: «Hat sich nun doch einmal ein Floh auf dem Körper eingefunden, dann drückt man mit Äther auf die juckende Stelle für einige Minuten auf; der Floh ist nach kurzer Zeit tot und die Quaddel juckt kaum.» Auch Chloroform eigne sich für diesen Zweck, ergänzt ein Kollege aus Kyritz in einer der folgenden Ausgaben der Zeitschrift. Allerdings seien die Flöhe trotz Äther oder Chloroform nicht unbedingt tot, meist müsse man sie später doch noch «auf dem gewöhnlichen Wege knacksen».
RBO L
ARS MEDICI 11 | 2019