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KONGRESSBERICHT
Deutscher Hautkrebskongress 2018
Fortgeschrittenes Melanom
Neue zielgerichtete Kombinationstherapie
Über den Zweitgenerations-BRAF-Inhibitor Ecorafenib und die Therapie in Kombination mit dem MEK-Inhibitor Binimetinib sprach Prof. Reinhard Dummer, Universitätsspital Zürich, an einem Satellitensymposium von Pierre Fabre Oncology im Rahmen des 28. Deutschen Hautkrebskongresses in Stuttgart.
Bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Melanom mit BRAF-V600-Mutation ist die kombinierte zielgerichtete Therapie mit einem BRAF- und einem MEK-Inhibitor neben der Immuntherapie die derzeit am besten etablierte Behandlung (1). Problematisch ist bei Kombinationstherapien mit BRAF-Inhibitoren der ersten Generation (Dabrafenib, Vemurafenib), dass es bei fast 80 Prozent der Patienten innerhalb von drei Jahren zur Behandlungsresistenz und Progression kommt und dass Nebenwirkungen bei etwa 15 Prozent der Patienten zum Behandlungsabbruch führen (1). Um die Effizienz und Verträglichkeit gezielter Kombinationstherapien zu steigern, werden neue BRAF-Inhibitoren benötigt (1). Besondere pharmakologische Eigenschaften des Zweitgenerations-BRAFInhibitors Encorafenib können zur Verbesserung der Kombinationstherapie genutzt werden. Encorafenib (450 mg 1-mal täglich peroral) wurde in Kombination mit dem MEK-Inhibitor Binimetinib (45 mg 2-mal täglich peroral) im Juni 2018 in den USA und im September 2018 in der EU zugelassen.
Besondere pharmakologische Eigenschaften
BRAF-Inhibitoren unterbrechen die konstitutive Aktivierung des RAS-RAF-MEK-ERK-Signalübertragungswegs, die durch das mutierte BRAF-V600E-Molekül als Monomer aufrechterhalten wird. So verhindern die BRAF-Inhibitoren die Verstärkung der Tumorzellproliferation und die Verlängerung des Tumorzellüberlebens. Wenn Encorafenib die katalytische Domäne des mutierten BRAF-Proteins gebunden hat, bleibt das Medikament gewissermassen kleben, sodass seine Wirkung lange anhält. Die Verweildauer am Wirkort beträgt bei Encorafenib mehr als 30 Stunden, bei Dabrafenib beziehungsweise Vemurafenib lediglich 2 beziehungsweise ½ Stunde (1). Diese Eigenschaft ermöglicht bei Encorafenib die einmal tägliche Einnahme trotz kurzer Eliminationshalbwertszeit von 3 bis 4 Stunden. Durch diese pharmakologische Eigenschaft wurde der klinische Behandlungserfolg von Encorafenib im direkten Therapievergleich mit Vemurafenib gesteigert. So betrug das mediane progressionsfreie Intervall in der COLUMBUS-Studie mit Encorafenib (Mo-
notherapie, 300 mg täglich) 9,6 Monate und mit Vemurafenib 7,3 Monate (2). Die Selektivität von Encorafenib ist höher als bei Erstgenerations-BRAFInhibitoren. Neben dem V600-mutierten und dem Wildtyp-BRAF-Protein sowie dem CRAF-Molekül hemmt Encorafenib nur zwei weitere Kinasen (1).
Hemmung und paradoxe Aktivierung
Klassenspezifische Nebenwirkungen von BRAF-Inhibitoren entstehen in Zusammenhang mit dem Signalübertragungsweg. Während bei mutierten Tumorzellen das BRAF-Protein als Monomer aktiv ist, braucht es für die Signalübertragung des Wildtyp-BRAF-Moleküls eine Dimerbildung. Ein BRAF-Inhibitor, der an das Wildtyp-BRAF-Protein bindet, begünstigt die Dimerbildung und aktiviert damit die Signalübertragung. In gesunden Zellen regen demnach BRAF-Inhibitoren den Signalübertragungsweg an, sodass es unter Monotherapie infolge dieser paradoxen Aktivierung zu Nebenwirkungen und Tumorbildung (z.B. kutanes Plattenepithelkarzinom) kommen kann. Es konnte gezeigt werden, dass das therapeutische Fenster zwischen erwünschter hemmender Wirkung und unerwünschter paradoxer aktivierender Wirkung bei Encorafenib wesentlich grösser ist als bei Dabrafenib und Vemurafenib.
In Kombination höhere Encorafenib-Dosis einsetzbar
In Monotherapie beträgt die maximale tolerierte Dosis
von Encorafenib 300 mg pro Tag. Aber in Kombination
mit dem MEK-Inhibitor Binimetinib, der die Suppres-
sion der Signalübertragung verstärkt, kann die Dosis
um die Hälfte erhöht und die Dauer des klinischen
Ansprechens verlängert werden (medianes progressi-
onsfreies Intervall 14,9 Monate) (2). Trotz Erhöhung
der Encorafenib-Dosis auf 450 mg täglich kommen
viele Nebenwirkungen mit der Kombinationstherapie
weniger häufig vor als mit der Monotherapie.
L
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Koelblinger P et al.: Development of encorafenib for BRAF-mutated advanced me-
lanoma. Curr Opin Oncol 2018; 30: 125–133. 2. Dummer R et al.: Encorafenib plus binimetinib versus vemurafenib or encorafenib
in patients with BRAF-mutant melanoma (COLUMBUS): a multicentre, open-label, randomised phase 3 trial. Lancet Oncol 2018; 19: 603–615.
30 SZD 2/2019