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FORTBILDUNG
Cochrane-Analyse
Orales Isotretinoin bei Acne vulgaris – wie sicher, wie effektiv?
Orales Isotretinoin wird schon sehr lange zur Behandlung von Acne vulgaris eingesetzt. Doch wie effektiv wirkt es gegen die Pickel und vor allem: Wie sicher ist das Medikament, das auf die kausalen Faktoren der Akne abzielt? Dieser Fragen hat sich die Cochrane Collaboration Group angenommen und dazu 31 randomisierte Studien analysiert.
Die Wirkung von systemischem Isotretinoin bei Akne beruht auf der starken Hemmung der Talgüberproduktion. Dadurch wird auch die follikuläre Hyperkeratose vermindert. Des Weiteren wird durch die Sebumreduktion dem Haupterreger der entzündlichen Papeln und Pusteln, Propionibacterium acnes, quasi der Nährboden entzogen und so indirekt dessen Wachstum gehemmt, was wiederum zu einer verminderten Entzündungsreaktion führt.
Aktivierung von Tumorsuppressorgenen und Apoptose
Auf zellulärem Niveau modifiziert das Vitamin-A-Derivat ebenfalls die Entzündungsaktivität und normalisiert die bei Akne erhöhte, über Toll-like-Rezeptoren vermittelte Immunantwort. Zudem korrelieren die Effekte von Isotretinoin bei der Pathogenese der Akne mit den Mustern der Hautgene. So aktivierte es gleich nach Beginn der Behandlung Tumorsuppressorgene in der Haut, des Weiteren wird die Apoptose induziert und der Zellzyklus in den Talgdrüsen gebremst. Nach acht Wochen Behandlung ist eine Downregulation der für den Lipidmetabolismus zuständigen Gene sowie eine Upregulation jener Gene zu beobachten, die Proteine der extrazellulären Matrix kodieren, wie Fibronectin und Kollagen. Diese Effekte von Isotretinoin macht man sich bereits seit über 30 Jahren in der Behandlung der Akne zunutze. Bei seiner Einführung (in England 1983) war das Vitamin-A-Derivat zunächst nur indiziert bei Patienten mit schwerer nodulärer Akne. Heutzutage wurde das Indikationsspektrum aufgrund der langjährigen Erfahrung ausgeweitet. Entsprechend wird Isotretinoin heute auch bei Patienten eingesetzt, die zu Narben neigen, sowie bei solchen, die unter topischer Therapie oder systemischer Antibiose keine Besserung erfahren.
Cave: Isotretinoin in der Schwangerschaft
Jedoch war schon früh klar, dass orales Isotretinoin Nebenwirkungen hat. Die gefährlichste: Isotretinoin wirkt teratogen. Wird während einer Schwangerschaft Isotretinoin eingenommen, kommt es bei annähernd 20 Prozent zum Spontanabort. Das Risiko für einen mentalen oder einen physischen Defekt liegt bei 18 bis 28 Prozent. Am häufigsten kommen kraniofaziale und kardiale Deformitäten vor. Daher ist bei Frauen im gebärfähigen Alter auf eine konsequente Kontrazeption zu achten.
Viel häufiger und für die Patienten oft sehr belastendend ist die austrocknende, dosisabhängige Wirkung von Isotretinoin auf Haut und Schleimhäute. Allerdings lassen sich Cheilitis, Hauttrockenheit oder Konjunktivitis gut durch Feuchtigkeitscremes, Lippenbalsam und Augentropfen beherrschen. Zudem gibt es auch paradoxe Verläufe: Bei etwa 6 Prozent der Patienten kommt es zu einem Aufflammen der Akne, wobei die Hälfte als klinisch bedeutend eingestuft wird. Leicht erhöhte, reversible Erhöhungen der Leberwerte treten bei fast jedem auf, der Isotretinoin einnimmt.
Cochrane-Review mit Daten von 3836 Aknepatienten
Trotz der langjährigen Erfahrung und dem seit der Einführung gesammelten Wissen sind letztlich der Nutzen und die Sicherheit von systemisch angewandtem Isotretinoin nicht abschliessend beurteilt. Um diese Lücke zu schliessen, hat sich die Cochrane-Arbeitsgruppe um Professor Caroline Costa aus São Paolo (Brasilien) der Frage nach Sicherheit und Effektivität von oralem Isotretinoin in der Behandlung der Akne angenommen. Sie nahmen 31 randomisierte klinische Studien über orales Isotretinoin bei Aknepatienten in ihre Analyse auf. Diese Studien waren Vergleichsstudien mit Plazebo und/oder anderen systemischen oder topischen Therapien in verschiedenen Formulierungen, Dosierungen und unterschiedlicher Behandlungsdauer (8–32 Wochen). Die 31 Studien enthalten Daten von insgesamt 3836 Patienten (etwa doppelt so viele männliche wie weibliche) im Alter von 12 bis 55 Jahren, mit milder bis schwerer Acne vulgaris. Aufgrund der starken Heterogenität der Studien, vor allem hinsichtlich der Dosierungen und der Therapieregime, konnte keine klassische Metaanalyse erfolgen. Bei der generellen Bewertung kamen die Wissenschaftler zum Schluss, dass Isotretinoin verglichen mit dem Standard aus oralen Antibiotika plus topischer Therapie keinen wesentlichen Vorteil bietet, wenn man den Rückgang der Zahl entzündlicher Effloreszenzen zugrunde legt. Bei der ärztlichen Einschätzung des Akneschweregrades als Effektivitätskriterium wird jedoch dem Vitamin-A-Derivat eine leichte Überlegenheit eingeräumt. Des Weiteren liess sich aus den Studien schliessen, dass eine tägliche Therapie offenbar erfolgreicher ist als ein Regime mit einer Behandlungswoche pro Monat.
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Die Cochrane Library
Cochrane ist benannt nach dem britischen Arzt und Epidemiologen Sir Archibald Leman Cochrane. Seine Überlegungen zur Überprüfung von Therapien in Studien und die Aufbereitung dieser Ergebnisse in systematischen Übersichten stellen einen gedanklichen Ausgangspunkt für die Gründung im Jahr 1993 dar. In den vergangenen 20 Jahren ist unter diesem Namen ein globales unabhängiges Netzwerk von klinischen Forschern entstanden. Über 37 000 Menschen aus über 130 Ländern wirken daran mit, verlässliche und zugängliche Gesundheitsinformationen zu erstellen, die frei sind von kommerzieller Förderung oder anderen Interessenkonflikten (z.B. Pharmaindustrie). Systematische Reviews sind die wichtigsten Publikationen von Cochrane. Sie werden vollständig und elektronisch in der Cochrane Library in der Cochrane Database of Systematic Reviews veröffentlicht.
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kam es nur bei 1 Patienten zu einer schwerwiegenden Nebenwirkung, einem Stevens-Johnson-Syndrom. Leichtere UAW wie Hauttrockenheit kamen unter Isotretinoin etwas häufiger vor als bei Antibiotika und Externa. Auch ob sich die Häufigkeit dieser leichteren UAW bei den verschiedenen Isotretinoindosierungen beziehungsweise -regimen unterscheidet, konnte nicht belegt werden. Um die Fragestellung des Reviews beantworten zu können, halten die Autoren neue Kurz- und Langzeitstudien mit verschiedenen Dosisregimen bei allen Akneschweregraden für erforderlich. Diese sollten vor allem objektive Kriterien der Effektivität wie die Zählung der entzündlichen Läsionen sowie eine Einschätzung der Patienten zum Behandlungserfolg und eine ausführliche Dokumentation der UAW umfassen. s
Angelika Ramm-Fischer
Referenz: Costa S et al.: Oral isotretinoin for acne. Cochrane Database Syst Rev 2018; 11: CD009435; doi: 10.1002/14651858.
Auch im Hinblick auf die Risiken wagen die Autoren des Reviews keine eindeutige Aussage. In der Isotretinoingruppe Erstpublikation in SZD 1/19.
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