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PNEUMOLOGIE/ALLERGOLOGIE
Atopische Dermatitis
Highlights aktueller Publikationen
Foto:zVg
Momentan erleben wir einen eindrücklichen Boom bei der Erforschung der Pathogenese, Prävention und Therapie der atopischen Dermatitis. Prof. Peter Schmid-Grendelmeier, Leitender Arzt der Allergiestation, Universitätsspital Zürich, berichtete über einige Highlights, die er aus der Fülle neuer Publikationen ausgewählt hatte.
Für die Allergieprävention wichtige Erkennt-
nisse konnten im Rahmen der europäischen
Kohortenstudie PASTURE (Protection Against
Allergy Study in Rural Environments) gewon-
nen werden (1). Abhängig vom Beginn und der
Progression der Erkrankung gelang bei Kin-
dern die Unterscheidung von drei klinischen
Phänotypen, die mit einem unterschiedlich
hohen Risiko für weitere allergische Erkran-
Prof. Peter SchmidGrendelmeier
kungen behaftet sind. Das Risiko, bis zum Alter von sechs Jahren an Asthma und Nahrungsmittelallergien zu erkranken, war bei
Kindern mit frühem persistierendem Phänotyp
(Erkrankungsbeginn vor dem 2. Geburtstag und persistieren-
der Verlauf) signifikant erhöht. Ein erhöhtes Risiko für Nah-
rungsmittelallergien bestand auch beim frühen transienten
Phänotyp (Erkrankungsbeginn vor dem 2. Geburtstag und
rezidivierender Verlauf). Bei Kindern, die erst nach den ersten
zwei Lebensjahren an atopischer Dermatitis erkrankten (spä-
ter Phänotyp), war nur das Risiko für eine spätere allergische
Rhinitis erhöht (1).
Atopische Dermatitis ist eine systemische Erkrankung
In einer Studie wich das Profil der Entzündungsbiomarker im Serum bei 193 Patienten mit moderater bis schwerer atopischer Dermatitis deutlich vom Profil gesunder Kontrollpersonen ab (2). Hauptsächlich in Bezug auf die Zytokine IL-5 und IL-7, die auch mit anderen Erkrankungen wie Asthma und rheumatoider Arthritis assoziiert sind, unterschieden sich die Patienten von den Kontrollpersonen. IL-5 spielt eine wichtige Rolle bei der Aktivierung eosinophiler Granulozyten und bei der Asthmapathogenese. Dass bei den Patienten stark erhöhte Serumspiegel inflammatorischer Biomarker gemessen wurden, weist auf eine systemische Entzündung hin. Bei der atopischen Dermatitis handelt es sich offenbar nicht nur um eine chronische entzündliche Hautkrankheit, sondern um eine systemische Entzündung, die sich langfristig auch auf andere Organe ungünstig auswirken könnte. Das bei den Patienten in erhöhter Konzentration im Serum zirkulierende Zytokin IL-1 trägt möglicherweise zur Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen bei (2).
Reinigung mit hartem Wasser stört die Hautbarrierefunktion
Das Risiko, eine atopische Dermatitis zu entwickeln, wird nicht nur durch die genetische Veranlagung, sondern auch durch Umweltfaktoren beeinflusst. Beispielsweise nimmt das Risiko zu, wenn die Haut bei der täglichen Körperreinigung mit hartem Wasser gewaschen wird. Der Mechanismus, der für die Beeinträchtigung der Hautbarriere durch hartes Wasser verantwortlich ist, war bislang nicht bekannt. Jetzt konnte in einer Studie gezeigt werden, dass hartes Wasser mit waschaktiven Substanzen (Detergenzien) interagiert und dadurch die Hautbarrierefunktion stört (3). Die in hartem Wasser reichlich vorhandenen Kalzium- und Magnesiumkarbonate reduzieren die Löslichkeit waschaktiver Substanzen, die nach dem Waschen vermehrt als Ablagerungen auf der Haut zurückbleiben, die Hautbarriere schädigen und Hautreizungen verursachen. Die Studie wurde mit dem anionischen Tensid Natriumlaurylsulfat durchgeführt. Diese waschaktive Substanz wurde früher in Shampoos und Duschgels verwendet. Sie wirkt denaturierend auf Proteine und stark hautreizend. Nachdem die Haut mit hartem Wasser gewaschen worden war, blieb viel mehr der irritierenden Substanz auf der Haut zurück als bei Verwendung von entionisiertem Wasser oder von enthärtetem Wasser, dem Kalzium- und Magnesiumionen entzogen worden waren. Mit hartem Wasser wurde die Hautbarrierefunktion stärker gestört als mit entionisiertem oder enthärtetem Wasser (erhöhter transepidermaler Wasserverlust). Die Barrierefunktion war bei Verwendung des harten Wassers bei Patienten mit atopischer Dermatitis und nachgewiesener Filaggrinmutation stärker gestört als bei Patienten ohne Filaggrinmutation und viel stärker als bei gesunden Personen. In Bezug auf die Hautreizung (Rötung) ergaben sich ähnliche Resultate. Enthärtung des Wassers kann den negativen Einfluss des Wassers bei der Körperreinigung verringern und möglicherweise das Risiko reduzieren, eine atopische Dermatitis zu entwickeln (3).
Kaiserschnitt und Emollienzien beeinflussen das Mikrobiom
Der Auswirkungen des Mikrobioms beginnen bereits bei der Geburt und sind abhängig von der Entbindungsart. Studien zeigen, dass Neugeborene nach Kaiserschnitt vermehrt mit
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Anteil Betroffener in %
Effekt von Emollienzien zur Allergieund Dermatitisprophylaxe (nach 12 Monaten)
100 Sensibilisierungen auf
Nahrungsmittelallergene 80
Atopische Dermatitis
60
40
20 19%
16%
9% 5%
0
Emolliens-
Kontroll-
Emolliens-
Kontroll-
Gruppe
Gruppe
Gruppe
Gruppe
Quelle: PEBBLES-Studie (6)
matitis (nach 12 Monaten 5%, Kontrollgruppe 16%). Bemerkenswert ist zudem, dass der günstige prophylaktische Effekt noch 6 Monate über den Stopp der Pflege mit Emollienzien hinaus erhalten blieb (6).
Ein Biologikum erweitert die Therapiemöglichkeiten
Der IL-4/IL-13-Blocker Dupilumab, der alle zwei Wochen subkutan gespritzt wird, bindet auf Immunzellen an die für beide Interleukine gleiche Rezeptoruntereinheit. Schon wenige Wochen nach Behandlungsbeginn sei bei fast allen Patienten eine Besserung erreichbar, sagte der Referent. Das Ansprechen bleibe langfristig erhalten. Aufgrund der hohen Kosten sei es unumgänglich, gezielt diejenigen Patienten auszuwählen, die Dupilumab wirklich benötigen. Anders als in der Asthmatherapie kommt Konjunktivitis (mit Hyperämie von Konjunktiva und Limbus) als Nebenwirkung von Dupilumab bei Patienten mit atopischer Dermatitis häufig vor (7).
L
Staphylokokken besiedelt sind, was die Entwicklung von atopischer Dermatitis begünstigt (4). Reduziert ist dagegen nach Kaiserschnitt im Vergleich zur vaginalen Entbindung die Kolonisierung zum Beispiel mit Lactobacillus (besiedelt die Vagina). Diese mikrobielle Dysbiose ist mit einem höheren Risiko für Atopie allgemein assoziiert (4). Ein geeignetes Emolliens, konsequent verwendet, kann die mikrobielle Balance auf der Haut günstig beeinflussen. Dies zeigte eine Studie, in der Neugeborene mit Atopie in der Familienanamnese während sechs Monaten einmal täglich am ganzen Körper (ausser Kopfhaut und Windelbereich) mit einem Emolliens (Cetaphil® Feuchtigkeitscrème) gepflegt wurden (5). Im Vergleich zur Kontrollgruppe (ohne Emolliens) war der Haut-pH-Wert nach sechs Monaten signifikant tiefer. Die Anzahl verschiedener Bakterienarten (bakterielle Diversität) war grösser. Die regelmässige Anwendung des Emolliens förderte Streptococcus salivarius, ein Bakterium mit günstigen immunmodulatorischen Effekten (5).
Verhindert frühe Hautpflege den atopischen Marsch?
Möglicherweise kann der atopische Marsch (Abfolge von atopischer Dermatitis, Nahrungsmittelallergie, allergischem Asthma/Rhinitis) durch frühzeitig beginnende, aktive Verbesserung der Hautbarrierefunktion aufgehalten werden. Weil die Hautbarriere bei atopischer Dermatitis gestört ist, können Umweltallergene zum Immunsystem gelangen, sodass Sensibilisierungen und allergische Erkrankungen entstehen können. In der PEBBLES-Pilotstudie (Prevention of AD By a Barrier Lipid Equilibrium Strategy) wurde in den ersten sechs Lebensmonaten der ganze Körper von Säuglingen mit allergischen Erkrankungen in der Familienanamnese zweimal täglich mit einem ceramidhaltigen Emolliens mit leicht saurem pH gepflegt (6). Nach 6 und 12 Monaten wurden Hautpricktests durchgeführt. Im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Prophylaxe bewirkte die Emollienzienprophylaxe einen Trend zu weniger Sensibilisierungen auf Nahrungsmittelallergene im Pricktest (nach 6 Monaten 13%, Kontrollgruppe 23%, nach 12 Monaten 9%, Kontrollgruppe 19%). Es kam auch zu weniger Erkrankungen an atopischer Der-
Alfred Lienhard
Referenzen 1. Roduit C et al.: Phenotypes of atopic dermatitis depending on
the timing of onset and progression in childhood. JAMA Pediatr 2017; 171: 655–662. 2. Thijs JL et al.: Serum biomarker profiles suggest that atopic dermatitis is a systemic disease. J Allergy Clin Immunol 2018; 141: 1523–1526. 3. Danby SG et al.: The effect of water hardness on surfactant deposition after washing and subsequent skin irritation in atopic dermatitis patients and healthy control subjects. J Invest Dermatol 2018; 138: 68–77. 4. Montoya-Williams D et al.: The neonatal microbiome and its partial role in mediating the association between birth by cesarean section and adverse pediatric outcomes. Neonatology 2018; 114: 103–111. 5. Glatz M et al.: Emollient use alters skin barrier and microbes in infants at risk for developing atopic dermatitis. PLoS ONE 2018; 13(2): e0192443. 6. Lowe AJ et al.: A randomized trial of a barrier lipid replacement strategy for the prevention of atopic dermatitis and allergic sensitization: the PEBBLES pilot study. Brit J Dermatol 2018; 178: e19–e21. 7. Wollenberg A et al.: Conjunctivitis occurring in atopic dermatitis patients treated with dupilumab – clinical characteristics and treatment. J Allergy Clin Immunol Pract 2018 (Epub ahead of print).
Quelle: Vortrag von Peter Schmid-Grendelmeier an der Veranstaltung YIR 1 «Year
in Review: Dermatology» beim EAACI-Kongress 2018, 27. Mai 2018, München.
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