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ATOPISCHE-DERMATITIS-NEWS
Mit Klebestreifen der Entzündung auf der Spur
Die Gewinnung von Hautzellen mittels eines transparenten Klebestreifens bietet sowohl Informationen für die Entzündungsforschung als auch für die Prognose von Patienten mit atopischer Dermatitis.
Wenn man in der Haut, also am Ort des Geschehens, die Mechanismen untersuchen wollte, die der Entzündung zugrunde liegen, kam man bisher nicht um eine Biopsie herum. Das müsse auch anders gehen, dachte sich Dr. Nathan Dyjack von der Universität Denver (Colorado/USA) (1). Er benutze Klebestreifenabrisse von erscheinungsfreier Haut bei Patienten mit atopischer Dermatitis (AD) und hautgesunden Probanden. Anhand dieser Proben untersuchten sie die Zytokin-Typ-2-Signatur (TH2) in nicht läsionaler Haut und die aufregulierte mRNA-Expression von verschiedenen Zytokinen wie IL-13, IL-4R, CCL22, CCR4. Zudem wurde in den Hautproben mittels Immunfluoreszenztechnik die Expression einzelner Proteine bestimmt.
TH2-Signatur bei hohem AD-Schweregrad
Ergebnis: Mit der minimalinvasiven Abrissmethode konnte bei der Hälfte der Patienten eine TH2-Signatur festgestellt werden. Auch ergab sich eine Aufregulation der Moleküle, die eine Aktivierung von
T-Lymphozyten und dendritischen Zellen anzeigen. Besonders bei Patienten mit höherem Schweregrad der AD im EASIScore (Eczema Area and Severity Index) wurde eine TH2-Polarisierung und Zellaktivierung festgestellt. Die Autoren schliessen aus ihren Ergebnissen, dass die Abrissmethode hilft, die molekularen Mechanismen der Typ-2-Entzündung aufzudecken und dass diese mit dem Schweregrad der Erkrankung korrelieren.
AD plus Erdnussallergie
Dieser Abrissmethode bediente sich auch die Studiengruppe um Prof. Donald Leung vom National Jewish Health Center in Denver (Colorado/USA), um die oberen Hautschichten bei AD-Kindern sowohl in den ekzematösen als auch in den erscheinungsfreien Hautbezirken zu untersuchen (2). In ihre Studie schlossen sie 62 Kinder zwischen 4 und 17 Jahren ein, die entweder eine AD plus eine Erdnussallergie aufwiesen, die nur an AD litten und keinen Hinweis auf eine Nahrungsmittelallergie boten oder die gesunde waren (Kontrollgruppe).
Unterschiede zwischen AD und AD plus Erdnussallergie
In den aus der Abrissmethode gewon-
nen Zellen konnten die Forscher deutli-
che Unterschiede zwischen den Proben
von der makroskopisch erscheinungs-
freien Haut der AD-Kinder mit der Nah-
rungsmittelallergie und denen der Kin-
der, die «nur» an AD litten, feststellen.
Die Haut der jungen AD-Patienten mit
Erdnussallergie neigte − verglichen mit
ihren Leidens- und Altersgenossen, die
«nur» an AD litten − zu einem höheren
Wasserverlust, hatte eine stärkere Keim-
besiedlung mit Staphylokokken und wies
eine Genexpression auf, die typisch für
eine unreife Hautbarriere ist. Diese
Hautabnormitäten waren ebenfalls in
den akuten AD-Läsionen nachweisbar.
Dies legt nahe, dass die pathologische
Veränderung der Hautparameter auch
ausserhalb der AD-Läsionen existiert,
allerdings nur bei Kindern, die an AD und
gleichzeitig an einer Nahrungsmittelall-
ergie leiden.
ARF L
Referenzen: 1. Dyjack N et al.: Minimally invasive skin tape strip RNA sequen-
cing identifies novel characteristics of the type 2–high atopic dermatitis disease endotype. Journal of Allergy and Clinical Immunology 2018, 141(4): 1298–1309. 2. Leung D et al.: Non-lesional skin surface distinguishes atopic dermatitis with food allergy as unique endotype. Science Translational Medicine 2019; DOI: 10.1126/scitranslmed.aav2685.
Lange Wimpern bei atopischer Dermatitis
Könnte die Wimpernlänge ein Surrogatmarker für die Schwere einer Atopischen Dermatitis (AD) sein? Eine kleine Studie aus Indien legt dies nahe.
Dem Team um Dr. M. Singh von der Kaya Skin Clinic in New Delhi war aufgefallen, dass Kinder mit schweren atopischen Ekzemen besonders lange Wimpern hatten. Man spricht von Trichomegalie, wenn die Wimpern länger als 12 mm sind. Sie untersuchten dies systematisch und fanden, dass, verglichen mit NichtAD-Kindern, die Kinder mit den Ekze-
men signifikant häufiger eine Trichomegalie aufwiesen (p = 0,05). Und noch etwas fiel auf: Die Länge der Wimpern korrelierte signifikant mit dem Schweregrad der AD von mehr als 50 Punkten im SCORAD. So interessant diese Beobachtung ist, muss doch bemerkt werden, dass die Stichprobe mit 58 AD-Kindern recht klein
ist. Zudem gehen auch andere Erkran-
kungen mit Trichomegalie der Wimpern
einher, beispielsweise Lupus erythema-
todes, Dermatomyositis oder Infektio-
nen (z.B. HIV, viszerale Leishmaniose).
Und auch Medikamente können ver-
stärktes Wimpernwachstum verursachen,
beispielsweise Zidovudin, Interferon-α
oder Ciclosporin.
ARF L
Referenz: Singh M, Pawar M: Eyelash length for the diagnosis of atopic dermatitis and ichthyosis vulgaris in children – a case control study. Eur J Pediatr 2018; 177(6): 955–960.
14 SZD 3/2019
ATOPISCHE-DERMATITIS-NEWS
AD-Patienten mit Birkenpollenallergie: Äpfel verschlechtern Ekzeme
Eine aktuelle Studie belegt den Zusammenhang zwischen atopischer Dermatitis (AD) und Nahrungsmittelallergie: AD-Patienten, die zusätzlich auf Birkenpollen sensibilisiert waren, entwickelten eine Ekzemverschlechterung nach oraler Provokation.
Seit Längerem gibt es Hinweise darauf, dass Patienten, die sowohl an einer AD als auch an einer Birkenpollenallergie leiden, eine Verschlechterung ihrer Ekzeme entwickeln, wenn sie Nahrungsmittel essen, von denen bekannt ist, dass eine Kreuzallergie auf Birkenpollen besteht. Doch welche Relevanz hat dieser Umstand für die Betroffenen? Dieser
Frage ist das Team um Dr. Anja Wassmann von der Medizinischen Hochschule Hannover (Deutschland) nachgegangen. Sie setzten 182 AD-Patienten mit Birkenpollenallergie einem oralen Provokationstest (double‐blind placebo‐controlled food challenges = DBPCFC) mit birkenpollenbezogenen Lebensmitteln wie Äpfeln aus.
Von den insgesamt 261 DBPCFC-Tests
fielen 103 positiv aus: 65 waren Sofort-
typreaktionen, 21 Kombinationen aus
Soforttyp und ekzematösem Spättyp so-
wie 17 isolierte Spättypreaktionen. Bei
32 Teilnehmenden verschlechterten sich
die Ekzeme (37%) − und das deutlich:
Der AD-Score (SCORAD) stieg im Me-
dian um 15,4 Punkte. Die Patienten mit
positiven DBPCFC-Tests (Responder)
zeigten auch signifikant höhere Serum-
IgE-Level auf Birkenpollen und Äpfel,
darüber hinaus war bei diesen Patienten
auch die Prävalenz von Rhinokonjunktivi-
tis höher im Vergleich zu Non-Respon-
dern (p = < 0,05). ARF L Referenz: Wassmann‐Otto A et al.: Birch pollen‐related foods can cause late eczematous reactions in patients with atopic dermatitis. Allergy 2018; 73(10): 2046–2054. Schwangere mit atopischer Dermatitis: Welche Risiken bestehen? In der Schwangerschaft ist bei Patientinnen mit Atopischer Dermatitis (AD) einiges anders als bei hautgesunden Schwangeren: So verschlechtern sich in der Schwangerschaft häufig die Ekzeme, und das Risiko für einen vorzeitigen Blasensprung ist leicht erhöht. Neugeborene AD-kranker Mütter haben ein zweifach erhöhtes Risiko für eine staphylogene neonatale Septikämie. Was eine Schwangerschaft bei einer Patientin mit AD für Mutter und Kind bedeutet, ist bis heute nicht gut untersucht. Diese Wissenslücke wollten dänische Wissenschaftler um Dr. Carsten Hamann von der Universität Kopenhagen (Dänemark) schliessen. Sie verglichen die Daten von 10 668 Mutter-Kind-Paaren des dänischen nationalen Krankheitsregisters, bei denen die Mutter an einer AD litt. Als Kontrollgruppe dienten Mutter-KindPaare (Verhältnis 1:10) mit hautgesunden Müttern. die Anwendung von UV-Therapien im Vergleich zur Häufigkeit vor der Schwangerschaft. In Bezug auf die Schwangerschaft ergab die dänische Analyse, dass die AD-Schwangeren, verglichen mit hautgesunden Schwangeren, ein etwas niedrigeres Risiko für einen Schwangerschaftsdiabetes haben (Odds-Ratio [OR]: 0,79), dafür ist die Gefahr für einen vorzeitigen Blasensprung um etwa 15 Prozent erhöht (OR: 1,15). Keine Assoziation ergab sich im Hinblick auf Präeklampsie oder Frühgeburten. So sollten laut Empfehlungen der ETFAD (European Task Force on Atopic Dermati- tis) Schwangere, die vor der Geburt klini- sche Zeichen einer Superinfektion ihrer Ekzeme aufweisen, konsequent eine topische, antiseptische Behandlung bei- spielsweise mit Chlorhexidin, Kalium- permanganat oder Natriumhypochlorid erhalten. ARF L Referenz: Hamann CR et al.: Pregnancy complications, treatment characteristics and birth outcomes in women with atopic dermatitis in Denmark. J Eur Acad Dermatol Venerol 2018; https://doi.org/10.1111/jdv.15256 Ekzemausbruch in der Schwangerschaft Ergebnis: Da sich bei vielen Frauen mit AD während der Schwangerschaft die Ekzeme verschlimmern – man spricht auch von der Atopic Eruption in Pregnancy (AEP) −, steigt auch der Verbrauch von topischen Steroiden und Septikämierisiko Etwas schlechter sieht es für die Neugeborenen von AD-Müttern aus: Hier besteht offenbar ein etwa doppelt so hohes Risiko für eine neonatale Septikämie durch Staphylokokken (OR: 2,45). Obwohl dies immer noch ein seltenes Ereignis ist, sind präventive Strategien sinnvoll: SZD 3/2019 15