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Sprunggelenksdistorsion
Bestnoten für den guten alten Unterschenkelgips
Bei Sprunggelenksdistorsionen ist das Anlegen eines Gipsverbands seit Längerem aus der Mode gekommen. Stattdessen bevorzugen viele Orthopäden eine funktionelle Behandlung mit einer Orthese, die eine Bewegung des Gelenks gestattet, zugleich aber die angegriffenen Gelenkstrukturen vor Belastung schützt. Jetzt zeigt eine im «Lancet» publizierte Studie, dass die kurzzeitige Ruhigstellung mittels Unterschenkelgips eine schnellere Heilung ermöglicht als eine schlauchförmige Kompressionsbandage oder ein Bledsoe-Schuh. Heute wird oft die Meinung vertreten, dass eine frühzeitige Behandlung des gestauchten Gelenks einer schnelleren Heilung dienlich ist. Zu den Massnahmen zählen etwa eisgekühlte Umschläge, Hochlagerung der Extremität und gezielte Bewegungsübungen. Eine vollständige Ruhigstellung wird eher als heilungshemmend angesehen. Allerdings gibt es kaum Untersuchungen über die Wirksamkeit dieser Massnahmen. Das gilt einerseits für die Gelenkmobilisierung, andererseits ist aber auch unklar, welche Art von Stütze am besten geeignet ist. Im Rahmen der randomisierten Untersuchung verglichen Professor Sallie E. Lamb
und ihre Kollegen von der Warwich Universität in Coventry nun die Behandlungsergebnisse von zwei in England gebräuchlichen Orthesen (Aircast®-Sprunggelenksschiene, Bledsoe®-Schuh) mit einer simplen schlauchförmigen Kompressionsbandage. In einer vierten Gruppe wurde den Patienten über zehn Tage ein Unterschenkelgipsverband angelegt. An der Untersuchung nahmen 584 erwachsene Patienten teil, die sich nach einer schweren Sprunggelenksdistorsion in einer Notaufnahme vorstellten. Eine knöcherne Verletzung wurde röntgenologisch ausgeschlossen. Ausgenommen waren Patienten, bei denen die Verletzung länger als sieben Tage zurücklag oder bei denen das Risiko einer Thrombose erhöht war. Primärer Endpunkt war eine Verbesserung der Sprunggelenksfunktion nach drei Monaten, gemessen anhand des Foot and Ankle Score (FAOS), der Schmerzen und andere Symptome, aber auch die alltägliche und sportliche Aktivität und die Lebensqualität erfasst. Zur Überraschung der Autoren lieferte die Immobilisierung mit Gipsverband die besten Ergebnisse. Am schlechtesten schnitt die Kompressionsbandage ab, die zwar
besonders kostengünstig ist, mit der aber
die Genesung der Patienten nicht deutlich
beschleunigt werden kann. Enttäuschend
schnitt der Bledsoe-Schuh ab, mit 215 briti-
schen Pfund die teuerste Therapievariante.
Die Ergebnisse waren nicht besser als mit
der Kompressionsbandage..
Günstiger fielen die Resultate mit der Air-
cast®-Schiene (Therapiekosten 39,23 Pfund)
aus. Die Gelenkfunktion erholte sich mit der
Schiene deutlich schneller, doch hinsicht-
lich Schmerzen und Aktivität der Patienten
gab es keinen Unterschied zu den banda-
gierten Patienten. Auf lange Sicht kommen
die verschiedenen Behandlungen jedoch auf
das gleiche Ergebnis, wie Folgeuntersuchun-
gen nach neun Monaten ergaben. Fazit der
Autoren: «Wir empfehlen das Anlegen eines
zehntägigen Unterschenkelgipsverbands zur
Behandlung einer schweren Sprunggelenks-
distorsion oder alternativ die Aircast-Sprung-
gelenkschiene. Weder die Kompressions-
bandage noch der Bledsoe-Schuh können
dagegen empfohlen werden.»
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U.B.
Quelle: S.E. Lamb et al.: Mechanical supports for acute, severe ankle sprain: a pragmatic, multicentre, randomised controlled trial. Lancet 2009; 373: 575—581.
Experimentelle Studie
Kann HDL seine endotheliale Schutzfunktion auch verlieren?
In Therapien, die das High-Density-Lipoprotein (HDL) erhöhen, setzen Forschung und Industrie einige Hoffnungen. Dabei sollen die günstigen Wirkungen von HDL auf die Stickstoffmonoxid-(NO-)Produktion in den Endothelzellen, auf den oxidativen Stress und die Endothelreparatur als antiatherogenes Prinzip ausgenützt werden. Unklar ist, ob HDL bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS) oder stabiler Koronarerkrankung (CAD), die diese Effekte besonders benötigen, seine endothelprotektive Wirkung entfaltet. In einer experimentellen Studie, die soeben am Cardio-
logy Update 2009 in Davos als Abstract vorgestellt wurde, untersuchten C. Besler und Mitautoren vom Universitätsspital Zürich das HDL von je 25 ACS- und CAD-Patienten sowie gesunden Kontrollen. Dabei wurden bekannte HDL-Effekte an aktivierten humanen Aortaendothelzellen gemessen. Erwartungsgemäss stimulierte HDL von Gesunden die endotheliale NO-Produktion, HDL von ACS- und CAD-Patienten hatte überraschenderweise genau den gegenteiligen Effekt. HDL von Gesunden bewirkte bei Labormäusen mit induzierter Karotisläsion eine raschere Endothelreparatur; diese
Wirkung war beim HDL von Koronarkran-
ken nicht zu beobachten. Dies, zusammen
mit weiteren ungünstigen Messparametern
der Endothelfunktion (z.B. der NO-ver-
mittelten antientzündlichen Wirkung von
HDL), lässt den Schluss zu, dass HDL bei
ACS und CAD seine Endothelschutzwir-
kung verliert, was für die auf HDL gerichte-
ten Therapien bedeutsam werden könnte,
denn nur ein Anstieg des auch wirklich
vasoprotektiven HDL verspricht einen Be-
handlungsnutzen.
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H.B.
172 ARS MEDICI 5 ■ 2009