Transkript
KONGRESSBERICHT
SGDV
Depigmentierung und Haarausfall mit Januskinaseinhibitoren behandeln?
Neue Therapiehorizonte für Vitiligo und Alopecia areata
Vitiligo und Alopecia areata sind klinisch unterschiedliche Krankheiten mit ähnlicher Pathogenese. Jetzt werden Januskinaseinhibitoren als neue, pathogenetisch orientierte Therapiemöglichkeiten für beide Krankheiten getestet. Darüber sprach Prof. Julien Seneschal aus Bordeaux, Frankreich, an der 100. Jahresversammlung der SGDV in Lausanne.
Auf den ersten Blick scheinen Vitiligo und Alopecia areata klinisch ganz verschiedene Krankheiten zu sein. Dass es jedoch pathophysiologische Zusammenhänge zwischen beiden Krankheiten gibt, veranschaulicht die follikuläre Vitiligo. Die Arbeitsgruppe des Referenten publizierte acht Fälle von männlichen Patienten (Durchschnittsalter 48 Jahre), bei denen zuerst die Körperhaare und in einigen Fällen die Kopfhaare weiss wurden, bevor die Depigmentierung der Haut auftrat (1). Punchbiopsien zeigten in den Leukotrichie- und Vitiligoarealen einen Verlust der Melanozyten in Haarfollikeln und in der basalen Epidermis. In einer Publikation berichtete Alexander Navarini über eine 54-jährige Frau, die einen kreisrunden Alopecia-areata-Herd entwickelte, der erfolgreich mit einem topischen Steroid behandelt wurde (2). Danach wurde ihr gesamtes Kopfhaar innerhalb weniger Wochen weiss, ohne dass dabei Haare ausfielen. Für einen Zusammenhang zwischen beiden Krankheiten sprechen überdies Publikationen, die dokumentieren, dass Betroffene mit Vitiligo gehäuft auch an Alopecia areata erkranken. Zudem haben genomweite Assoziationsstudien für beide Krankheiten gemeinsame prädisponierende Gene gefunden, die in der Regel das Immunsystem betreffen.
Pathogenetische Ähnlichkeiten
Pathogenetisch kommt es bei Vitiligo zum Verlust epidermaler Melanozyten und bei Alopecia areata zum Stopp des Haarfollikelwachstums. Histologisch ist bei beiden Krankheiten eine Infiltration von Immunzellen (hauptsächlich von T-Zellen) zu finden, bei Vitiligo periläsional am Rand der aktiv depigmentierenden Hautstellen, bei Alopecia areata um die Haarfollikel herum. Das entzündliche Infiltrat bildet ein aus dem Gleichgewicht geratenes Zytokinmilieu, in dem die proinflammatorischen gegenüber den antiinflammatorischen Zytokinen überwiegen. Zu den proinflammatorischen Zytokinen, die bei der Immunpathogenese von Vitiligo und Alopecia areata eine Rolle spielen, gehören TNF-alpha, Interferon-alpha, Interferon-gamma, IL-1β, IL-6, IL-7, IL-8, IL-12, IL-15, IL-17, IL-18, IL-23, IL-13.
Das Ziel neuartiger Behandlungen ist es, das gestörte Zytokingleichgewicht wiederherzustellen. Dazu eignen sich Inhibitoren der Januskinase (JAK), denn die meisten Zytokine benützen den intrazellulären JAKSTAT-Signalübertragungsweg (Januskinase – Signal Transducer and Activator of Transcription). Bei der Signalübertragung dockt das Zytokin am JAK-Rezeptor an, wodurch der Transkriptionsfaktor STAT aktiviert wird und dafür sorgt, dass Gene angeschaltet werden, welche für die Produktion und Aktivierung autoreaktiver T-Zellen wichtig sind.
Behandlung der Alopecia areata mit Januskinasehemmern
In einer Proof-of-concept-Studie wurden drei Patienten mit therapieresistenter Alopecia areata, deren Kopfhaut zu mehr als 80 Prozent betroffen war, oral mit dem JAK1/2-Hemmer Ruxolitinib behandelt (3). Nach 5 Monaten waren die Haare fast vollständig nachgewachsen. Punchbiopsien zeigten nach 12 Wochen, dass die Infiltration mit zytotoxischen CD8+T-Zellen um die Haarfollikel reduziert war. In einer weiteren Studie wurden 12 Patienten während 3 bis 6 Monaten peroral mit 2-mal täglich 20 mg Ruxolitinib behandelt (4). Bei 9 Patienten erreichte die Behandlung ein Nachwachsen der Haare von durchschnittlich 92 Prozent, während die Haare bei 3 Patienten nicht nachwuchsen (Nonresponder). Im Lauf der 3-monatigen Nachbeobachtungsperiode nach Therapieende begannen die Haare bei Patienten, die auf die Therapie angesprochen hatten, wieder auszufallen. Die Effekte des JAK1/3-Inhibitors Tofacitinib (peroral 2-mal täglich 5 mg während 3 Monaten) wurden bei 66 Patienten mit Alopecia areata über 50 Prozent, Alopecia totalis oder Alopecia universalis getestet (5). Bei 32 Prozent der Patienten resultierte nach 12 Behandlungswochen eine Besserung von über 50 Prozent, gemessen mit dem Severity of Alopecia Tool (SALT), bei 32 Prozent eine Besserung zwischen 5 und 50 Prozent, während 36 Prozent nicht ansprachen (Nonresponder). 2 Monate nach Behandlungsende begannen die Haare bei allen Patienten, die auf die Behandlung angesprochen hatten, wieder auszufallen.
12 SZD 1/2019
KONGRESSBERICHT
SGDV
Behandlung der Vitiligo mit Januskinasehemmern
Der erste Fallbericht zur Vitiligotherapie mit einem JAK-Inhibitor wurde vor drei Jahren publiziert (6). Bei einer über 50-jährigen Frau bestand schon seit vielen Jahren eine therapieresistente Vitiligo, die sich während des letzten Jahres rasch weiter ausgebreitet hatte. Der zunehmende Pigmentverlust im Gesicht und an den Händen war für die Patientin besonders störend. Aufgrund der neuen pathogenetischen Forschungsergebnisse entschlossen sich die behandelnden Ärzte zum Behandlungsversuch mit einem Januskinaseinhibitor. Die Patientin erhielt das von Rheumatologen bei rheumatoider Arthritis verwendete Tofacitinib, allerdings in geringerer Dosierung (zuerst 5 mg peroral jeden zweiten Tag, nach 3 Wochen 5 mg täglich). Das Ansprechen war sehr gut, mit fast kompletter Repigmentierung im Gesicht und an den Händen sowie partieller Repigmentierung der übrigen betroffenen Hautareale nach 5 Behandlungsmonaten. Die Patientin berichtete nicht über Nebenwirkungen. Laborkontrollen ergaben keine Veränderungen während der Behandlung. Dass allerdings die Repigmentierung nach Behandlungsstopp nicht erhalten bleibt, zeigte der Referent am Beispiel eines 35-jährigen Patienten mit Vitiligo und zugleich Alopecia areata. Der Patient beteiligte sich an der bereits erwähnten Studie, die den JAK1/2-Inhibitor Ruxolitinib zur Behandlung der Alopecia areata testete (4). Während der Behandlung kam es zur Repigmentierung der Gesichtshaut, doch 12 Wochen nach Behandlungsende war dieser Effekt wieder völlig verschwunden. Insgesamt zeigen die Fallberichte und kleinen Fallserien, die zur JAK-Hemmer-Therapie der Vitiligo vorliegen, bescheidenere Effekte als bei der Behandlung der Alopecia areata. JAK-Inhibitoren sind auch in topischer Form einsetzbar. Beispielsweise wurde Ruxolitinibcreme 1,5 Pro-
zent in einer kleinen Studie bei 8 Patienten getestet (7). Weil JAK-Inhibitoren und UV-Licht synergistisch wirken, war in dieser Studie zusätzlich eine Schmalspektrum-UV-B-Therapie erlaubt (3 Patienten). Die Studie zeigte, dass die betroffenen Hautareale je nach Lokalisation unterschiedlich auf die Therapie ansprachen. Die Gesichtshaut repigmentierte sich besonders gut, während Hände und Füsse nicht auf die Therapie ansprachen.
Jetzt sind plazebokontrollierte Studien nötig
Die Behandlung mit Januskinasehemmern sei bei
beiden Krankheiten vielversprechend, so der Refe-
rent. Um die Effekte zu bestätigen und um die Lang-
zeitwirksamkeit zu untersuchen, seien jetzt grosse
plazebokontrollierte Studien nötig. Die Rezidive, die
bereits innerhalb von 3 Monaten nach Behandlungs-
ende auftreten, werden wahrscheinlich sowohl bei
der Alopecia areata als auch bei der Vitiligo Lang-
zeitbehandlungen erforderlich machen. Bezüglich
Nebenwirkungen wies der Referent speziell auf das
erhöhte Risiko viraler Infektionen, besonders Herpes
zoster, hin.
L
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Gan EY et al.: Follicular vitiligo: A report of 8 cases. J Am Acad Dermatol 2016; 74:
1178–1184. 2. Navarini A et al.: Marie Antoinette Syndrome. Arch Dermatol 2009; 145: 656. 3. Xing L et al.: Alopecia areata is driven by cytotoxic T lymphocytes and is reversed by
JAK inhibition. Nat Med 2014; 20: 1043–1049. 4. Mackay-Wiggan J et al.: Oral ruxolitinib induces hair regrowth in patients with mo-
derate-to-severe alopecia areata. JCI Insight 2016; 1: e89790. 5. Kennedy Crispin M et al.: Safety and efficacy of the JAK inhibitor tofacitinib citrate
in patients with alopecia areata. JCI Insight 2016; 1: e89776. 6. Craiglow BG et al.: Tofacitinib citrate for the treatment of vitiligo. JAMA Dermatol
2015; 151: 1110–1112. 7. Jashipura D et al.: Treatment of vitiligo with the topical janus kinase inhibitor ruxo-
litinib: A 32-week open-label extension study with optional narrow-band ultraviolet B. J Am Acad Dermatol 2018; 78: 1205–1207.
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