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FORTBILDUNG
Behandlung der autoimmunen Enzephalitiden
Autoimmune Enzephalitiden (AE) sind charakterisiert durch das subakute (selten chronisch progrediente) Auftreten von mnestischen Defiziten, psychiatrischen Auffälligkeiten und/oder epileptischen Anfällen. Die Abgrenzung zu infektiösen Enzephalitiden ist zentral für die weitere Behandlung. Die Patienten profitieren von einer spezifischen Immuntherapie. Der frühen Diagnosestellung und Einleitung einer adäquaten Therapie kommt dabei eine hohe Relevanz zu.
Helen Hayward-Könnecke
Helen Hayward-Könnecke
N eben der Abgrenzung zu infektiösen Enzephalitiden sollten ebenso mit onkoneuralen Antikörper (AK) assoziierte paraneoplastische Syndrome ausgeschlossen werden. Diese in der Regel von Tumorerkrankungen gebildeten AK sind gegen intrazelluläre Antigene gerichtet. In der letzten Dekade wurden sukzessive Autoantikörper identifiziert, die an zellmembranständige oder synaptische Strukturen (Kanäle oder Rezeptoren) des zentralen Nervensystems (ZNS) binden und neue Enzephalitisentitäten repräsentieren. Diesen Auto-AK kommt dabei eine spezifische pathogenetische Bedeutung zu: Entsprechend ihren Zielantigenen können sich klinisch charakteristische Manifestationen finden, etwa eine Neuromyotonie bei CASPR2-(Contactin-assoziiertes-Protein-2-)AK oder faziobrachiale Anfälle bei LGI1-(«Leucine-rich Glioma Inactivated Protein 1»-)AK. AE weisen teilweise schwere Verläufe auf und sind mit einer signifikanten Langzeitmorbidität verbunden. Die Patienten profitieren jedoch von einer spezifischen Immuntherapie, dabei kommt der frühen Diagnosestellung und Einleitung einer adäquaten Therapie hohe Relevanz zu.
Immuntherapie bei antikörpervermittelten Enzephalitiden Die Identifizierung von neuen, gegen Oberflächenantigene gerichteten AK (AMPAR≠α-Amino-3-Hydroxy-5Methyl-4-Isoxazolpropionsäure-Rezeptor, Dopamin 2-, DPPX = Dipeptidyl Aminopeptidase-like Protein 6, GABABR = γ-Amino-Buttersäure-B-Rezeptor, mGluR5 = metabotroper Glutamat-Rezeptor 5, NMDAR = N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor, VGKC-K = VGKC spannungsabhängiger Kaliumkanal-Komplex) führte zu einer
kontinuierlichen Erweiterung des Erkrankungsspektrums der AE über die letzte Dekade. Die Beschreibung weiterer neuer Entitäten ist zu erwarten. Diese AK sind nur fakultativ paraneoplastisch. Am häufigsten kommen LGI1-, CASPR-2 und NMDAR-AK-assoziierte Enzephalitiden vor. Daneben führen auch klassische paraneoplastische AK zu Enzephalitiden oder Enzephalomyelitiden, welche mit einer schlechteren Prognose assoziiert sind (1, 2). Trotz des sich ständig erweiternden Spektrums sind antikörperassoziierte AE selten, dementsprechend liegen keine kontrollierten Therapiestudien vor. Behandlungsempfehlungen basieren auf Fallberichten/-serien und internationalen Expertenempfehlungen. Im ersten Schritt (sog. First-Line-Immuntherapien) erfolgt eine Kortisonpulstherapie (1 g Methylprednisolon i.v. über 5 Tage, anschliessend gegebenenfalls orales Ausschleichen). Alternativ kommen intravenöse Immunglobuline (IVIG 0,4 g/kg KG über 5 Tage) zum Einsatz. Besteht aufgrund der klinischen Präsentation der hochgradige Verdacht auf eine AE, sollte gemäss Expertenempfehlungen bereits vor dem AK-Nachweis frühzeitig eine Immuntherapie eingeleitet werden (3). Insofern eine Besserung ausbleibt, sollte ein Aphereseverfahren (Plasmapherese/PLEX oder Immunadsorption) zur raschen Entfernung der pathogenen AK eingesetzt werden (4, 5). Dabei erweisen sich die beiden letzteren Ansätze (IVIG, PLEX) bei gegen Oberflächenantigene gerichteten AK-AE effektiver als die mit intrazellulären AK assoziierten AE mit dominierender T-Zell-mediierter Immunantwort (6–9). Bleibt eine Besserung nach dieser Primärtherapie nach wenigen Tagen aus, sollte die Behandlung erweitert werden. Bevorzugt erfolgt der Einsatz von Rituximab (RTX 2 × 1 g i.v. im Abstand von 2 bis 4 Wochen), alternativ dazu beziehungsweise bei fehlendem Ansprechen kann Cyclophosphamid (750–1000 mg/m2 Körperoberfläche alle 4 Wochen i.v.)
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angewandt werden (10, 11). Für die Langzeittherapie wird auf klassische orale Immunsuppressiva zurückgegriffen, hierunter Azathioprin (AZA; 2–3 mg/kg/Tag), Mycophenolat mofetil (MMF; 250–1000 mg 2 ×/Tag) oder Methotrexat (MTX) (4, 5). In Abhängigkeit des Ansprechens im Akutstadium und des zugrunde liegenden Syndroms kann auch eine Fortführung von RTX (alle 6 Monate) oder IVIG (Intervalle von 4 bis 8 Wochen) erfolgen. Der Therapieerfolg wird auf Basis der klinischen Befundverbesserung bewertet, zudem können auch EEG (Elektroenzephalogramm) und SchädelMagnetresonanztomografie-Befunde als Surrogatparameter herangezogen werden. Behandlungsversuche AE-assoziierter epileptischer Anfälle mit klassischen Antiepileptika sind häufig frustran; eine Reduktion der Anfallsfrequenz stellt sich meist erst im Kontext der immunmodulierenden Therapie ein (12). Bei adäquatem Therapieansprechen sollten sich auch antineuronale Liquor-AK-Titer rückläufig zeigen; in einigen Fällen persistieren diese jedoch. Die Behandlung von Rezidiven gestaltet sich analog zur Ersttherapie. Im Folgenden wird detaillierter auf ausgesuchte AK-vermittelte AE eingegangen.
NDMA-Rezeptor-Enzephalitis Die NMDAR-AK-Enzephalitis liegt in 4 Prozent aller Enzephalitiden vor und ist damit die häufigste Form der autoimmunen Enzephalitis (13). In 38 Prozent besteht eine paraneoplastische Genese (Assoziation mit Teratomen bei jungen Frauen, bei über 45-Jährigen mit Karzinomen) (14), eine Tumorsuche ist obligat. Durch die AK-Bindung kommt es zu einer Internalisierung der NMDA-Rezeptoren ohne relevanten neuronalen Verlust. Die hierdurch ausgelöste funktionelle Störung ist durch eine adäquate Therapie meist reversibel und führt bei drei Viertel der Patienten zu einer Erholung (15, 16), eine Persistenz leichter kognitiver Defizite ist jedoch möglich (17). Kontrollierte Studien zum Vergleich von Erstlinientherapien liegen nicht vor; die Daten zur Behandlung basieren auf vier grösseren, retrospektiven Fallserien (18–20). Die direkte pathogenetische Bedeutung der Autoimmun-AK macht die Anwendung von Plasmaaustauschverfahren sinnvoll. Dabei sollte ein früher Einsatz der Plasmapherese erfolgen, wie dies eine Fallserie hervorhebt (21). Vergleichbare Effektivität weist auch die Immunadsorption auf (22). Der rasche Einsatz von Immuntherapien nach Erstmanifestation (< 40 Tage nach Beginn) korreliert mit einer signifikant besseren Prognose (23). Bei tumorassoziierten NMDAR-Enzephalitiden findet sich nach rascher Tumorresektion in Kombination mit einer First-Line-Immuntherapie in 80 Prozent eine Besserung (24). Dies ist bei nicht paraneoplastisch bedingten Formen nur in 50 Prozent der Fall (18). Liegt kein Tumornachweis vor oder besteht nur eine zögerliche Besserung, sollte eine Zweitlinientherapie mit Cyclophosphamid oder RTX evaluiert werden (25). Vergleichsstudien für diese Substanzen existieren nicht, angesichts des Nebenwirkungsprofils von Cyclophosphamid (Toxizität und potenzielle Infertilität) wird RTX jedoch in der Praxis bevorzugt eingesetzt. Die Symptomatik bessert sich in drei Viertel der Patienten durch Zweitlinientherapien deutlich (14, 22, 24). Die Gabe von oralen Immunsuppressiva wurde nicht systematisch untersucht, einige Fallserien berichten über einen erfolg-
reichen Einsatz von AZA, MMF oder MTX (26). Vor dem Hintergrund einer Rezidivrate der NMDAR-Enzephalitis von 12 bis 25 Prozent, vor allem bei den nicht paraneoplastischen Fällen (18, 19), sollte die Zweitlinientherapie über die Phase der klinischen Besserung hinaus fortgesetzt werden. Einheitliche Empfehlungen zur Dauer der Therapie wurden bisher nicht etabliert (27). Die Ursache der Rezidive ist nicht geklärt, sie können Monate bis Jahre nach der ersten Episode auftreten. Höhere AKTiter finden sich vor allem bei Patienten mit Teratomen, aber auch bei Patienten ohne paraneoplastisches Syndrom mit schlechterer Prognose (19, 28). Ein rascher Abfall der NMDAR-AK-Titer ist ein Indikator für einen monophasischen Verlauf (23). Insgesamt kommt einer frühzeitig begonnenen, adäquaten Immuntherapie bei dieser in der Akutphase schwer verlaufenden Erkrankung eine hohe Relevanz zu. Die hiermit verknüpfte gute Prognose erlaubt einem überwiegenden Teil der Patienten eine Rückkehr in das familiäre und berufliche/ schulische Umfeld mit geringen neuropsychologischen Defiziten (24, 29).
VGKC-AK-Enzephalitis Die Auto-AK bei der VGKC-Enzephalitis sind genauer betrachtet gegen drei VGKC-assoziierte Proteine gerichtet: CASPR2, LGI1 und Contactin 2. Letzteres findet sich meistens in Kombination mit LGI-1 oder CASPR2, eine eigenständige pathogene Bedeutung von isolierten VGKC-Antikörpern wird heute nicht mehr angenommen (30–32). Überwiegend sind Männer in der zweiten Lebenshälfte betroffen. Monophasische Verläufe mit gutem Ansprechen auf Immuntherapien sind charakteristisch. Für eine CASPR2-AK-Erkrankung ist neben einer Enzephalitis das Auftreten einer Neuromyotonie (IsaakMertens-Syndrom) typisch, liegen zudem eine autonome Dysfunktion und Insomnie vor, besteht ein Morvan-Syndrom. 20 Prozent der Fälle sind mit Tumoren assoziiert (33). Charakteristisch für die LGI1-Enzephalitis sind faziobrachiale dystone Anfälle, Hyponatriämien und eine limbische Enzephalitis (34), die selten paraneoplastischen Ursprungs ist (30, 31). Mnestische und kognitive Defizite können im Rahmen der LGI1-Enzephalitis persistieren (35). Man geht von einer durch die Auto-AK ausgelösten Neurodegeneration aus, welche einer Therapie nicht gut zugänglich ist. Retrospektiv erhobene Daten untermauern die Relevanz einer frühen (d.h. in den ersten 8 Wochen nach Erstmanifestation) und kombinierten Therapie (Kortison und IVIG) (36, 37). Eine kleine prospektive Studie zeigte eine Besserung nach Kortisonstosstherapie mit anschliessendem oralem Ausschleichen in Kombination mit PLEX und IVIG (38), prospektive Vergleichsstudien liegen allerdings nicht vor. Zunächst wird eine Reduktion der Anfallsfrequenz konstatiert, kognitive Defizite bessern sich indes erst später (39). In therapierefraktären Fällen kann der Einsatz von RTX, aber auch AZA und MMF, gegebenenfalls auch Tacrolimus erwogen werden (25). Unter Immuntherapie besteht eine insgesamt günstige Prognose mit Besserung bei zirka drei Viertel der Patienten (39, 40), wobei ein Therapieeffekt mit Besserung der Symptomatik oft erst nach mehreren Wochen einsetzt (41). Rezidive können grundsätzlich auftreten und weisen eine Korrelation mit einem erneuten AK-Titeranstieg auf (42).
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AMPAR-AK-Enzephalitis Die typischerweise aggressiv verlaufende AMPAR-AKvermittelte Enzephalitis ist im überwiegenden Teil tumorassoziiert (43). Eine Besserung durch Tumorresektion und Immuntherapie (Kortison, IVIG) ist möglich, allerdings sind Rezidive (auch ohne Tumorrezidiv) zahlreich, weshalb eine Therapie mit RTX oder Cyclophosphamid erfolgen sollte (2).
Weitere antikörpervermittelte Enzephalitiden Durch DPPX-AK ausgelöste Enzephalitiden (selten mit Lymphomen assoziiert) präsentieren sich mit einer ZNSHyperexzitabilität, kognitiven Defiziten und einer Dysautonomie (DPPX wird im myenterischen Plexus exprimiert) (44). Zumeist gehen den neurologischen Defiziten gastrointestionale Beschwerden (v.a. Diarrhöen) voraus, die häufig einen ausgeprägten Gewichtsverlust verursachen. Eine retrospektive Fallserie demonstrierte eine Besserung bei zwei Drittel der Patienten nach Immuntherapien, hierunter Kortison, IVIG, PLEX, auch in Kombination mit Cyclophosphamid oder RTX (45). Eine Aussage zur Effektivität einzelner Ansätze ist auf Basis der derzeitigen Datenlage nicht möglich. GABAbR-AK sind mit einer limbischen Enzephalitis assoziiert, seltener mit einer Ataxie. Bei 50 Prozent der Patienten liegt ein Tumor vor (häufig kleinzelliges Bronchialkarzinom) (46), sodass sich nach Tumorentfernung eine Kombination aus Chemotherapie und Immuntherapie anschliessen sollte (1). Die Pathogenese der selten auftretenden IgLON5(«IgLON family member 5»-)Ak-Enzephalitis ist ungeklärt (47). Klinisch führend sind eine Hirnstammsymptomatik, Parasomnien und Bewegungsstörungen, eine Immuntherapie führt zumeist nicht zu einer relevanten Verbesserung der Symptomatik.
Immunvermittelte paraneoplastische Syndrome und ihre Therapie Gewisse Tumoren können eine Störung der immunologischen Toleranz gegenüber neuronalen Antigenen bedingen, welche eine fehlgeleitete Immunantwort gegen neuronale Strukturen triggert. Diese (immunvermittelten) paraneoplastischen Syndrome des Nervensystems können – bei Patienten mit entsprechender Klinik – durch den Nachweis von antineuronalen AK bestätigt werden. Seronegativität liegt in zirka 18 Prozent der Fälle vor (48). Aufgrund einer variablen klinischen Präsentation gestaltet sich die Diagnosestellung jedoch oft schwierig (49). Gegen intrazelluläre Antigene gerichtete (auch als klassisch bezeichnete) AK sind tumorassoziiert (Anti-Amphiphysin, ANNA-3, CV2/CRMP5, -Hu, -Ri, -Yo, -Ma1, -Ma2/Ta, -PCA-2, -SOX1). Eine Ausnahme hiervon bilden Anti-GAD-(Glutamat-Decarboxylase-)AK, die auch ohne paraneoplastische Assoziation vorkommen können. Eine konkrete pathogenetische Bedeutung der AK konnte bisher nicht gezeigt werden, vielmehr steht eine zellvermittelte (über Perforin und Granzym-B-Apoptose auslösende CD8+-Zellen), zu irreversiblen Schäden führende Immunantwort im Zentrum (50). Diese im Nervensystem kompartimentalisierte, durch AK gegen intrazelluläre Antigene ausgelöste inflammatorische Reaktion weist insgesamt eine ungünstige Prognose auf, da sie Immuntherapien nicht gut zugänglich ist.
Um mögliche durch die paraneoplastische Immunreaktion ausgelöste irreversible Schäden zu vermeiden, sollte eine Immuntherapie so früh wie möglich nach Erstmanifestation initiiert werden. Falls kein Verdacht auf ein Lymphom besteht, kann die Aufnahme einer Immuntherapie auch vor Sicherung der Malignomdiagnose erfolgen. Analog zu anderen Autoimmunerkrankungen folgt auf eine Akuttherapie eine Langzeitbehandlung. Initial kommt jedoch einer adäquaten interdisziplinären Tumorbehandlung hohe Priorität zu, da sie bereits eine Stabilisierung, in einigen Fällen auch eine Besserung der neurologischen Ausfallsymptomatik erreichen kann (51–53). Kommt es trotz Tumorresektion zu einem Fortschreiten der Symptome, muss neben einer inkompletten Resektion auch über das Vorliegen von (okkulten) Metastasen diskutiert werden. Eine Verschlechterung nach initialer Besserung kann Indikator für ein Tumorrezidiv sein. Bei zwei Drittel der Patienten ist zu Beginn der neurologischen Symptomatik keine Tumorerkrankung bekannt (48). Tumore können der Routinediagnostik entgehen, eine Nachsorge wird für mindestens 4 Jahre empfohlen. Nach Detektion und Entfernung des Primarius sollte sich eine Immunsuppression nahtlos anschliessen, gegebenenfalls sind zusätzliche symptomatische Therapieansätze notwendig. In der Behandlung der durch klassische Auto-AK ausgelösten limbischen Enzephalitis (LE) werden die gleichen Therapieprinzipien (wie oben erläutert) angewandt. Als steroidsparende oder auch als Eskalationstherapie können Substanzen wie AZA und MTX eingesetzt werden, studienbasierte Empfehlung liegen jedoch nicht vor. Sollte ein Effekt auf die neurologische Symptomatik auch 3 bis 6 Monate nach einer solchen Therapieeskalation ausbleiben, muss die Fortführung kritisch überdacht werden. Insgesamt bleibt die Prognose schlecht. Eine Ausnahme hiervon stellt die Ma2-AK assoziierte Enzephalomyelitis dar, welche sich nach entsprechender Tumor- und Immuntherapie in zirka 30 Prozent der Fälle bessert (54).
Zusammenfassung und Ausblick Gegen intrazelluläre oder gegen Oberflächenantigene gerichtete AK sind Auslöser diverser eigenständiger Entitäten von Autoimmunerkrankungen, deren Therapieansprechen, Verläufe und Prognosen sich zum Teil deutlich unterscheiden (6, 49). Das Ansprechen der Immuntherapie ist abhängig von der Lokalisation des Antigens, sie bleibt häufig bei mit intrazellulären AK assoziierten Erkrankungen aus. Umfängliche Remissionen nach Immuntherapie sind hingegen bei Oberflächen-AK rasch möglich (55, 56), da die Modifikation der Zelloberflächenstrukturen durch gegen Oberflächenantigene gerichtete AK überwiegend reversibel ist. Im Vergleich zu paraneoplastischen Syndromen wurden bei autoimmunen Enzephalitiden, die durch AK gegen Oberflächenantigene vermittelt sind, deutliche Fortschritte hinsichtlich der Therapie erzielt. Prognostisch relevant ist eine früh nach Symptombeginn und klinischer Diagnosestellung initiierte, ausreichend intensive Immuntherapie. Diese sollte auch vor Eintreffen der Antikörperdiagnostik begonnen werden. Basierend auf aktuellen Daten und auf Expertenmeinung besteht die Therapie der ersten Wahl aus Kortisonpulstherapien oder IVIG-Gaben respektive aus Apharese-/Depletions-
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verfahren. Bleibt der Therapieerfolg nach wenigen Tagen aus, sollte die Behandlung erweitert werden, vorzugsweise wird RTX eingesetzt. Bei fehlendem Ansprechen erfolgt die Gabe von Cyclophosphamid. Therapierefraktäre Fälle können auch den Einsatz anderer Immunsuppressiva (AZA, MTX, MMF) bis zum Erreichen einer klinischen Remission notwendig machen. Im Vordergrund der Bewertung des Therapieerfolgs steht das klinische Bild, hilfreiche Surrogate für den Therapieerfolg können der AK-Titer-Verlauf, regrediente EEGund kraniale MRT-Befunde sein. Über die B-Zell-depletierende Therapie hinaus gibt es weitere interessante Ansätze. Während RTX kurzlebige, Immunglobulin-sezernierende Plasmablasten reduziert, bleiben langlebige Plasmazellen unbeeinflusst. Bortezomib, ein Proteasesominhibitor, reduziert hingegen beide Subtypen und zeigte Erfolge bei der Anwendung in therapierefraktären NMDAR-Enzephalitis-Fällen mit klinischer Besserung und sinkenden AK-Titern im Serum (51, 52). Die AK-Synthese durch Plasmazellen kann auch durch Blockierung des IL-6-Rezeptors verringert werden. In der Behandlung der CASPR2-AK-assoziierten limbischen Enzephalitis erwies sich der gegen den IL6Rezeptor gerichtete monoklonale Antikörper Tocilizumab als effektiv (57, 58). Paraneoplastische Enzephalitiden bedürfen einer multidisziplinären Behandlung, die Tumorentfernung spielt dabei eine Schlüsselrolle. Durchbrüche der Therapie der
Merkpunkte:
● Der Einsatz von Erstlinien-Immuntherapien (Kortisonstosstherapie, IVIG, Aphareseverfahren) sollte zeitnah nach der klinischen Diagnose erfolgen. Im zweiten Schritt erfolgt der Einsatz von Rituximab oder bei fehlendem Ansprechen von Cyclophosphamid.
● In bestimmten Fällen ist eine Langzeittherapie mit klassischen oralen Immunsuppressiva notwendig (Azathioprin, Mycophenolat mofetil, Methorexat).
● Neue Ansätze umfassen die Applikation von Bortezomib oder Tocilizumab.
● Die Bewertung des Therapieerfolgs erfolgt auf Basis der klinischen Verbesserung, eine ergänzende Evaluation kann anhand von EEG- und Schädel-MRT-Befunden sowie des AK-Titer-Verlaufs vorgenommen werden.
● Bei Entitäten mit gegen intrazelluläre Antigene gerichtete paraneoplastischen AK und vorherrschender T-Zell-Antwort ist die Effektivität der Therapie begrenzt. Im Zentrum der Therapie steht die Karzinombehandlung, eine Immuntherapie erfolgt zusätzlich. Neue Strategien sind vonnöten.
● Da keine prospektiven Studien vorliegen, sind systematische Datensammlungen relevant. In der Schweiz existiert kein entsprechendes Register.
T-Zell-vermittelten paraneoplastischen Syndrome sind
bisher ausgeblieben. Erwähnenswert ist, dass neuere
tumortherapeutische Ansätze mit sogenannten Im-
mune-Checkpoint-Inhibitoren durch eine Kreuzreaktion
auch zur Entwicklung paraneoplastischer Syndrome
führen können (59).
G
Korrespondenzadresse:
Helen Hayward-Könnecke
Nims/Neuroimmunologie und MS Forschung
Universitätsspital Zürich
Frauenklinikstr. 28
8091 Zürich
E-Mail: Helen.Hayward-Koennecke@usz.ch
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PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE