Transkript
KONGRESSBERICHT / MEDIENROUNDTABLE
ASH 2018 – Annual Meeting of the American Society of Hematology, San Diego, 1. bis 4. Dezember 2018
Hämatologische Erkrankungen
Innovativer Einsatz alter und neuer Substanzen
Die Jahresversammlung der American Society of Hematology (ASH) jeweils Anfang Dezember rückt aktuelle klinische Studien in den Fokus der Veranstaltung. Die Fülle der Studien lässt allerdings manchen Kongressbesucher den Überblick verlieren. Bei einer Presseveranstaltung der Firma Celgene wurde daher die Möglichkeit gegeben, wichtige in San Diego 2018 präsentierte Studien direkt mit den Studienleitern zu diskutieren.
Bewährte Substanzen bei Lymphomen
Lenalidomid ist eine immunmodulatorische Substanz, der präklinisch und klinisch ein «Anti-Lymphom-Effekt» nachgewiesen wurde. Der Anti-CD20-Antikörper Rituximab ist ein häufig eingesetztes Standardtherapeutikum für Patienten mit niedriggradigem indolentem Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) sowohl als Monotherapie als auch in Kombination mit Chemotherapien.
AUGMENT-Studie bei rezidiviertem/ refraktärem indolentem NHL Die randomisierte Phase-III-Studie AUGMENT untersuchte nun plazebokontrolliert, ob die Kombination von Lenalidomid plus Rituximab (R2) bei Patienten mit rezidiviertem/refraktärem indolentem NHL effektiver ist als die alleinige Rituximabtherapie (R-Plazebo) (1). Als primärer Studienpunkt wurde das progressionsfreie Überleben (PFS) laut unabhängigem Reviewkomitee erhoben. Die Lenalidomid-Rituximab-Kombination konnte als wichtige neue Therapieoption bestätigt werden, resümierte John P. Leonard aus New York/USA: 358 Patienten mit follikulärem Lymphom oder Mantelzelllymphom mit einem medianen Alter von 64 respektive 62 Jahren wurden in die zweiarmige Studie eingeschlossen und erhielten die Studienmedikation für maximal 12 Zyklen. 85% (bzw. 83%) der Patienten hatten im Vorfeld der Studie bereits eine Therapie mit Rituximab erhalten. Bei etwa der Hälfte der Patienten lag die letzte AntiLymphom-Therapie ≤ 2 Jahre zurück. 17% (bzw. 14%) der Patienten waren refraktär gegenüber der letzten Therapie. Der primäre Endpunkt wurde erreicht: Mit einer medianen Nachbeobachtungs-
zeit von 28,3 Monaten lebten Patienten unter Lenalidomid plus Rituximab im Median 39,4 Monate und unter Rituximab/Plazebo 14,1 Monate progressionsfrei (HR = 0,46; 95%-KI: 0,34–0,62; p < 0,0001). 78% versus 53% der Patienten sprachen auf die Studienmedikation an (p < 0,0001), 34% versus 18% zeigten ein komplettes Ansprechen. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 36,6 Monate unter (R2 und 21,7 Monate unter R-Plazebo. Insgesamt verstarben im Beobachtungszeitraum 42 der Studienteilnehmer, davon 16 im (R2- und 26 im RPlazebo-Arm. Nach zwei Jahren betrug die Gesamtüberlebensrate in den beiden Studienarmen 93% versus 87% (HR = 0,61; 95%-KI: 0,33–1,13). Trotz einer höheren Toxizität konnten Patienten durch seltener auftretende Krankheitsprogresse (12% vs. 30%) die lenalidomidhaltige Therapie häufiger komplettieren, verglichen mit RituximabPlazebo (71% vs. 61%). Aufgrund von Nebenwirkungen brachen 8% versus 4% der Patienten die Therapie frühzeitig ab. Neue Therapieoption für transfusionsabhängige MDS-Patienten Die Behandlung der Anämie bei transfusionsabhängigem Myelodysplastischem Syndrom (MDS) mit Niedrigrisiko ist eine bisher nicht befriedigend gelöste medizinische Herausforderung. Durch häufige Bluttransfusionen kommt es zu Eisenüberladung und sekundären Organschädigungen. Transfusionsabhängige MDSPatienten haben aber ein erhöhtes Risiko zur Progression in eine akute myeloische Leukämie (AML) und zum verkürzten Überleben verglichen mit transfusionsunabhängigen Patienten. Mit Luspatercept kann bei MDS-Patienten mit Ringsideroblasten die Chance auf Transfusionsunabhängigkeit erhöht und die Anzahl von Bluttransfusionen reduziert werden, erklärte Prof. Dr. Uwe Platzbecker, Leipzig/Deutschland. Luspatercept bindet an GDF11 (Growth Differentation Factor 11) und andere Liganden der TGFβ-Superfamilie und beeinflusst damit die späte Differenzierung und Ausreifung erythropoetischer Vorläuferzellen. MEDALIST-Studie – doppelblinde Phase-III-Studie mit hochsignifikanten Resultaten In der randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Phase-III-Studie MEDALIST erhielten transfusionsabhängige MDS-Patienten mit Ringsideroblasten 2:1-randomisiert Luspatercept oder Plazebo (2). Primärer Endpunkt war die Bluttransfusionsunabhängigkeit über ≥ 8 Wochen. Insgesamt wurden 229 Patienten mit einem medianen Alter von 71 bis 72 Jahren in die Studie eingeschlossen. Die mediane Zeit seit MDS-Diagnose betrug 44,0 Monate im Verum- und 36,1 Monate im Plazebo-Arm. Etwa 83% der Patienten zeigten ein sehr geringes oder geringes Risiko laut IPSS-R-Risiko-Kategorie, etwa 17% der Patienten ein mittleres Risiko. 92,2% respektive 85,5% der Patienten wiesen eine SF3B1-Mutation auf, die häufig mit Ringsideroblasten einhergeht. Im Ergebnis wurde eine Transfusionsunabhängigkeit über ≥ 8 Wochen in den Wochen 1 bis 24 bei 37,9% der Patienten im Luspatercept-Arm und 13,2% der Patienten im Plazebo-Arm gesehen. Dieser Unterschied war statistisch hochsignifikant (p < 0,0001). 28,1% versus 7,9% der Patienten waren in den Wochen 1 bis 24 über ≥ 12 Wochen transfusionsunabhängig (p = 0,0002) sowie 33,3% versus 11,8% in den Wochen 1 bis 48 (p = 0,0003). Die Dauer des Ansprechens betrug median 30,6 versus 13,6 Wochen. Zudem stieg der Hb-Wert bei Patienten mit Ansprechen auf Luspatercept im Median um 2,55 g/dl an und verblieb über 26 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2019 KONGRESSBERICHT /MEDIENROUNDTABLE die Nachbeobachtungszeit auf dem erhöhten Level. Klinisch relevante therapieassoziierte Nebenwirkungen wurden bei 31,4% (bzw. 30,3% unter Plazebo) der Patienten beider Studienarme berichtet. 42,5% versus 44,7% der Patienten zeigten wenigstens eine therapieassoziierte Nebenwirkung von Grad 3 bis 4. Bei 3,3% (bzw. 5,5%) wurden letale therapieassoziierte Nebenwirkungen angegeben. 8,5% versus 7,9% der Patienten brachen die Behandlung aufgrund von assoziierten Nebenwirkungen ab. Beta-Thalassämie: Luspatercept verringert Transfusionslast In der randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Phase-III-Studie BELIEVE wurde Luspatercept auch bei adulten Patienten mit Beta-Thalassämie, die regelhaft Bluttransfusionen benötigen, geprüft (3). Wie Maria Domenica Cappellini, Mailand/Italien, erklärte, geht die Eisenüberladung trotz der etablierten Eisenchelation bei vielen Patienten mit multiplen Morbiditäten und einer erhöhten Mortalität einher. Eine Reduzierung der Bluttransfusionen ist daher ein grosser Fortschritt für die Patienten. BELIEVE-Studie: im Langzeitverlauf klinisch relevant hohe Wirksamkeit In der BELIEVE-Studie erhielten insgesamt 336 Beta-Thalassämie-Patienten 2:1-randomisiert Luspatercept (1 mg/kg sc, q3w) oder Plazebo für die Dauer von 48 Wochen. Danach wurde die Studie entblindet und den Patienten des Plazebo-Arms der Wechsel zu Luspatercept, welches bis zu 5 Jahre weitergegeben wurde, erlaubt. Nach Beendigung der Behandlung wurden die Patienten über die Dauer von 3 Jahren nachbeobachtet. Primärer Endpunkt der Studie war eine ≥ 33%ige Reduktion der Transfusionslast mit einer Reduzierung um ≥ 2 Einheiten während der Wochen 13 bis 24, verglichen zum Studienbeginn. Das Studienziel wurde erreicht: 21,4% der Patienten im Luspatercept-Arm und 5% der Patienten unter Plazebo wiesen eine Abnahme der Bluttransfusionen um mehr als ein Drittel auf (OR = 5,79; 95%-KI: 2,24–14,97; p < 0,0001). Auch die sekundären Endpunkte konnten erreicht Tabelle: MEDALIST-Studie – Zusammenfassung der therapieassoziierten Nebenwirkungen Patienten mit ≥ 1 therapieassoziierten Nebenwirkung, n (%) ≥ 1 klinisch relevante Nebenwirkung ≥ 1 Grad-3- oder -4-Nebenwirkung letale Nebenwirkung Patienten mit ≥ 1 therapieassoziierten Nebenwirkung, die zum Therapieabbruch führte, n (%) Luspatercept (n = 153) 150 (98,0) 48 (31,4) 65 (42,5) 5 (3,3) 13 (8,5) Plazebo (n = 76) 70 (92,1) 23 (30,3) 34 (44,7) 4 (5,3) 6 (7,9) werden: Ein signifikant höherer Anteil der mit Luspatercept behandelten Pateinten zeigte eine klinisch relevante Reduktion der Bluttransfusionen um ≥ 33% von Woche 37 bis 48 (19,6% vs. 3,6%; p < 0,0001) sowie um ≥ 50% in den Wochen 13 bis 24 (7,6% vs. 1,8%; p = 0,0303) und 37 bis 48 (10,3% vs. 0,9%; p = 0,0017). Die höhere Anzahl an Patienten mit Reduktion der Transfusionslast konnte für jedes 12- und 24-Wochen-Intervall unter der Behandlung mit Luspatercept verglichen mit Plazebo gezeigt werden. Die Therapie mit Luspatercept wurde generell gut vertragen (Tabelle). Nur 5,4% der Patienten (vs. 0,9% im Plazeboarm) brachen die Studienmedikation ab. CAR-T-Zell-Therapie bei rezidivierten CLL-Patienten Trotz grosser Fortschritte in der Behandlung der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) rezidivieren die meisten der Patienten und haben nach Versagen einer B-Zell-Rezeptor-gerichteten Therapie eine schlechte Prognose. Neue Therapieoptionen bietet die Strategie der CAR-T-Zell-Therapie, die auf den hämatologischen Kongressen heiss diskutiert wird. Bei der Pressekonferenz wurden die Ergebnisse zur CAR-T-Zell-Therapie mit Lisocabtagene Maraleucel (Liso-Cel), einem CD19-gerichteten Zellprodukt, gezeigt (4). TRANSCEND CLL 004: sehr hohe Ansprechraten In der Phase-I-Studie TRANSCEND CLL 004 wurden 16 Patienten mit rezidivierter oder refraktärer CLL, die ein hohes Risiko aufwiesen und zwei oder mehr Therapien erhalten hatten oder ein Standardrisiko aufwiesen und mit drei oder mehr Therapielinien behandelt worden waren, eingeschlossen. Die Patienten waren median 64,5 Jahre alt und mit median 4,5 Therapielinien behandelt worden. Alle Studienteilnehmer hatten bereits Ibrutinib erhalten, 50% waren unter Ibrutinib progredient und waren zudem mit Vene- toclax therapiert worden. 75% der Pati- enten wiesen Hochrisikoparameter, wie eine TP53-Mutation (62,5%), einen kom- plexen Karyotyp (50,0%) und/oder eine 17p-Deletion (43,8%), auf. Therapieassoziierte Nebenwirkungen Grad ≥ 3 wurden bei 56,3% der Patien- ten beobachtet, vornehmlich Neutrope- nien (37,5%), Thrombozytopenien (31,3%), Leukopenien (31,3%), Lympho- penien (31,3%) und Anämien (25,0%). Bei jeweils einem Patienten wurde eine the- rapieassoziierte febrile Neutropenie Grad ≥ 3 respektive ein Zytokinsturm Grad ≥ 3 berichtet. Es traten keine leta- len Toxizitäten auf. Bezüglich der Wirksamkeit wurden erste Ergebnisse zum Ansprechen präsentiert: 81,3% der Studienteilnehmer sprachen auf die Therapie an, 43,8% mit einer kompletten Remission. Nach 30 Tagen Post-Liso-Cel wurde ein Ansprechen bei 75% der Patienten berichtet, nach 3 Mo- naten bei 80% der Patienten. MRD-Ne- gativität in der Blutuntersuchung wurde bei 73,3% der auswertbaren Patienten und in der Knochenmarkuntersuchung bei 87,5% der Patienten festgestellt. Nach 3 und 6 Monaten war die MRD-Ne- gativität bei allen betroffenen Patienten anhaltend. I Ine Schmale Quelle: Celgene Hematology Media Event «Celgene Data Deep Dive: Expert Insights from ASH 2018», 2. Dezember 2018, San Diego/USA. Referenzen: 1. Leonard J et al.: AUGMENT: A phase III randomized study of lenalidomide plus rituximab (R2) vs rituximab/placebo in patients with relapsed/refractory indolent non-Hodgkin lymphoma. ASH 2018, Abstr. #445. 2. Fenaux P, Platzbecker U et al.: The MEDALIST trial: Results of a phase 3, randomized, double-blind, placebo-controlled study of luspatercept to treat anemia in patients with very low-, low-, or intermediate-risk myelodysplastic syndromes (MDS) with ring sideroblasts who require red blood cell transfusions. ASH 2018, Abstr. #1. 3. Cappellini M et al.: The BELIEVE trial: Results of a phase 3, randomized, double-blind, placebo-controlled study of luspatercept in adult beta-thalassemia patients who require regular red blood cell transfusions. ASH 2018, Abstr. #163. 4. Siddiqi T et al.: Rapid MRD-negative responses in patients with relapsed/refractory CLL treated with liso-cel, a CD19-directed CAR T-cell product: Preliminary results from TRANSCEND CLL 004, a phase 1/2 study including patients with high-risk disease previously treated with ibrutinib. ASH 2018, Abstr. #300. SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2019 27