Transkript
KARDIOLOGIE
Real-World-Studie GARFIELD-AF bei Vorhofflimmern
Antikoagulation in der Hirnschlagprävention lohnt sich
Aus klinischen Studien ist bekannt, dass Antikoagulanzien bei Patienten mit Vorhofflimmern helfen, Hirnschlägen vorzubeugen und Leben zu verlängern. Entsprechend sind auch die Empfehlungen in den Guidelines zum CHA2DS2VASc-Score 1 bis 2. Dass sich der Erfolg dieser Massnahme auch im Praxisalltag niederschlägt, zeigt das grösste multinationale, prospektive GARFIELD-AF-Register. Es liefert auch die Antwort darauf, ob sich dazu Vitamin-K-Antagonisten oder NOAK besser eignen.
Vorhofflimmern, woran rund 8,8 Millionen Europäer leiden, erhöht das Hirnschlagrisiko um das Fünffache. Einer von fünf Hirnschlägen ist auf Vorhofflimmern zurückzuführen. Solche durch Vorhofflimmern ausgelöste ischämische Hirnschläge seien oft tödlich oder verursachten eine schwere Behinderung, und die Rückfallrate von Überlebenden sei hoch, erklärte Prof. John Camm, St. George’s University of London (GB), am ESC-Kongress. Als Präventionsmassnahme bei Vorhofflimmern ist die Antikoagulation unbestritten (1). Das prospektive GARFIELD-Register, das zwischen 2013 und 2016 länderübergreifend 20 564 Patienten mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern aufgenommen hat, bietet die Gelegenheit, den Effekt der Antikoagulation im Praxisalltag, der unterschiedlichen Antikoagulanzien und der Kombination mit Plättchenhemmern zu analysieren. In der am ESC-Kongress präsentierten Analyse wurden Patienten mit Vitamin-KAntagonisten (VKA) (n = 10 184) und Patienten mit neuen oralen Antikoagulanzien NOAK (n = 10 380) mit Patienten ohne Antikoagulation (n = 7608) miteinander verglichen. Jene Patienten ohne Antikoagulation hatten zu 60 Prozent einen Plättchenhemmer.
VKA und NOAK im Vergleich
Die orale Antikoagulation reduzierte im Vergleich zu keiner Antikoagulation nach zwei Jahren die Gesamtmortalität signifikant (Hazard Ratio [HR]: 0,83; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,75–0,93; p = 0,002), ebenso Hirnschläge und systemische Embolien (HR: 0,79; 95%-KI: 0,64–0,97; p = 0,028). Dabei schnitten in Bezug auf die Gesamtmortalität die NOAK klar besser ab als die VKA (HR: 0,81; 95%-KI: 0,71– 0,92; p < 0,001), bei Hirnschlag und Embolien war der Unterschied jedoch nicht signifikant. Erwartungsgemäss war der Anteil der schweren Blutungen in der Antikoagulationsgruppe höher als in der Gruppe ohne Antikoagulation (HR: 1,41; 95%-KI: 1,04–1,91; p = 0,029), zwischen NOAK und VKA gab es jedoch keinen signifikanten Unterschied. «Diese Resultate aus dem Praxisalltag bestätigen die Ergebnisse aus den klinischen Studien und unterstreichen den Nutzen der Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern, natürlich zum Preis von mehr schweren Blutungen», konstatierte Camm.
Antikoagulation plus Plättchenhemmung nicht bei Vorhofflimmern
Das GARFIELD-Register beantwortet noch eine weitere
Frage aus dem Praxisalltag: Verbessert eine Kombination von
Antikoagulanzien und Plättchenhemmern die Prognose von
Patienten mit Vorhofflimmern? Wegen des erhöhten Blu-
tungsrisikos ist eine Kombination von Antikoagulanzien und
Plättchenhemmern im Allgemeinen nur in der Prävention
von zusätzlichen Koronar- oder peripheren Thrombosen bei
Patienten, die einen Myokardinfarkt durchgemacht haben
oder an einer peripheren arteriellen Erkrankung leiden, ange-
zeigt, so Prof. Keith Fox, University of Edinburgh (GB). Was
es wirklich bringt oder ob es schadet, war eigentlich nicht
ganz klar.
Um dies zu beantworten, wurden Daten von 25 815 Patien-
ten mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern herangezogen.
Davon hatten 3133 Patienten die Kombination, die restlichen
eine alleinige Antikoagulation erhalten. Als Endpunkte waren
Gesamtsterblichkeit, Hirnschlag, schwere Blutungen sowie
Myokardinfarkt und akutes Koronarsyndrom nach einem
Jahr definiert.
Das Resultat ist eindeutig. Bei allen Endpunkten schnitt die
Kombination im Vergleich zur alleinigen Antikoagulation
schlecht ab: erhöhtes Risiko für schwere Blutungen (HR:
1,45; 95%-KI: 0,94–2,23), erhöhtes Risiko für Gesamtmor-
talität (HR: 1,31; 95%-KI: 1,05–1,62), keine Risikoreduk-
tion bezüglich Hirnschlag (HR: 1,60; 95%-KI: 1,08–2,35).
Patienten, die zum Zeitpunkt ihrer Diagnose eine Kombina-
tion erhielten, hätten eine schlechtere Prognose als unter
einer alleinigen Antikoagulation, fasste Fox die Resultate zu-
sammen. Ohne klare Indikation für eine Plättchenhemmung
sei ein solcher Zusatz wohl nicht gerechtfertigt.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Late-break registry results 2». Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) 2018, 25. bis 29. August in München.
Referenzen: 1. Camm AJ: Guidelines for the management of atrial fibrillation: the Task
Force for the Management of Atrial Fibrillation of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2010; 31: 2369–2429.
12 ARS MEDICI DOSSIER III | 2019