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SYMPOSIUM
Schizophrenietherapie bei Erwachsenen
Im Dezember 2018 erhielt Brexpiprazol (Rexulti®) in der Schweiz die Kassenzulassung zur Behandlung der Schizophrenie bei Erwachsenen. Brexpiprazol ist ein SerotoninDopamin-Akivitätsmodulator. Die intrinsische Aktivität am D2-Rezeptor liegt zwischen jener von Aripiprazol und einem vollen Antagonisten (1). Am Lundbeck-Symposium präsentierten internationale Experten Fakten zur neuen Behandlungsoption.
S chizophrenie ist eine lebenslange Erkrankung, die häufig chronifiziert und mit einer höheren Mortalität einhergeht. «Die Betroffenen haben aufgrund der Schizophrenie eine Lebenszeitverkürzung von rund 20 Jahren», hielt Prof. Erich Seifritz, Direktor und Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, PUK Zürich, fest (2). In vielen Fällen ist deshalb eine lebenslange Behandlung erforderlich, und die Therapieadhärenz ist zentral. Allerdings werden die verschriebenen Medikamente häufig gar nicht oder nur unvollständig eingenommen. Studien von Tiihonen et al. zeigen allerdings, dass die kontinuierliche Einnahme von Neuroleptika bedeutsam ist. «Die höchste Mortalität haben nicht die mit Neuroleptika behandelten Patienten», so Seifritz, «sondern Patienten, die die Medikation sistieren.» Ferner zeigen die Daten, dass das Risiko für einen Rückfall massiv steigt, wenn die Patienten die Medikamente mit Unterbrechung einnehmen (3). Die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls in die Psychose ist sogar nach 8 Jahren Behandlung mit Neuroleptika immer noch massiv erhöht, wenn das Neuroleptikum abgesetzt wird. «Die Medikamente abzusetzen, stellt aufgrund der Datenlage ein grosses Risiko für einen Rückfall dar», hielt Seifritz fest. Ein wichtiges Behandlungsziel ist somit die Theapieadhärenz, was in der Regel eine kontinuierliche Medikamenteneinnahme über Jahre oder gar lebenslang bedeutet. Allerdings driften die Therapieziele von Patienten und Medizinern in einigen Punkten oft weit auseinander, und das wiederum beeinflusst die Therapieadhärenz negativ (4). So ist beispielsweise die höhere Zufriedenheit für den Patienten der drittwichtigste Grund, um ein bestimmtes Neuroleptikum einzunehmen, für die Ärzte steht Zufriedenheit gerade einmal an 9. Stelle (von 20). Auch Faktoren wie verbesserte Selbstständigkeit oder Arbeitsfähigkeit und bessere Gesundheit sind für den Patienten äusserst wichtig, für den Mediziner hingegen eher sekundär. «In der Behandlung der Schizophrenie haben wir demnach noch immer viele unerfüllte Bedürfnisse», hielt Seifritz fest, «um die Therapiewirkung zu verbessern, braucht es in der Regel eine konstante Medikamenteneinnahme. Für die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient ist
ein möglichst übereinstimmendes Krankheitskonzept entscheidend.»
Brexpiprazol im Labor Mit Brexpiprazol liegt ein weiteres Medikament zur Behandlung der Schizophrenie vor. Pharmakologisch sei Brexpiprazol eine eigene chemische Entität, und es unterscheide sich von Aripiprazol, hielt Nathalie Breysse, Senior Global Medical Advisor, H. Lundbeck A/S, Kopenhagen (DK), fest. Brexpiprazol ist ein Serotonin-Dopamin-Aktivitätsmodulator, im Vergleich zu Aripiprazol hat es aber eine höhere Affinität zu 5-HT1A und 5-HT2A-Rezeptoren. Das Bildungsprofil zu D2/5-HT1A und D2/5-HT2A ist ausgeglichen. Für D2-Rezeptoren hat der Wirkstoff eine niedrigere intrinsische Aktivität (1, 5). Aufgrund des pharmakologischen Profils scheint es nur wenige Nebenwirkungen im Vergleich zu Dopaminantagonisten zu haben. Allerdings ist Brexpiprazol ein Substrat von CYP3A4 und CYP2D6 und kann somit zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen eingehen. Der Wirkstoff besitzt eine Halbwertszeit von etwa vier Tagen und kann unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden. Die Startdosis liegt bei 1 mg/Tag in den ersten vier Tagen, danach wird empfohlen, über einen Zeitraum von drei Tagen auf 2 mg zu erhöhen. Die empfohlene Zieldosis liegt bei 2 oder 4 mg täglich.
Brexpiprazol in der Klinik Prof. Dr. med. Christoph U. Correll, Klinikdirektor, Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Charité-Universitätsmedizin Berlin (D), stellte die klinischen Daten vor. Die Zulassungsempfehlung für Brexpiprazol beruht auf plazebokontrollierten Studien zur Behandlung der akuten Schizophrenie und zur Rückfallprophylaxe (6–8). Die Studienergebnisse belegten eine wirksame und gut verträgliche Behandlung unter Brexpiprazol. Mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen können Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und Agitiertheit sein. Die Gewichtszunahme von wenigstens 7 Prozent ist in der Dosierung von 1 bis 4 mg vergleichbar hoch und liegt im Durchschnitt bei rund 10 Prozent der Studienteilnehmer.
Correll hielt fest, dass Brexpiprazol 2 mg/Tag
und 4 mg/Tag bei akuter Schizophrenie eine si-
gnifikant grössere Verbesserung der Schizo-
phreniesymptome zeigt als Plazebo (9). Nur
wenige Patienten brachen die Behandlung
wegen Nebenwirkungen ab, und die Inzidenz
von behandlungsbedingten Nebenwirkungen
war vergleichbar mit Plazebo. Werde überlap-
pend auf Brexpiprazol umgestellt, so Correll,
zeige sich die beste Effektivität nach einem
Monat (10). In dieser Zeit kann bei Bedarf ein
Benzodiazepin kurzfristig als Überbrückung zu-
sätzlich gegeben werden.
Als Erhaltungstherapie zur Verhinderung von
Rückfällen hat Brexpiprazol 1 bis 4 mg/Tag
(mittlere Dosis: 3,6 mg/Tag) die Zeit bis zum
drohenden Rückfall im Vergleich zu Plazebo si-
gnifikant verlängert.
So konnte das Risiko für einen Rückfall um
71 Prozent im Vergleich zu Plazebo gesenkt
werden. Brexpiprazol war auch in der 1-Jahres-
Studie gut verträglich, und nur selten kam es
wegen behandlungsbedingter Nebenwirkun-
gen zu Studienabbrüchen.
Brexpiprazol ist laut Correll damit eine neue
wertvolle Behandlungsoption zur akuten und
langfristigen Behandlung der Schizophrenie. G
Annegret Czernotta
Quelle: Schizophrenie-Therapie bei Erwachsenen, 31.1.2019, Hotel Marriott, Zürich.
Hauptsponsor war die Lundbeck (Schweiz) AG, die keinen Einfluss auf den Inhalt des Beitrags nahm.
Referenzen:
1. Maeda K et al.: Brexpiprazole I: In vitro and in vivo characterization of a novel serotonin-dopamine activity modulator. J Pharmacol Exp Ther 2014a; 350: 598–604.
2. Torniainen M, Mittendorfer-Rutz E, Tanskanen A, Björkenstam C, Suvisaari J, Alexanderson K, Tiihonen J: Antipsychotic treatment and mortality in schizophrenia. Schizophr Bull 2015 May; 41(3): 656–663.
3. Tiihonen J, Tanskanen A, Taipale H: 20-Year nationwide follow-up study on discontinuation of antipsychotic treatment in first-episode schizophrenia. Am J Psychiatry 2018; 175(8): 765–773.
4. Bridges JFP et al.: A test of concordance between patient and psychiatrist valuations of multiple treatment goals for schizophrenia. Health Expect 2013; 16 (2): 164–176.
5. Stahl SM: Mechanism of action of brexpiprazole: comparison with aripiprazole. CNS Spectr 2016; Vol 21, Issue 1, 1–6.
6. Kane JM et al.: A multicenter, randomized, double-blind, controlled phase 3 trial of fixed-dose brexpiprazole for the treatment of adults with acute schizophrenia. Schizophr Res 2015; 164 (1–3): 127–135.
7. Correll CU et al.: Efficacy and Safety of Brexpiprazole for the Treatment of Acute Schizophrenia: A 6-Week Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Trial. Am J Psychiatry 2015; 172(9): 870–880.
8. Fleischhacker WW et al.: Efficacy and Safety of Brexpiprazole (OPC-34712) as Maintenance Treatment in Adults with Schizophrenia: a Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Study. Int J Neuropsychopharmakol 2017; 20(1): 11–21.
9. Correll CU, Skuban A, Hobart M, Ouyang J, Weiller E, Weiss C, Kane JM: Efficacy of brexpiprazole in patients with acute schizophrenia: Review of three randomized, double-blind, placebo-controlled studies. Schizophr Res 2016 Jul; 174(1–3): 82–92.
10. Correll CU, Shi L, Weiss C, Hobart M, Eramo A, Duffy RA, Weiller E, Baker RA: Successful switching of patients with acute schizophrenia from another antipsychotic to brexpiprazole: comparison of clinicians’ choice of cross-titration schedules in a post hoc analysis of a randomized, double-blind, maintenance treatment study. CNS Spectr 2018 Oct; 11: 1–11.
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PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE