Transkript
Therapie der Atemwegserkrankungen
Mehr Effizienz durch Biomarker und Biologika
In der Therapie von Asthma bronchiale und COPD kristallisiert sich zunehmend ein Trend weg von einer One-size-fits-all-Perspektive in Richtung differenzierterer Strategien heraus. Die Mittel dazu sind gezielte Therapien mit Biologika sowie eine präzisere Phänotypisierung anhand von Biomarkern.
Sowohl in der Therapie des Asthma bronchiale als auch der COPD sollte eine Reihe von Therapiezielen erreicht werden – darunter auch die Reduktion von Exazerbationen, Krankheitsprogression und Mortalität. «Das sind einige der Ziele, die die Guidelines von uns verlangen. Und wir müssen leider zugeben, dass wir diese Ziele nicht erreichen», sagte Prof. Nicola Hanania aus Houston (Texas/USA). Den Therapieerfolgen stehen zahlreiche Hindernisse im Weg. Vor allem gibt es bislang keine Therapie, die eine der beiden Erkrankungen heilen könnte. Die heute verfügbaren, wirksamen Medikamente zeigen dosislimitierende Nebenwirkungen, und zahlreiche Patienten leiden daher unter anhaltenden Symptomen und Exazerbationen. Hanania: «Viele dieser Probleme können wir durch gutes Krankheitsmanagement lösen – allerdings bei Weitem nicht alle und vor allem nicht bei allen Patienten.»
Was wäre das ideale Asthmamedikament?
So habe man im Falle des Asthma bronchiale gelernt, dass man es mit einer Erkrankung mit zahlreichen unterschiedlichen Subtypen zu tun hat. Es gibt eosinophile, allergische Inflammation ebenso wie eosinophile, nicht allergische Entzündungen, bei manchen Patienten stehen die Neutrophilen im Vordergrund, bei anderen liegt nur sehr wenig Entzündung vor. Auch Mischformen dieser Subtypen von Asthma kommen im klinischen Alltag vor. Es besteht also Bedarf nach Therapien, die gezielt in diese pathophysiologischen Mechanismen eingreifen. Hanania: «Dieses Medikament sollte die jeweiligen proinflammatorischen Zellen und Mediatoren beeinflussen, die für die Erkrankung und ihre Komorbiditäten verantwortlich sind. Es sollte klinische Endpunkte kurz- und langfristig beeinflussen, seine Wirksamkeit bei einem individuellen Patienten sollte anhand von Biomarkern vorhersagbar sein, es sollte gut verträglich und leicht anzuwenden sein und letztlich die Progression der Erkrankung aufhalten. Kosteneffektivität steht ebenfalls auf der Wunschliste.» Der Weg zu solchen Medikamenten ist allerdings noch weit. Die Schwierigkeiten beginnen bei der Komplexität der Erkrankungen. Auch die verfügbaren und validierten Biomarker für die Identifikation von Subgruppen sind nur in sehr begrenztem Mass vorhanden. Hanania: «Wir haben Marker
für die TH2-Inflammation, aber nur wenig darüber hinaus.» Auch Modelle für die Erforschung solcher Medikamente fehlen. Die häufig eingesetzten Mausmodelle haben sich bei den Atemwegserkrankungen als wenig aussagekräftig für die Wirksamkeit von Medikamenten erwiesen.
Biologika in der Asthmatherapie
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind in der Asthmatherapie mehrere sogenannte Biologika – in diesem Fall Antikörper gegen Zytokine oder deren Rezeptoren – verfügbar oder in fortgeschrittenen klinischen Studien (siehe Tabelle). Gewissermassen der Klassiker unter den Asthmabiologika ist das gegen IgE gerichtete und zur Behandlung von schwerem allergischem Asthma zugelassene Omalizumab. Die mittlerweile reichlich vorhandenen Erfahrungen mit diesem Antikörper sprechen für die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit. Allerdings konnte kein krankheitsmodifizierender Effekt festgestellt werden. Nach dem Absetzen kommt es zu einem neuerlichen IgE-Anstieg, dies jedoch ohne einen potenziell gefährlichen Rebound-Effekt (1). Diskutiert werden, so Hanania, auch alternative Wirkmechanismen von Omalizumab, beispielswiese auf dendritische Zellen. In den USA läuft gegenwärtig eine vom NIH durchgeführt Studie, die untersuchen soll, ob sich bei Kindern mit sehr hohem Risiko die Progression zum Asthma durch eine prophylaktische Therapie mit Omalizumab aufhalten lässt. Das gegenwärtig beliebteste Ziel in der Biologikatherapie des Asthma bronchiale ist Interleukin-5, das von T-Helferzellen des Typs 2 (TH2) und Mastzellen produziert wird und auf das Wachstum und die Differenzierung von eosinophilen Granulozyten wirkt. Hier greifen die bereits zugelassenen Antikörper Mepolizumab, Reslizumab und Benralizumab an. Hanania verwies auf umfangreiche Studienprogramme mit diesen Antikörpern, in denen unter anderem eindrucksvolle Reduktionen des Steroidbedarfs bei Patienten mit eosinophilem Asthma gezeigt werden konnten. Auch hier wurden keine Langzeiteffekte über das Absetzen der Therapie hinaus demonstriert. Der Antikörper Dupilumab richtet sich gegen die für die Kommunikation der TH2-Zelle wichtigen Zytokine IL-4 und IL-13, indem er an die Alphakette des Interleukin-4-Re-
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Tabelle:
Biologika bei schwerem Asthma mit TH2-Entzündung
Überblick über bestätigte Effektivität
Antikörper
Asthmakontrolle FEV1 Lebensqualität
Omalizumab
ACQ-7 ✓
↑↑
Mepolizumab
ACQ-5 n.s.
↑
↑
Reslizumab
ACQ-7 ✓
↑↑
Benralizumab
ACQ-6 ✓
↑↑
Dupilumab
ACQ-5 ✓
↑↑
Tezepelumab
ACQ-6 ✓
↑↑
✓ statistisch signifikant; n.s. statistisch nicht signifikant
OCS-Bedarf ↓ ↓ ↓ ↓ -
Exazerbationen ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓
Quelle: Vortrag Hanania
zeptors bindet. Dupilumab ist zugelassen für die Behandlung des atopischen Ekzems, in der Indikation Asthma besteht derzeit noch keine Zulassung. In einer Population von Patienten mit unkontrolliertem Asthma bronchiale konnte eine signifikante und eindrucksvolle Verbesserung der Lungenfunktion sowie eine Reduktion von Exazerbationen demonstriert werden (2). In dieser Studie war, so Hanania, die Verbesserung der Lungenfunktion unter Dupilumab über ein Jahr stabil, während die Lungenfunktion im Plazeboarm schlechter wurde. Dieser Befund sei vielversprechend und es gelte nun, Studien mit längerem Follow-up abzuwarten.
Neue Ziele und erste Small Molecules
Mit Tezepelumab, das gegen das Zytokin TSLP (thymic stromal lymphopoietin) gerichtet ist und damit weit oben in der Entzündungskaskade eingreift, befindet sich ein neuartiger Behandlungsansatz in klinischen Studien. In der Phase II bewirkte Tezepelumab in allen drei untersuchten Dosierungen substanzielle Reduktionen der Exazerbationsrate jenseits der 60 Prozent (3). Neben den Antikörpern wird auch ein Small Molecule zur gezielten Therapie von Asthma in der Phase III untersucht: Fevipiprant ist ein oraler Antagonist des Prostaglandin-D2Rezeptors und soll damit ebenfalls über die TH2-Zelle in den Entzündungsprozess bei Asthma eingreifen. Die Limitation der Biologikatherapie beim Asthma bronchiale ist gegenwärtig die enge Indikationsstellung. Hanania: «Die heute verfügbaren Therapien sind nur bei Patienten mit eosinophilem oder allergischem Phänotyp wirksam. Damit können wir grossen Gruppen von Patienten mit schwerem Asthma keine gezielten Therapien anbieten. Darüber hinaus sind die verfügbaren Biologika keineswegs perfekt. Sie reduzieren die Exazerbationsrate nicht auf null und sie haben keine krankheitsmodifizierende Wirkung. Auch haben wir keine Daten zu möglichen Sequenzen oder Kombinationstherapien. Insbesondere aber benötigen wir zuverlässigere und besser validierte Biomarker, um die Indikation zum Einsatz von Biologika stellen zu können.»
Das Konzept der eosinophilen COPD
Dass biomarkergetriebene Therapie nicht nur die neuen Biologika betrifft, sondern auch die ältesten der Asthma- und
COPD-Medikamente, zeige das Krankheitsbild der eosinophilen COPD, so Prof. Dave Singh aus Manchester (GB). Dass es die eosinophile COPD überhaupt gibt, sei allerdings nach wie vor nicht unumstritten. Singh betonte jedoch, dass die aktuelle Evidenz sehr für dieses Krankheitsbild spreche und sich der Anteil an Patienten mit hohem EosinophilenCount nicht durch fehldiagnostizierte Asthmatiker erklären lasse. Gegenwärtig bewege man sich, so Singh, in Richtung einer differenzierteren Betrachtungsweise der COPD und habe nun ausreichend Evidenz für die Eosinophilenzahl im Blut von COPD-Patienten als wichtigen Biomarker bei COPD. Dieser eigne sich unter anderem als Prädiktor für das Ansprechen auf inhalative Kortikosteroide. Singh unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen prädiktiven und prognostischen Biomarkern, wobei Eosinophilie ein prädiktiver Biomarker sei, zumal Versuche, die Prognose von Patienten anhand der Eosinophilen abzuschätzen, nicht von Erfolg gekrönt waren und erfolgte Exazerbationen nach wie vor der beste und einfachste prognostische Faktor für weitere Exazerbationen seien. Obwohl sich das Konzept der eosinophilen COPD erst langsam durchsetzt, ist es nicht neu und wurde bereits vor fast 20 Jahren vorgeschlagen (4). Ältere Studien zu dieser Frage unterschieden sich jedoch von den neueren in einem wichtigen Punkt: Man betrachtete damals Eosinophile im Sputum, die den entscheidenden Nachteil haben, in der klinischen Routine schwer messbar zu sein. Im Gegensatz dazu ist die Bestimmung der Eosinophilenzahl im Blut trivial. Unklar war allerdings, ob sie auch aussagekräftig ist. In mehreren Studien sei es, so Singh, nicht gelungen, Korrelationen zwischen Eosinophilen in Sputum und Blut zu finden. Dies sei in erster Linie das Ergebnis methodischer Probleme gewesen. Vor allem wisse man aber nicht, ob die Eosinophilen im Sputum überhaupt den Goldstandard für die Bestimmung der Eosinophilie bei COPD darstellen. Mittlerweile wisse man jedoch, dass sich Blut-Eosinophile als Marker für die Klinik eignen. Nachgewiesen werden konnte unter anderem eine signifikante Korrelation des Exazerbationsrisikos mit der Eosinophilenzahl im Blut (5). Singh: «Wir haben es hier mit einer kontinuierlichen Dosis-Wirkungs-Beziehung zu tun und können daher keinen klaren Cut-off an-
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geben, unter dem die Eosinophilenzahl nicht mehr mit dem Exazerbationsrisiko korreliert.»
Welcher COPD-Patient benötigt Steroide?
Die aus klinischen Studien verfügbaren Daten zeigen: Patienten mit erhöhter Eosinophilenzahl und TH2-Inflammation stehen Patienten mit niedriger Eosinophilenzahl und bakterieller Kolonisierung der Atemwege gegenüber. Obwohl es sich hier um eine kontinuierliche Dosis-Wirkungs-Beziehung handelt, werden für die klinische Praxis doch Grenzwerte benötigt. In einer Analyse der WISDOM-Studie profitierten Patienten mit einer Eosinophilenzahl über 400/l sowie häufigen Exazerbationen signifikant und deutlich von inhalativen Kortikosteroiden (6), während in anderen Studien der Cut-off niedriger festgelegt wurde. So wurde in der soeben publizierten SUNSET-Studie ein Cut-off von 300 EOS/l untersucht. Die Studie zeigte, dass Patienten mit Eosinophilen über diesem Wert von einer LAMA/LABA/ICS-Kombination mehr profitieren als von LAMA/LABA (7). Dieser Wert von 300 EOS/l werde nun zunehmend als klinisch brauchbarer Cut-off für den Einsatz von Steroiden bei COPD etabliert. Singh betonte, dass unterhalb dieses Cut-offs der Steroideinsatz bei COPD vermieden werden sollte, zumal ICS Patienten mit niedrigen Eosinophilen sogar schaden könnten, da sie die bakterielle Überwucherung fördern. Insgesamt könne man, so Singh, anhand der beiden Parameter Bluteosinophile und Exazerbationsfrequenz das Ansprechen auf ICS abschätzen. Die Zahl der Exazerbationen kann für die Indikationsstellung zum Einsatz von ICS herangezogen werden, wenn die Eosinophilenzahl alleine keine ausreichende Information liefert.
KURZ & BÜNDIG
In der Diagnostik und Therapie der chronischen Atemwegserkrankungen wird immer genauer zwischen unterschiedlichen Phänotypen differenziert.
Biologika erlauben gezielte Eingriffe in pathophysiologische Mechanismen der Erkrankungen.
In der Asthmatherapie sind mehrere Biologika gegen IL-5 (eosinophiles Asthma) und IgE (allergisches Asthma) zugelassen.
Biologika und Small Molecules gegen andere Faktoren in der Asthmapathophysiologie befinden sich in Phase-III-Studien.
Patienten mit erhöhter Eosinophilenzahl stellen eine Subgruppe der COPD-Population dar, die auf inhalative Steroide anspricht.
Biologika haben sich bei COPD bislang als bestenfalls mässig wirksam erwiesen.
Bislang steht keine gezielte Therapie der neutrophilen Entzündung bei Asthma oder COPD zur Verfügung.
Biologika bei COPD: Mässiger Erfolg
Eine erhöhte Eosinophilenzahl könnte, so Hanania, bei
COPD-Patienten auch eine Indikationsstellung zur Biolo-
gikatherapie bedeuten. Denn Anti-IL-5-Antikörper wurden
auch bereits bei COPD untersucht, brachten dort jedoch in
der Gesamtpopulation keinen therapeutischen Effekt. Dieses
Bild ändere sich jedoch gründlich, wenn man Subgruppen
mit erhöhten Eosinophilen betrachte (8). Hanania wies je-
doch darauf hin, dass entsprechende Phase-III-Studien mit
Benralizumab unpubliziert sind und negativ verlaufen sein
sollen. Für Mepolizumab wurde jedoch bei Patienten mit
hoher Eosinophilenzahl eine statistisch signifikante Reduk-
tion des Exazerbationsrisikos gefunden (9). Hanania betonte
jedoch, dass die Effekte geringer seien als in der Indikation
Asthma und die FDA aus diesem Grund die Zulassung von
Mepolizumab bei COPD einstweilen verweigert hat. Er wies
auch darauf hin, dass bislang alle Versuche, die neutrophile
Inflammation durch Biologikatherapie zu beeinflussen, ge-
scheitert sind. Neue Strategien, die höher in der Entzün-
dungskaskade eingreifen, könnten die Situation verbessern.
Hanania: «Insbesondere in der Indikation COPD benötigen
wir auch Biologika, die alternative Strategien in der Behand-
lung akuter und chronischer Infektionen eröffnen. Denn ge-
rade in der COPD spielt die Infektion eine wichtige Rolle in
Verlauf und Progression der Erkrankung.»
L
Reno Barth
Referenzen 1. Ledford D et al.: A randomized multicenter study evaluating
Xolair persistence of response after long-term therapy. J Allergy Clin Immunol. 2017; 140(1): 162–169.e2. 2. Castro M et al.: Dupilumab Efficacy and Safety in Moderateto-Severe Uncontrolled Asthma. N Engl J Med 2018; 378(26): 2486–2496. 3. Corren J et al.: Tezepelumab in Adults with Uncontrolled Asthma. N Engl J Med 2017; 377: 936–946. 4. Rutgers SR et al.: Comparison of induced sputum with bronchial wash, bronchoalveolar lavage and bronchial biopsies in COPD. Eur Respir J 2000; 15(1): 109–115. 5. Siddiqui SH et al.: Blood Eosinophils: A Biomarker of Response to Extrafine Beclomethasone/Formoterol in Chronic Obstructive Pulmonary Disease. Am J Respir Crit Care Med 2015; 192(4): 523–525. 6. Calverley PMA et al.: Eosinophilia, Frequent Exacerbations, and Steroid Response in Chronic Obstructive Pulmonary Disease. Am J Respir Crit Care Med. 2017; 196(9): 1219–1221. 7. Chapman KR et al.: Long-Term Triple Therapy De-escalation to Indacaterol/Glycopyrronium in Patients with Chronic Obstructive Pulmonary Disease (SUNSET): A Randomized, DoubleBlind, Triple-Dummy Clinical Trial. Am J Respir Crit Care Med 2018; 198(3): 329–339. 8. Brightling CE et al.: Benralizumab for chronic obstructive pulmonary disease and sputum eosinophilia: a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 2a study. Lancet Respir Med 2014; 2(11): 891–901. 9. Pavord ID et al.: Mepolizumab for Eosinophilic Chronic Obstructive Pulmonary Disease. N Engl J Med 2017; 377(17): 1613–1629.
Quelle: State of the art session «Airways disease, update on clinical and translational studies» beim Jahreskongress der European Respiratory Society (ERS), 16. September 2018 in Paris.
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