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JAMA-Studie:
Hohe Strahlenbelastung durch CT-Koronarangiografie
Patienten, die sich einer CT-Koronarangiografie unterziehen, setzen sich einer hohen Strahlenbelastung aus. Dies ergab eine Studie des Deutschen Herzzentrums in München, die vergangene Woche im «Journal of the American Medical Association» veröffentlicht wurde (JAMA 2009; 301: 500– 507). Nach den Ergebnissen der Prospective Multicenter Study On Radiation Dose Estimates Of Cardiac CT Angiography In Daily Practice I (PROTECTION I) liegt die Strahlenbelastung 600-fach höher als beim Thorax-Röntgen. Die Arbeitsgruppe um Jörg Hausleiter hatte Daten aus 50 Kliniken verschiedener Länder analysiert. Als Mass der Strahlenbelastung verwendeten sie das Dosis-Längen-Produkt (dose-length product, DLP). Dabei handelt es sich um das Produkt aus der applizierten Dosis (in mGy) und der Länge des Scans (in cm). Im Durchschnitt waren die knapp 2000 Teil-
nehmer einer DLP von 885 mGy × cm ausgesetzt, was der Dosis von 600 Röntgenthoraxaufnahmen oder 1,2 abdominalen CT-Untersuchungen entspricht. Die Daten rufen zugleich in Erinnerung, wie hoch die Dosis beim «konventionellen» CT sein kann. Die DLP schwankte von Patient zu Patient erheblich, auch da die Möglichkeiten, die Strahlung zu reduzieren, unterschiedlich genutzt wurden. Zu den empfohlenen Massnahmen gehört die Verwendung einer EKG-gesteuerten Röhre, die das DLP um 25 Prozent senkt. Davon wurde der Studie zufolge bei 73 Prozent der Patienten Gebrauch gemacht. Die Verwendung einer 100-kV-Röhrenspannung reduzierte das DLP um 46 Prozent; allerdings wurde sie nur bei 5 Prozent verwendet. Ein sequenzielles Scannen senkte bei 6 Prozent der Patienten das DLP um 78 Prozent. Grossen Einfluss hat auch die
verwendete Technik: Die Unterschiede
zwischen den Geräten mit der höchsten
und niedrigsten Strahlendosis betrugen fast
100 Prozent. Die Autoren fordern die Ra-
diologen dringend auf, die Möglichkeiten
einer Dosisminderung zu nutzen. Dies
scheint geboten, nachdem die CT-Koro-
narangiografie als nichtinvasives Diagnose-
verfahren immer häufiger eingesetzt wird,
um im Notfall rasch zu einer Diagnose zu
kommen. Allerdings gibt es bestimmte
Faktoren, welche die Strahlendosis erhö-
hen, die sich nicht ohne weiteres abstellen
lassen. Dazu gehört das Körpergewicht
der Patienten, das einen relativen Einfluss
von 5 Prozent auf die DLP hatte, die Abwe-
senheit eines stabilen Sinusrhythmus und
die Länge des Scans.
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U.B.
Gezielte Therapien beim metastasierten Kolonkarzinom:
Mehr ist nicht immer besser …
In den vergangenen Jahren ist die adjuvante zytotoxische Therapie des Kolonkarzinoms vielfältiger und erfolgreicher geworden. So haben Behandlungsschemata, die Fluorouracil neben Folsäure mit Irinotecan (FOLFIRI) oder Oxaliplatin (FOLFOX) kombinieren oder auch die Kombinatioon von Capecitabine mit Irinotecan (CapIri) oder mit Oxaliplatin (CapOx) das mediane Überleben im Vergleich zur Fluoropyrimidin-Monotherapie auf über 20 Monate nahezu verdoppelt. Einen weiteren Schritt bedeuten heute die «targeted therapies» (gezielte Therapien gegen molekulare Strukturen) mit dem monoklonalen Antikörper Bevacizumab (Avastin®) gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF), oder mit Cetuximab (Erbitux®) und Panitumumab (Vectibix®), die gegen
den Rezeptor des epidermalen Wachstumsfaktors (EGFR) gerichtet sind. Sie haben in Kombination mit Irinotecan- oder oxaliplatinhaltigen Therapien beim fortgeschrittenen Kolonkarzinom weitere Verbesserungen gebracht. Nun lag es nahe, auch gezielte Therapien mit unterschiedlichem Angriffspunkt zu kombinieren. Präklinische und eine kleine klinische Studie bei 40 Patienten verliefen vielversprechend. Soeben ist jedoch eine randomisierte Vergleichsstudie aus den Niederlanden im New England Journal of Medicine (Tol J. et al., NEJM 2009; 360 (No. 6): 563–572) mit überraschendem Ergebnis erschienen. Nach einem Follow-up von 23 Monaten ergab sich, dass der Zusatz von Cetuximab zu einer Kombinationstherapie mit Capecitabine, Oxaliplatin und Bevacizumab das
mediane progressionsfreie Überleben von
10,7 auf 9,4 Monate verkürzt hatte. Auch
das mediane Gesamtüberleben war trend-
mässig kürzer. Genetische Eigenschaften des
Tumorgewebes (für Cetuximab ungünstige
Mutationen des KRAS-Gens) oder Neben-
wirkungsraten, welche die Therapieinten-
sität hätten beeinflussen können, vermö-
gen die Diskrepanz nicht zu erklären. Diese
Resultate erinnern einmal mehr daran, dass
eine in präklinischen oder unkontrollierten
klinischen Studien festgestellte Antitumor-
aktivität in randomisierten Studien keine
Validierung erfahren kann. Auch lässt sich
vermuten, dass verschiedene gezielte The-
rapien wohl wegen subtiler Interaktionen
der zellulären Signalwege nicht immer
Synergien bringen müssen.
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H.B.
132 ARS MEDICI 4 ■ 2009
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Kanadische Heart and Stroke Foundation warnt:
ACE-Hemmer und AT-II Blocker nicht kombinieren!
Hochdruckkranke sollten nicht gleichzeitig mit einem ACE-Hemmer und einem Angiotensin-II-Rezeptorblocker behandelt werden, warnt die kanadische Heart and Stroke Foundation. Diese Kombination erhöhe das Risiko von plötzlichem Herztod, Nierenerkrankung und Dialysepflichtigkeit. Die Fachgesellschaft zieht damit als erste Konsequenzen aus der ONTARGET-Studie (Ongoing Telmisartan alone and in combination with Ramipril Global Endpoint Trial), die im vergangenen Jahr im «New England Journal of Medicine» (NEJM 2008; 358: 1547–1559) publiziert wurde. An der gross angelegten Untersuchung hatten mehr als 25 000 Hochrisiko-Hypertoniker teilgenommen, bei denen bereits Endorganschäden aufgetreten waren. Untersucht wurde die Wirksamkeit einer Behandlung mit dem ACE-Hemmer Ramipril, dem Angiotensin-II-Rezeptorblocker Telmisartan und der Kombination beider Medikamente. Da sowohl ACE-Hemmern als auch Angiotensin-II-Rezeptorblockern eine nephroprotektive Wirkung zugeschrieben wird, hoffte die Gruppe um Salim Yusuf von der McMaster Universität in Hamilton, Ontario, durch deren Kombination auf eine gesteigerte Therapieausbeute. Das Ergebnis fiel dann aber zur Überraschung der Autoren gegenteilig aus: Unter der Kombinationstherapie stieg nämlich die Zahl der Patienten, bei denen es zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion kam, signifikant um 33 Prozent – obwohl sich die Proteinurie besserte. Diese war bisher als Marker für eine nephroprotektive Wirkung gewertet worden, was seither aber infrage steht. Ausserdem mussten die Studienleiter unter der Kombination einen tendenziellen, aber statistisch nicht signifikanten Anstieg der Dialysepflicht und der Todesfälle zur Kenntnis nehmen. Zumindest für die kanadische Heart and Stroke Foundation steht fest, dass die Nachteile der Kombination überwiegen, zumal die Studie keine Hinweise auf eine Reduktion des Schlaganfall- oder Herzinfarktrisikos erbrachte. «Manchmal ist weniger mehr»,
sagte Professor Sheldon Tobe, Nephrologe am Sunnybrook Health Sciences Centre in Toronto. «Die gute Nachricht ist, dass Nebenwirkungen verschwinden, wenn die Kombination beendet wird.» Nach Schätzungen der Heart and Stroke Foundation nehmen in Kanada derzeit 17 500 Hypertoniker eine Kombination aus einem ACE-
Hemmer und Angiotensin-II-Rezeptor-
blocker ein. Ihnen wird geraten, ihren Arzt
aufzusuchen und auf eine weniger riskante
Kombination zu wechseln. Von einem
eigenmächtigen Absetzen der Behandlung
raten sie den Patienten aber ab.
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U.B.
Gen für ein Langes Leben
Photo by Chalmers Butterfield
Ob wir lang leben, hängt auch von unseren Erbanlagen ab. So sorgt offenbar eine Variante des Gens FOXO3A dafür, dass Menschen besonders alt werden. Im vergangenen Jahr hatten amerikanische Forscher entdeckt, dass (in den USA lebende) hochbetagte Japaner auffällig häufig diese Genvariante aufweisen. Wissenschaftler der Universität Kiel haben diese Ergebnisse nun bei 388 hundertjährigen Deutschen bestätigt. Sie hatten das Erbgut der Hundertjährigen mit dem jüngerer Menschen verglichen. Almut Nebel, Leiterin des Kieler Forschungsteams, hält es nun für wahrscheinlich, dass das Gen weltweit über verschiedene Ethnien hinweg von Bedeutung ist. FOXO3A spielt unter anderem bei der Apoptose–Induktion alter und kranker Zellen eine Rolle. Die Arbeit ist in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) online nachzulesen.
ARS MEDICI 4 ■ 2009 133